Liturgisches Orgelspiel

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Das liturgische Orgelspiel umfasst alle Orgelmusik, die im direkten Zusammenhang mit dem liturgischen Geschehen im Gottesdienst und dem Gemeindegesang steht. In der Regel wird im liturgischen Orgelspiel über ein geistliches Lied oder einen liturgischen Gesang improvisiert. Der Begriff des liturgischen Orgelspiels wird daher im kirchlichen Kontext häufig als ein Synonym für die Orgelimprovisation im Allgemeinen verwendet. Auch die Begleitung des Gemeindegesangs gehört zum liturgischen Orgelspiel.

Liturgisches Orgelspiel ist eines der Hauptfächer in der Ausbildung der Organisten.

Geschichte

Seit der karolingischen Zeit fand das liturgische Orgelspiel mit dem Bau von Orgeln nach und nach Eingang in die abendländische Kirche. Improvisiertes Orgelspiel diente dem Aus- und Einzug, der Einleitung der Gesänge von Schola oder Gemeinde sowie der Alternatimspraxis. Die Begleitung des Gemeindegesanges wurde erst im Laufe des 18. Jahrhunderts üblich.

Im Zeitalter des Barock war die Improvisation die einzige Disziplin bei Organistenprüfungen (Organistenprobe). Dem Kandidaten wurden Choräle, Fugenthemen und Generalbässe zur Ausführung vorgelegt. Das Spiel nach Noten („Handstücke“) war streng verpönt und führte gegebenenfalls zur Disqualifikation.

Choralspiel

Das Choralspiel ist die Grunddisziplin in allen Ausbildungsgängen. Die Kenntnisse der Harmonielehre und des Kontrapunkts finden hier eine praktische Anwendung. Die Choralsätze werden in der Regel vierstimmig ausgesetzt; zur Auflockerung werden auch drei- und zweistimmige Sätze praktiziert. Bei vierstimmigen Sätzen ist es üblich, die drei oberen Stimmen entweder auf einem Manual und den Bass mit dem Pedal zu spielen, oder aber die Melodie (Cantus firmus) auf einem separaten Manual vorzutragen, die Mittelstimmen werden dabei mit der linken Hand auf einem leiser registrierten Manual gespielt und der Bass mit den Füßen auf dem Pedal ausgeführt (sogenanntes „obligates“ oder „Triomäßiges Orgelspiel“). In den Studiengängen für hauptamtliche Kirchenmusiker werden auch Choralsätze mit der Melodie im Bass, Tenor oder Alt (Melodie im Pedal auf 4'-Basis) gepflegt.

Der Choralsatz in allen seinen Varianten (4 Stimmlagen, 2-5stimmig) ist kompositorische Grundlage für alle größeren Formen.

Intonationen

Die Aufgabe der Intonation ist es, die Gemeinde durch einige kurze Takte auf das Lied vorzubereiten. Die Intonation deutet die Melodie, Tonart und das Tempo an. Als Formen sind einfache akkordische Sätze oder Imitationen üblich.

Choralbearbeitung

Diese ist eine improvisierte oder komponierte Bearbeitung eines Kirchenliedes für Orgel mit der Funktion, den Gemeindegesang auf das Lied vorzubereiten oder kunstvoll zu begleiten. Längere Choraleinleitungen werden auch – im Gegensatz zur kurzen Intonation – Choralvorspiel genannt. Beim Orgelchoral wird dabei die ganze Choralmelodie einmal ohne Unterbrechung durchgeführt, beim Orgelricercar (auch Orgelmotette oder „Pachelbel-Form“) werden die einzelnen Choralzeilen nacheinander imitierend verarbeitet. Die Choralfantasie variiert die einzelnen Choralzeilen abschnittsweise mehrfach in verschiedenen Techniken, während die Choralfuge meist die erste Zeile als Fugenthema verwendet. Die Choralvariation schließlich kombiniert mehrere Techniken zu einer Variationsreihe (Choralpartita). Die Überlieferung beginnt im 15. Jahrhundert in Italien und Deutschland (Paumann-Schule). Ihre Blütezeit erreicht die Choralbearbeitung im 17. Jahrhundert im protestantischen Deutschland durch Samuel Scheidt, Johann Pachelbel, Heinrich Scheidemann, Dietrich Buxtehude, J. S. Bach und andere. Danach liefern erst Johannes Brahms und Max Reger wieder bedeutende Gattungsbeiträge. Die Stilkopie dieser Komponisten und Kompositionen ist ein wesentlicher Bestandteil der Orgelimprovisation.

Transposition und Modulation

Ein wesentlicher Bestandteil der Improvisation ist die spontane Fähigkeit zur Transposition. Bei vielen gemeindepraktischen Begebenheiten – zum Beispiel die Beteiligung eines Chores/Instrumentalkreises im Gottesdienst oder einer tonartwechselnden Abfolge der Liturgie – muss der Organist in der Lage sein, Grundtonarten schnell wechseln zu können. Es ist auch nicht unüblich, die in den Gesangbüchern notierten Tonarten zu ändern, sobald es die Gemeindesituation erfordert.

Freie Formen

Neben den choralgebundenen Formen des liturgischen Orgelspiels werden auch freie Formen gepflegt wie etwa Meditationsmusiken, Improvisationen während der Austeilung der Kommunion oder des Abendmahls (sub communione) sowie improvisierte Orgelvor- und nachspiele.

Internationaler Wettbewerb für Orgelimprovisation

Für Orgelimprovisation gibt es in Schwäbisch Gmünd seit 1989 den Internationalen Wettbewerb für Orgelimprovisation, der alle zwei Jahre im Rahmen des Festivals Europäische Kirchenmusik stattfindet. Er gilt als der einzige ständige Wettbewerb dieser Art in Deutschland.

Siehe auch

Literatur

Anleitung zum Intonieren