Kursk (U-Boot)

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Kursk
Das Schwesterschiff Omsk (K-186)
Das Schwesterschiff Omsk (K-186)
Schiffsdaten
Flagge Russland Russland
Schiffstyp Atom-U-Boot
Klasse Oscar-Klasse
Heimathafen Widjajewo
Stapellauf 16. Mai 1994
Indienststellung 30. Dezember 1994
Verbleib Am 12. August 2000 gesunken
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 154,0 m (Lüa)
Breite 18,2 m
Tiefgang (max.) 9,0 m
Verdrängung aufgetaucht: 14.200 t
getaucht: 24.000 t
 
Besatzung 112 Mann
Maschinenanlage
Maschine 2 Druckwasserreaktoren
2 Dampfturbinen
Maschinen­leistung 98.000 PS (72.079 kW)
Propeller 2, siebenflügelig
Einsatzdaten U-Boot
Tauchtiefe, normal 600 m
Höchst-
geschwindigkeit
getaucht
32 kn (59 km/h)
Höchst-
geschwindigkeit
aufgetaucht
16 kn (30 km/h)
Bewaffnung
Sensoren
  • zylindrischer Bugsonar (Skat-3 Anlage)
  • seitlicher Rumpfsonar
  • Schleppsonar
  • Hochfrequenzsonar zum Auftauchen unter Eis
  • Minenmeidesonar

Die K-141 Kursk (russisch Курск) war ein 1990/91 gebautes, mit Marschflugkörpern bestücktes russisches Atom-U-Boot (U-Boot mit Marschflugkörpern) des Projektes 949A (NATO-Code: Oscar-II-Klasse). Als es im Jahr 2000 durch die Folgen einer Explosion, die vermutlich durch einen technischen Defekt ausgelöst wurde, sank, behauptete das russische Militär, es sei von einem US-amerikanischen U-Boot gerammt worden. Die zögerliche russische Informationspolitik, die zunächst gescheiterten Versuche der schlecht ausgerüsteten russischen Marine (sie besaß kein spezielles Rettungs-U-Boot, das über zur Kursk kompatible Rettungsschleusen bzw. Roboterarme verfügte, sondern nur Tauchkapseln), mit Hilfe norwegischer Taucher die Ausstiegsluke zu öffnen, sowie die Skepsis russischer Marineoffiziere, dass das Öffnen der angeblich beschädigten Ausstiegsluke überhaupt noch möglich sei, führte zu einer gravierenden Verzögerung und zur sehr späten Annahme der ausländischen Hilfsangebote. Drei Tage nach der Explosion gelang den norwegischen Tauchern, nun von ihrer eigenen Tauchplattform aus operierend, nach zeitraubenden Fehlversuchen das Öffnen der inneren Luke, wobei die Taucher feststellen mussten, dass es keine Überlebenden mehr geben konnte, da alle Sektionen bereits geflutet waren. Allerdings sagte der norwegische Offizier Erland Raanes aus, dass, entgegen den Behauptungen russischer Marineoffiziere, an der Ausstiegsluke keine Schäden festgestellt wurden. Die russische Regierung bat darauf die norwegische Regierung, die Bergung der Leichen durchzuführen. Später stellte sich heraus, dass etwa 23 Besatzungsmitglieder zunächst überlebt hatten und sich in die hinterste Sektion, wo auch die Notausstiegsluken waren, hatten retten können. Diese erstickten aber, aufgrund des Absinkens des Sauerstoffanteils der Atemluft, offenbar bereits wenige Stunden nach der Explosion, was aus der von einem Matrosen hinterlassenen letzten schriftlichen Aufzeichnung und einem Abschiedsbrief hervorgeht.

Geschichte

Bau

Am 22. März 1990 wurden die ersten Sektionen verschweißt, damit wurde K-141 auf Kiel gelegt. Die Seekriegsflotte nahm das neue Schiff am 31. Januar 1991 in die Bestandsliste auf und ordnete es am 3. Juni 1992 den atomgetriebenen Raketen-U-Kreuzern zu. Auf Befehl des Oberkommandos der Seekriegsflotte wurde K-141 am 6. April offiziell der Name Kursk verliehen. Am 16. Mai 1994 wurde K-141 Kursk aus der Bauhalle gerollt und damit der Stapellauf vollzogen. Die Unterschrift unter der Abnahmeakte und das Hissen der Andreasflagge erfolgten am 30. Dezember 1994. Schließlich erfolgte am 1. März 1995 die Übergabe an die Nordmeerflotte sowie die Stationierung in Ura Guba / Widjajewo.

Erste Fahrten

Der erste Kommandant der Kursk, Wiktor Roschkow, konnte sich seine Mannschaft neu zusammenstellen. Der Besatzung gelang es, K-141 Kursk innerhalb von sechs Monaten in den Kampfbestand einzugliedern. Die Probleme in der inneren Führung nahmen jedoch zu. 1996 wurde bereits spekuliert, was passieren würde, wenn keine Befehle mehr ausgeführt würden. An Bord gab es unregelmäßige und unzureichende Verpflegung. Daraufhin bat Roschkow den Bürgermeister der Stadt Kursk um Hilfe. Von da an fuhren alle drei Monate Lastwagen mit Lebensmitteln zum Stützpunkt. 1997 quittierte Roschkow schließlich seinen Dienst und verließ die Flotte.

