TOS (Betriebssystem)

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TOS
Screenshot von TOS 4.92, der letzten, nicht mehr zur Serienreife gebrachten TOS-Version.
Entwickler Jack Tramiel
Lizenz(en) Proprietär
Akt. Version 4.92
Architektur(en) Atari ST, Atari TT, Milan, Hades

TOS (Akronym für The Operating System, seltener Tramiel Operating System, nach dem damaligen Atari-Chef Jack Tramiel) ist ein Computerbetriebssystem. Es wurde für die Heimcomputerserie Atari ST von 1985 bis 1994 entwickelt.

TOS war bei seinem Erscheinen 1985 vollständig in GEM, eine von Digital Research entwickelte und für ihre Zeit sehr komfortable grafische Benutzeroberfläche, integriert. Es bestand somit für Endanwender keine unmittelbare Notwendigkeit, den Rechner auf Betriebssystemebene zu bedienen.

Geschichte

TOS sollte ursprünglich auf CP/M-68K (einem Betriebssystem von Digital Research) aufbauen und über eine grafische Oberfläche ähnlich dem Mac namens GEM (ebenfalls von Digital Research) verfügen, die parallel dazu für 8086-basierte Rechner entwickelt wurde. Aufgrund vieler Mängel von CP/M-68K wurde dies als Fundament für TOS verworfen, lediglich die Prototypen des Atari ST, die auf der CES gezeigt wurden, arbeiteten mit CP/M-68K. Stattdessen entschied Atari, das noch in der Entwicklung befindliche GEMDOS, ebenfalls von Digital Research, zu verwenden, das leistungsfähiger schien und deutlich besser auf den Betrieb einer grafischen Oberfläche ausgerichtet war als CP/M-68K[1]. Tatsächlich war GEMDOS den reinen DOS-Systemen MS-DOS und DR-DOS sehr ähnlich und verwendete ein kompatibles Diskettenformat. Aufgrund des enormen Zeitdrucks wurde TOS nicht rechtzeitig fertiggestellt und musste auf frühen Atari 520ST (1. Serie) von Diskette geladen und im RAM ausgeführt werden. Später wurde das Betriebssystem aber im ROM integriert.

TOS 1.0x

TOS 1.0 wurde unter großem Zeitdruck entwickelt und galt als stark fehlerbehaftet und extrem langsam. TOS 1.02 (auch Blitter-TOS genannt) behob die größten Probleme und unterstützte den grafischen Koprozessor Blitter, blieb jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Erst mit TOS 1.04 (auch „Rainbow“-TOS genannt, wegen der Regenbogenfarben des Atari-Logos in der „ About“-Dialogbox) konnte Atari ein ausgereiftes Betriebssystem mit besserer Unterstützung von Festplatten, verbesserter Speicherverwaltung für Dateisysteme und einem freundlicheren Datei-Selektor ausliefern. Auf Basis des TOS 1.04 wurde TOS 1.06 entwickelt, das die STE-Hardware unterstützte und über einen „Cookie-Jar” (eine Sammlung von System-Variablen)[2] verfügte. Aufgrund kleinerer, aber deutlich sichtbarer Fehler musste Atari recht früh nachbessern und entwickelte TOS 1.62.

TOS 3.0x

TOS 3.0x wurde vom Atari TT sowie seinen Klonen verwendet. Während sich in den vorangegangenen Versionen nur wenig an der Benutzeroberfläche verändert hatte, stellt TOS 3 eine echte Überarbeitung dar: Dateien können auf dem Desktop abgelegt, Icons individuell zugewiesen und Dateien gesucht werden.

TOS 2.0x

TOS 2.0x wurde mit dem MegaSTE und somit zeitlich nach TOS 3 eingeführt. Es übernahm den erweiterten Desktop von TOS 3 und war mit 256 KB ROM deutlich größer als TOS 1.0x (192 KB). Adapterplatinen anderer Hersteller sorgten für die nötigen Adressanpassungen, um TOS 2.06 auch in älteren STs einsetzen zu können. TOS 2.06 unterstützte HD-Disketten (1,44 MB).

