Paul Sturm (Theologe)

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Leben und Wirken von Dr. Paul Sturm

Paul Sturm wurde am 19. 1. 1891 in Bad Liebenstein bei Meiningen geboren. Der Vater Ernst Berthold Sturm war Bergwerkbesitzer und u. a. Mitbegründer der Handelsschule in Thüringen. Sturms Elternhaus war geistig und musisch geprägt und so hatte Paul Sturm schon in früher Kindheit ein 'Bündnis auf Lebenszeit' vor allem mit Dichtung und Musik geschlossen, wie er von sich selbst schreibt. Als Kind genoss er eine Ausbildung in Klavier- und Orgel-Spiel, das von Zeitzeugen als meisterhaft bezeichnet wird, und er trat auch früh mit Kompositionen an die Öffentlichkeit. Als Schüler erschienen erste Gedichte in Zeitungen, 1910 der Band „Schatten und Sonne“, dann die „Kriegsgebete“. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Nordhausen folgten das Einjährig-Freiwillige1 und ab 1910 die Jahre des Studiums. Auf Wunsch des Vaters immatrikulierte sich Paul Sturm zuerst für Jura in Erlangen. Nach dem Tod des Vaters wechselte er sofort an der Universität Göttingen zur Philosophie, zur Theologie und Medizin, später erfolgte noch ein autodidaktisches Studium der Komposition. Zu seinen Professoren der Philosophie gehören Maier, Husserl, Nelson, Katz u. a. Schon früh haben Sturm religiöse Fragen wie das Frömmigkeitsproblem beschäftigt und bereits in der Zeit seines Studiums schwebte ihm der Entwurf einer neuen Glaubenslehre vor. In einer Autobiographie spricht er davon, dass er vor 1914 ein Lehrbuch über Dogmatik geschrieben hatte, dem er den Untertitel „Genie und Masse“ gab [heute verschollen].2 Er war der erste Student, der das von seinem Vorfahren mütterlicherseits, Professor Christian Beyreiß [1730-1809, Universität Helmstedt, mit Goethe und Friedrich dem Großen bekannt], ausgesetzte Beyreiß-Stipendium erhielt, das für vielseitig begabte Studenten ausgeschrieben war.

Noch vor Abschluss des Studiums wurde Paul Sturm 1914 eingezogen, schwer kriegsverletzt durch einen Lungendurchschuss mit rechtsseitiger Armlähmung und lebenslangen Folgen. Mit seiner Gesundheit hat Sturm auch einen Großteil seiner für seine Idee mitkämpfenden Freunde verloren. Sein Studium versuchte er unmittelbar wieder fortzusetzen und legte 1918 beide theologischen Examina in Meiningen ab. 1919 übernahm er dann das Pfarramt in Hochdorf bei Blankenhain, Thüringen.

Im Jahr 1921 wurde er in Erlangen mit dem Thema des Antinomien-Problems bei Prof. Hensel in Philosophie promoviert und erwarb die Fakultas in den Nebendisziplinen Deutsch, Pädagogik und Geschichte. Eine umfangreiche zweite Arbeit über die „Kritik der Gottesbeweise“ wurde von Prof. Grützmacher an der Theologischen Fakultät Erlangen, später von Prof. Lincke, Universität Jena angenommen. Vom Abschluss der Promotion und dem Anerbieten Prof. Hensels bei ihm mit dem Thema: „Die Antinomien – ein Sophisma“ für eine akademische Laufbahn zu habilitieren machte Paul Sturm keinen Gebrauch, da durch die wirtschaftlichen Kriegsfolgen und den frühen Tod seines Vaters der Amtsantritt 1919 notwendig wurde, was zugleich dem Wunsch, in der Stille auf dem Lande arbeiten zu können, entgegenkam.

Paul Sturm trug sich Zeit seines Studiums mit dem Wunsch, einen Anstoß zu einer religiösen Neuerweckung des Christentums aus seiner Sicht zu geben. So setzte er unter all seine Schriften in dieser Zeit: „Mein Ziel ist, das neu reformierte Christentum zur Weltreligion zu erheben“ und gründete 1923 in Hochdorf bei Weimar das „Institut für Weltreligion“ mit der Herausgabe der „Thesen einer neuen Reformation“ und seiner „Richtlinien für eine neue Reformation“. Die Hyperinflation dieser Jahre brachte auch den Mäzen Sturms, Herrn Konsul Christian Lassen, um sein Vermögen und sein Mäzenatentum.