Neuer Kommandant wurde der Kapitän Ersten Ranges Gennadij Ljatschin. 1998 wurden in Sewerodwinsk die Waffensysteme und Sensoren modernisiert. Danach begann eine Mittelmeerfahrt. 1999 wollte Russland nach den NATO-Luftangriffen auf Jugoslawien wieder Stärke in diesem Gebiet zeigen. Ljatschin gelang es, die Kursk unbemerkt durch die Straße von Gibraltar zu bringen. Später wurde das Boot jedoch durch Sonarbojen geortet und verfolgt. Am 19. Oktober 1999 lief die Kursk nach 78 Tagen auf See wieder in Widjajewo ein. Daraufhin wurde die Kursk das Flaggschiff ihrer Flottille.

Untergang der Kursk

Die 154m lange Kursk in 108m Tiefe

Am 12. August 2000 nahm die Kursk an einem Manöver der russischen Nordmeerflotte in der Barentssee teil. Um 11:28 Uhr Moskauer Zeit wurde in Norwegen in diesem Seegebiet eine Explosion mit der Stärke 1,5 auf der Richter-Skala, um 11:30 Uhr eine weitere der Stärke 3,5 aufgezeichnet. Laut dem offiziellen Untersuchungsbericht wurde vermutlich der Motor eines Übungstorpedos zu früh eingeschaltet. Aufgrund der fehlenden Kühlung durch das umgebende Meereswasser überhitzte das Geschoss, wodurch eine Wasserstoffperoxidleitung leckte (85–98-prozentiges Wasserstoffperoxid, sog. HTP oder High Test Peroxide, wird für Raketen und Torpedoantriebe verwendet). Diese Chemikalie reagierte stark mit Messing und Kupfer (beides befindet sich im Torpedo) und bildete dabei Wasserstoff und Sauerstoff, zusammen das hochentzündliche Knallgas. Da sich dadurch sein Volumen blitzartig auf das 5000-fache vergrößerte, wurde der Torpedo auseinandergesprengt. Es brach ein Feuer aus, das sich schnell bis in den Bugtorpedoraum ausbreitete und dort durch die Explosion der Sprengköpfe ein großes Loch in die Außenhülle des U-Bootes riss. Zu alledem wurde durch die verheerende Druckwelle die Sektion 2 stark beschädigt, wo sich der Kommando- und Steuerstand mit den meisten Offizieren und dem Kapitän befand. Durch das daraufhin eindringende Wasser sank die Kursk 180 Kilometer nordöstlich von Murmansk (etwa 69° 40′ N, 37° 35′ O) auf eine Tiefe von 108 Metern.

US-amerikanische Untersuchungen unter Zuhilfenahme russischer Experten kommen zu einem ähnlichen Schluss, wobei diese anstelle des Frühstarts des Torpedomotors jedoch Undichtigkeiten des Wasserstoffperoxidsystems infolge mangelhafter Wartung als Ursache annehmen. Als Grund, dass die wesentlich stärkere innere Torpedorohrklappe bei der ersten kleineren Explosion brach, wird angenommen, dass die Matrosen in diesem Moment versuchten, die Klappe erneut zu öffnen oder zu schließen, um Probleme mit den elektrischen Kontakten der Klappe zu beseitigen. Dass es nach dem Brandausbruch nicht zu einem Löschversuch oder irgendwelchen Notfallmaßnahmen (Auftauchen) kam, führt der Bericht darauf zurück, dass ein Lüftungsschacht zwischen Bug- und Kommandosektion der ersten Explosion nicht standhielt und so die Besatzung der Kommandobrücke ebenfalls getötet wurde.

Anfangs galt eine Fehlfunktion eines Superkavitationstorpedos vom Typ „Schkwal“ als mögliche Ursache, was sowohl laut russischen als auch US-amerikanischen Analysen später verworfen wurde.

Wladimir Putin am 23. August 2000 in einem TV-Interview über die Kursk

Mindestens 23 Besatzungsmitglieder überlebten zunächst im Inneren des Bootes, konnten sich aber nicht aus eigener Kraft aus dieser Tiefe befreien. Damit der CO2-Gehalt im U-Boot nicht zu hoch wurde, versuchten die Männer, spezielle CO2-Filter aufzuhängen. Diese Filter entziehen der Luft das CO2. Kommt ein solcher Filter mit Wasser oder Öl in Kontakt, wird eine chemische Reaktion hervorgerufen, die zu einem Brand führt. Es ist anzunehmen, dass einer der Matrosen in der Dunkelheit einen dieser Filter ins Wasser fallen ließ. Der dadurch entstehende Brand verbrauchte den restlichen Luftsauerstoff und die Männer erstickten.