TOS 4.0x

Neben den Anpassungen an die leistungsfähigere Hardware des Falcon und der Unterstützung des DSP bot TOS 4 erstmals animierten 3D-Look, Farbicons, Pop-ups und Untermenüs. Diese Erweiterungen konnten dank eigener GEM-Bibliotheken (WinDom, SysGem, faceVALUE) auch unter älteren TOS-Versionen genutzt werden. Erstmals in einem TOS sind die verschiedenen Sprachversionen in einem ROM zusammengefasst, die Einstellungen werden aus dem NVRAM ausgelesen.

Ein unerwartetes Comeback erlebte TOS 4 auf dem Atari-Klon Milan der Firma Milan Computersysteme. Neben der Verwendung eines moderneren Compilers (GNU C-Compiler) und Anpassungen an die veränderte Hardware (68040 CPU) gibt es in späteren Versionen (TOS 4.08) sichtbare Änderungen in Form von runden Optionsfeldern (Radiobutton) und eckigen Auswahlkästen (Checkbox). Diese rein optischen Neuerungen waren schon vor dem Milan-TOS in diversen GEM-Bibliotheken eingebaut worden. TOS 4.08 ist nur auf dem Milan lauffähig. An der Umsetzung und Erweiterung von TOS 4 auf den Milan war Atari nicht beteiligt.

Zeitlich vor dem Milan-TOS erschien noch inoffiziell TOS 4.92, welches als Beta-Version auf diversen Internet-Seiten kursiert. Auffälligste Änderungen: Zusatzprogramme (Accessories) können nun jederzeit nachgeladen werden, und die Fenster der Benutzeroberfläche sind minimierbar.

MultiTOS

Ein unvollständiges Multitasking war schon in TOS 1 bis 4 möglich (Start sogenannter „Accessories”). Andere Hersteller (MultiGEM, Mag!X) boten hingegen schon echtes Multitasking an. Schließlich schloss Atari auf und veröffentlichte MultiTOS. Es war eine komplette Neuentwicklung und basierte nicht auf TOS 1–4, sondern auf dem von Eric Smith entwickeltem MiNT, das in der Lage war, mehrere TOS-Programme ohne grafische Benutzeroberfläche auszuführen, und der grafischen Oberfläche MultiAES, die den parallelen Einsatz von GEM-Programmen erlaubte. Sie war der Benutzeroberfläche des TOS 4.0x sehr ähnlich, brachte aber Inkompatibilitäten mit sich.

MultiTOS bot präemptives Multitasking und Speicherschutz (mit dem 68030 mit Hilfe der PMMU), die Benutzeroberfläche entsprach weitgehend dem Falcon-TOS. Besonders der (abschaltbare) Speicherschutz stellte viele Atari-Programme vor Probleme, ein großer Kritikpunkt war außerdem die niedrige Geschwindigkeit: Ein sinnvoller Einsatz war erst auf Rechnern mit 68030 CPU möglich.

MultiAES 4.1, eine fehlerbereinigte und beschleunigte Version der GEM-Komponente in MultiTOS, wurde nicht mehr offiziell als Update angeboten, das quelltextoffene MiNT wird hingegen bis heute weiterentwickelt.

Aufbau

TOS ist primär aus 5 Modulen und dem Desktop zusammengesetzt:

BIOS

Das BIOS stellt die unterste Schicht des Betriebssystems dar und abstrahiert einen großen Teil der zugrunde liegenden Hardware. Das BIOS legt dabei die Grundlage für den Betrieb eines CP/M oder CP/M-ähnlichen Systems, das heißt, es verfügt über fundamentale Funktionen zum Lesen und Schreiben von Sektoren, Einlesen oder Ausgeben von Zeichen, einfache Verwaltung von Speicher ud Zeitgebern. Das BIOS wird innerhalb von TOS komplett von GEMDOS gekapselt und soll daher von Applikationsentwicklern nicht direkt verwendet werden.