In dieser Zeit hatte Thüringen den Ruf, besonders liberal und offen für modernes Denken zu sein, was Paul Sturm veranlasste, sich dort in der Nähe der Kulturstadt Weimar niederzulassen. Er glaubte innerhalb der freien Thüringer Volkskirche, ungehindert seine reformatorischen Bestrebungen verwirklichen zu können. Am 31.10. bzw. 14.11.1923 leitete er dann auch in Weimar sein Vorhaben eines Reformanstoßes mit einem Gottesdienst in der Herderkirche Weimar und einem Aufruf zur Reformation ein. Es folgten in den folgenden Jahren darauf zahlreiche reformatorische Vorträge in vielen Städten Thüringens als „Sturm-Abende“ [Dichtung, Religionsphilosophie und eigene Kompositionen, selbst vorgetragen oder mit anderen Künstlern zusammen], die durch die Presse über Thüringen hinausreichten. Als Beispiele sollen hier 2 Vorträge aufgeführt werden: am 1. 11. 1930: „Religion und Religionsersatz“ im Stadthaus-Saal Weimar und ein Nietzsche-Abend am 1. 4. 1930 im Schauspielhaus Mühlhausen/Thüringen. Dazu entbrannte er, dem Hörer Friedrich Nietzsche, den Thüringer Philosophen, Künstler und Kirchenkritiker in seiner geistigen und künstlerischen Größe in öffentlichen Vorträgen nahe zu bringen. Später erfolgte von der Schwester Nietzsches, Frau Förster-Nietzsche, zweimal ein Antrag auf einen Nietzsche-Lehrstuhl an der Universität Jena, wofür Paul Sturm vorgeschlagen war, was sich allerdings durch verschiedene Umstände zerschlug.

Oberhofprediger D. Paul Graue, mit dem er in dieser Zeit in der Presse in regem geistigen Austausch stand, formulierte: „Es lebt in Sturm ein ganz ursprünglicher, mit elementarer Wucht sich geltend machender Sinn für echte Frömmigkeit.“3 Und der Schweizer Dichter Carl Spitteler [Nobelpreisträger 1919] bezeichnet Paul Sturm als: „religiöse Erscheinung individueller, persönlicher Art“4. Den Ruf als Pfarrer nach Gera, nach Berlin und 1928 an den Dom nach Bremen hat er nicht angenommen, um konzentriert an seinem Lebenswerk arbeiten zu können, was er auch bis zur Todesstunde tat.

In den Jahren in Hochdorf sowie den 1928 folgenden Jahren in Ulla bei Weimar und ab 1949 in Jena ist ein umfangreiches religionsphilosophisches Werk entstanden, das bis heute unveröffentlicht vorliegt. In der Zeit des Nationalsozialismus endete für Paul Sturm mit einem Presseverbot sein öffentliches Wirken, was ihn aber nicht davon abhielt, auf der Kanzel Hitler und seine Statthalter scharf anzugreifen und zu verurteilen. Das endete dann mit einem Prozess gegen ihn und machte ein darauf folgendes Untertauchen in der letzten Phase des 2. Weltkriegs notwendig. Sturm war sowohl in Sachen Politik als auch in seiner selbst übernommenen Mission als Erneuerer des Christentums immer Einzelkämpfer. Das war auch in der Jenaer Zeit des diktatorischen Regimes der DDR bis zu seinem Tode 6. 6. 1964 nicht anders. Hatte er doch schon im Ersten Weltkrieg einen Großteil seiner geistigen Mitstreiter und Weggefährten verloren. Zwei Weltkriege, die dazwischen liegende Inflation, zwei Diktaturen haben auch nach 1949 in Jena an der Universität öffentliches Wirken oder Veröffentlichungen unmöglich gemacht. Posthum erschien 1991 die Aphorismensammlung „Bilder-Klavier“.

Sein umfangreicher Nachlass umfasst neben dem religionsphilosophischen Werk, das aus mehr als 70 Schriften besteht, ein schriftstellerisches Werk mit einer Fülle von Gedichten, Aphorismen, 2 Theaterstücke und auch ein kompositorisches Werk mit Liedern, Chorälen, Tempelhymnen, Musik für Blasorchester, Kammermusik usw.

Werkverzeichnis

  • Sonne und Schatten, Verlag F. Jung, Erlangen, 1910
  • Richtlinien für eine neue Reformation, Verlag J. Keipert, Weimar 1923
  • Gesammelte Blätter, Verlag J. Keipert, Weimar 1923
  • Die Optische Verstandestäuschung der Antinomien oder die Widerlegung der so genanten Antonimien, Phil. Diss. Erlangen, 1930
  • Bilderklavier, Selbstverlag, 1991
  • Thesen einer neuen Reformation, Tabularasa München (erscheint 31.10.2013)