Datei:Kolesnikov note.jpg
Brieffragment eines Besatzungsmitgliedes

Russische Rettungsmannschaften versuchten unter anderem mit Rettungs-U-Booten der Pris-Klasse vergeblich, eine Rettung durchzuführen. Die angebotene internationale Hilfe unter anderem von Großbritannien, Norwegen und den USA, und selbst Vorbereitungen dazu waren zuvor von russischer Seite abgelehnt worden, so dass deren unter Umständen rechtzeitiges Eintreffen verzögert wurde. Die Medien und die Angehörigen der Besatzung wurden über den Zustand des Bootes und den Verlauf der Rettungsarbeiten nur schleppend und widersprüchlich informiert. Als norwegische Taucher über eine Woche später mit der Tauchplattform „Regalia“ zum Wrack hinabtauchten, konnten sie keine Überlebenden mehr finden. Mittlerweile waren auch die letzten der 118 Mann Besatzung ums Leben gekommen.

Am ersten Jahrestag der Katastrophe untersagte der Kreml Journalisten Nahaufnahmen von Trauernden und Interviews mit ihnen.

Bergung

Das Schiff wurde von den niederländischen Firmen Mammoet und Smit Internationale am 8. Oktober 2001 gehoben. Zuvor war der Bug mit der Torpedo-Sektion unter Wasser vom Rest des Schiffes abgetrennt worden. Die dazu eingesetzte Seilsäge wurde von einer Krefelder Firma gefertigt. Diese Seilsäge bestand aus Hülsen, die mit JG-DUR-Hartmetall beschichtet waren. Nach dem gleichen Prinzip wurde die Tricolor zersägt. Mit Hilfe des Pontons Giant-4 schleppte der Hochseeschlepper Singapur die Kursk in den Hafen von Rosljakowo (69° 4′ N, 33° 12′ O). Die Kursk war das einzige der fünf gesunkenen Atom-U-Boote sowjetischer Bauart, das gehoben wurde. Neben ihr waren dies K-8, K-219, K-159 und K-278.[1]

In Murmansk sollte nahe der Kathedrale ein Mahnmal für das Unglück und seine Opfer entstehen.[2] In das Mahnmal sollte der Turm des U-Bootes eingearbeitet werden. Im März 2009 tauchte der Turm dann jedoch auf einem Schrottplatz bei Murmansk auf, wo er von Mitgliedern einer Organisation zur Unterstützung der russischen Flotte entdeckt wurde.[3]

Hintergründe

Monatelang behauptete das russische Militär, dass die Kursk durch ein US-amerikanisches U-Boot – erwähnt wurde die USS Memphis (SSN-691) (welche die Kursk angeblich bespitzelte) – gerammt worden sei und es so zu dem Unglück kam. Kollisionen zwischen US-amerikanischen und sowjetischen U-Booten gab es tatsächlich einige Male während des Kalten Krieges und auch später. So kollidierte am 11. Februar 1992 das US-U-Boot USS Baton Rouge (SSN-689) mit dem russischen Boot K-239. Diese Möglichkeit des Untergangs der Kursk konnte später ausgeschlossen werden, da bewiesen werden konnte, dass die Stärke der Druckwelle, die bei dem angeblichen Zusammenprall entstanden wäre, keinesfalls mit der tatsächlichen Stärke der Explosion übereinstimmen konnte. Andere Quellen kamen zunächst zu dem Schluss, dass das U-Boot bei einem Probeschießen versehentlich durch eine Rakete des Schlachtkreuzers Peter der Große versenkt wurde.[4]

Russischer Untersuchungsbericht

Im Februar 2002 präsentierte die staatliche Untersuchungskommission das Ergebnis ihrer Ermittlungen. Ein defekter Übungstorpedo habe letztlich die Katastrophe verursacht. Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow benannte die Chefs der Nordmeerflotte und die Besatzung der Kursk unter Kapitän Gennadi Ljatschin als Verantwortliche für schwere Nachlässigkeiten. Das Strafverfahren gegen die Marineführung endete jedoch im Juli 2002 ergebnislos und wurde eingestellt. Die Unterlagen werden amtlich für die Dauer von 25 Jahren geheim gehalten, ausgenommen der Teil über die Schlussfolgerungen der Untersuchung.

Siehe auch

Commons: K-141 Kursk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ingo Bauernfeind: Radioaktiv bis in alle Ewigkeit – Das Schicksal der Prinz Eugen. E. S. Mittler & Sohn, Hamburg/ Berlin/ Bonn 2011, ISBN 978-3-8132-0928-0, S. 160.
  2. Kursk-Turm gefunden: Verschrottetes Mahnmal. auf: sueddeutsche.de, 1. April 2009.
  3. Turm der russischen "Kursk" auf Schrotthalde entdeckt. auf: spiegel.de, 31. März 2009.
  4. Ein großer Bluff. In: Der Spiegel. 43/2001.