XBIOS

Ähnlich wie das BIOS abstrahiert das XBIOS die Hardware auf eine sehr fundamentale Weise, bedient dabei aber nicht das GEMDOS. Im wesentlichen bietet das XBIOS Funktionen zur Verwaltung von Hardware, die nicht von GEMDOS/BIOS genutzt wird aber vorhanden ist, wie z.B. Klangerzeugung, Setzen der Farbpalette, Verwaltung von Tastatur, Maus, Auflösung, Bildschirmspeicher etc.

GEMDOS

Das GEMDOS ist Systemen wie MS-DOS oder DR-DOS sehr ähnlich. Es bietet Funktionen zur Speicherverwaltung, Dateiverarbeitung mit hierarchischem Filesystem, fundamentale Verwaltung von Prozessen, Konsolen-ein- und -ausgabe über Kanäle etc. Zwar bietet GEMDOS eine fundamentale Prozessverwaltung, ist aber nicht multitaskingfähig. Daher wurde das GEMDOS in MultiTOS durch MiNT ersetzt.

VDI

Die Grundlage der grafischen Benutzeroberfläche GEM. Das Virtual Device Interface abstrahiert komplexere Ein- und Ausgabegeräte, wobei der Schwerpunkt - insbesondere innerhalb des TOS - auf Bildschirmausgaben liegt. Im wesentlichen besteht das VDI aus einem (oder prinzipiell mehreren) Gerätetreibern und einem sogenannten Graphical Device Operating System (GDOS), das im TOS nur sehr rudimentär vorhanden ist. Letztlich bietet das VDI einen Katalog von Funktionen zum Zeichnen von grafischen Objekten (sogenannten Primitives) wie z.B. Linien, Kreise, Rechtecke, mit verschiedensten Attributen wie z.B. Farben, Füllmustern, Liniendicken, sowie zur Ausgabe von Zeichen mit variablen Zeichensätzen und -attributen.

AES

Die Application Environment Services (AES) stellen eine Bibliothek von Funktionen für Applikationen zur Verfügung. Diese reichen von der Applikationsverwaltung selbst (Initialisierung, Betrieb, Deinitialisierung) über Ereignisverwaltung (z.B. Mausclick, Timer, Mitteilungen, etc.) hin zur Fenster- und Menuzeilenverwaltung, Dialogboxen und Dateiauswahlboxen. Das AES selbst ist sozusagen "unsichtbar", wird aber von GEM-Programmen genutzt und verleiht diesen das charakteristische Verhalten und Aussehen. Im Gegensatz zum restlichen TOS unterstützt das AES, wenn auch nur rudimentär, kooperatives Multitasking. Da das restliche TOS dies aber nicht erlaubt, kann TOS nur je ein Programm starten, aber gleichzeitig mehrere kleine Hilfsprogramme, sogenannte Accessories, bedienen. In MultiTOS wird das sogenannte MultiAES nachgeladen, das diese Einschränkungen nicht mehr hat.

Desktop

Dies ist zwar kein Betriebssystem-Modul, aber im TOS enthalten. Es stellt die primäre Arbeitsumgebung nach dem Start des Betriebssystems dar und erlaubt dem Benutzer, mit Hilfe der Maus, Dateioperationen auszuführen und Programme zu starten.

Weiterentwicklungen

Es gab mehrere Erweiterungen von TOS von anderen Anbietern, die bekannteste war wohl KaOS.

TOS unterliegt nach wie vor Lizenzbestimmungen und ist nicht frei verfügbar. Die Nutzungsrechte an TOS liegen heute bei der Milan Computer GmbH (Kiel, Deutschland) und der Medusa Computer Systems (Uster, Schweiz). Diese dürfen TOS anpassen und mit ihren Computern verwenden und verkaufen. So wurde TOS an die, nicht mehr von Atari entwickelte, neuere Hardware angepasst. Ab 2002 wurde von freien Entwicklern ein völlig freies TOS namens EmuTOS programmiert.[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Dad Hacker:[1]
  2. http://toshyp.atari.org/en/003007.html
  3. Matthias Jaap: Das offene TOS: EmuTOS (Interview). ST-Computer, November 2002, abgerufen am 1. Februar 2011.
Commons: Atari – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien