Taxispark
Der Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte (auch Taxispark) ist ein 13 Hektar großes Areal[1] im Münchner Stadtteil Gern, das seit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg behinderten Menschen zur Erholung gewidmet war.
Es befindet sich im Eigentum des Freistaats Bayern. Auf einem inzwischen abgetrennten Teil des ursprünglichen Areals befindet sich der 1924 eröffnete Taxisgarten, ein beliebter Münchner Biergarten, durch dessen Pacht die in der Trägerschaft des Vereins Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte München befindlichen Erholungseinrichtungen finanziert wurden. Der verbleibende Teil mit den Erholungseinrichtungen ist seit der Kündigung des Pachtvertrags durch die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen 2007 ungenutzt. Ab Juli 2016 bis zum April 2017 ist der Garten vorübergehend für die Öffentlichkeit zugänglich. Danach erfolgt eine umfassende Umgestaltung, um im Herbst 2017 wieder eröffnen zu können.[2]
Vorgeschichte
Das im Stadtbezirk Neuhausen-Nymphenburg westlich der Landshuter Allee gelegene Areal war ursprünglich Teil eines im Volksmund „Ludwigseinfang“ genannten Waldstücks und gelangte im Jahr 1834 in den Besitz der Zivilliste des bayerischen Königs Ludwig I. Nach Einrichtung eines Fasanengeheges wurden dort bis ins 20. Jahrhundert Jagden abgehalten. Als diese Nutzung aufgrund zunehmender Bautätigkeit in der Umgebung aufgegeben worden war, lag das eingezäunte Gelände zunächst brach. Ab 1908 wurde es zeitweise der Münchner Polizei überlassen, die dort Spürhunde ausbildete[3].
Der Park als Ergebnis der Kriegsversehrten-Selbsthilfe
Im Jahr 1919 wurde der westliche, 2,6 Hektar große Teil des ehemaligen Ludwigseinfangs von der Krongutverwaltung an den Reichsbund der Kriegsbeschädigten und Kriegsteilnehmer, Bezirk Neuhausen, verpachtet, der dort eine Aufenthaltsstätte für die Kriegsbeschädigten einrichten wollte. Mit der Hilfe von Privatleuten und Behörden gelang es, am 9. Mai 1920 ein Gesellschaftshaus zu eröffnen. Der Bezirk Neuhausen des Reichsbundes war angesichts aufgelaufener Schulden in Höhe von 75.000 Mark am Ende jedoch nicht in der Lage, das Projekt weiter zu verfolgen.[4]
Im September 1920 gründeten deshalb 45 schwerbeschädigte Überlebende des Weltkriegs den „Verein Erholungspark für Kriegsbeschädigte München“, dessen in der Satzung festgelegtes Ziel es war „... für sämtliche Kriegsopfer, ohne Ansehen der Person und des Standes eine Erholungsstätte mit Liegehallen, Schwimm – und Sonnenbädern, Spielplätzen etc. zu erbauen“. Zum Abbau der nach wie vor bestehenden Schuldenlast wurde es dem Verein im Herbst 1920 genehmigt, eine Haussammlung zu veranstalten. Dieses Vorhaben wurde von einem Komitee unterstützt, das mit führenden Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Industrie besetzt war. Zu dessen Mitgliedern zählten u.a. der damals an der Universität München tätige Professor Ferdinand Sauerbruch, der Arzt und Stadtrat Mieczysław Epstein (1868–1931; Ehemann von Elisabeth Iwanowna Epstein,[5]) der Stadtrat und Vorsitzende des Grund- und Hausbesitzervereins Josef Humar sowie Münchens Erster Bürgermeister Eduard Schmid. Von den Einnahmen in Höhe von 283.000 Mark verblieben nach Abzug aller Unkosten und Begleichung der Schulden 153.000 Mark. Der Sammlungsertrag blieb daher hinter den veranschlagten Bau- und Errichtungskosten von 260.000 Mark zunächst zurück.[6]
Dank weiterer Spenden gelang es dem Verein schließlich, die Bauarbeiten zu vollenden, sodass der Erholungspark am 12. Juni 1921 eröffnet werden konnte.[6] Das Gelände umfasste ein Gesellschaftshaus mit Wirtsgarten sowie den eigentlichen Erholungspark mit einer großen Liegehalle und einem Schwimmbecken. Eine Gliederung des Vereins in eine Wirtschafts- und eine Erholungsabteilung ermöglichte es, wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen, ohne die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Am 21. September 1924 wurde das bis heute bestehende Gaststättengebäude mit Saal und Nebenzimmer eröffnet,[6] bei dessen Eröffnungsfeier der selbst schwerkriegsbeschädigte Jesuitenpater Rupert Mayer die Hoffnung aussprach, das Haus möge ein Haus des Friedens sein und bleiben. Auch die von Eugen Roth eigens verfassten Zeilen, die über dem Eingang des Gebäudes zu lesen sind, unterstreichen die ursprüngliche Widmung des Parks für die Versehrten des kurz zuvor beendeten Krieges.[7]
Zeit des Nationalsozialismus
Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der mittlerweile auf mehr als 1000 Mitglieder angewachsene Verein „gleichgeschaltet“ und der neue Vorstand mit Mitgliedern der NSDAP besetzt. Der Park selbst wurde umbenannt in „Park der Nationalen Front“.[7]
Nachkriegszeit und Gegenwart
Durch die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg hatte der Erholungspark schweren Schaden genommen. Am 21. Dezember 1946 wurde im Saal der Gaststätte zunächst ein Lichtspielhaus eröffnet, das bis 1971 weiterbetrieben wurde. Anfang der 1950er Jahre wurde mit dem Wiederaufbau der zerstörten Gebäude begonnen, dem in der Folge kontinuierlich weitere Verbesserungen, insbesondere des weiterhin betriebenen Schwimmbades, folgten.[8]
Hatten ursprünglich nur männliche Behinderte und ihre Gäste Zutritt zum Erholungspark, so öffnete der Verein den Park ab 1979 auch für Frauen.[8] Minderjährigen Besuchern blieb der Zutritt jedoch verwehrt.
Die zum Betrieb und Erhalt des Parks erforderlichen Mittel erzielte der Verein durch die Bewirtschaftung bzw. Verpachtung des zum Gelände gehörenden Biergartens. Der sogenannte „Taxisgarten“ wuchs im Laufe der Zeit zu einem der größten Biergärten des Stadtbezirks heran und zieht nach wie vor Besucher aus dem gesamten Stadtgebiet und dem Umland Münchens an.
Da eine Öffnung des Parks auch für jugendliche körperbehinderte Besucher vom „Verein Erholungspark für Kriegsbeschädigte München“ zunächst abgelehnt wurde, kündigte die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung den mit dem Verein bestehenden Pachtvertrag zum 30. November 2007.[9]
Danach wurden das Schwimmbad und die dazugehörenden Anlagen nicht mehr genutzt. Der Biergarten dagegen blieb erhalten. Die durch dessen Verpachtung erzielten Erträge werden vom Freistaat Bayern seither jedoch einbehalten.[10] Die für den Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte charakteristische Kombination aus Angeboten für körperbehinderte Menschen und Biergartenbetrieb zur Erwirtschaftung der für den Betrieb des Geländes nötigen finanziellen Mittel ist dadurch nicht mehr gegeben.
Nachdem der Freistaat Bayern in einem ersten Verfahren einer Räumungsklage gegen den Verein gewonnen hatte, wurden diesem in einem zweiten Verfahren 2010 für die Häuser, Umkleiden, das Schwimmbecken und das Gaststättengebäude des Biergartens eine Ablöse in Höhe von 950.000 Euro zugesprochen, nachdem er ursprünglich vier Millionen Euro gefordert hatte.[11]
Der zuvor für Erholungszwecke genutzte Teil des Parks wurde von der Schlösser- und Seenverwaltung erneut ausgeschrieben. Für dieses Areal (gemeinhin „Taxispark“ genannt), dem die Erträge aus dem Biergartenbetrieb nicht mehr zugutekommen sollen, wurde nach einem neuen Träger zur Nutzung im Sinn der Behindertenvorsorge gesucht.[9] Diese Bemühungen blieben jedoch erfolglos.
Am 6. Oktober 2014 wurde zwischen der Landeshauptstadt München und dem Freistaat Bayern ein Nutzungsüberlassungsvertrag geschlossen. Ziel ist laut Stadtratsbeschluss die uneingeschränkte Öffnung des Parks als unentgeltlich nutzbare Erholungsfläche. Das seither entwickelte vorläufige Planungskonzept soll die Nutzung der Grünanlage durch Menschen unterschiedlicher Befähigungen ermöglichen. Die Öffnung des Parks ist für das Jahr 2017 vorgesehen.[12]
Literatur
- Franz Schröther: Der Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte. In: Neuhauser Werkstatt-Nachrichten. Heft 17, Winter 2006.
- Günther Baumann: Der „Erholungspark für Kriegsbeschädigte“ und sogenannte „Taxisgarten“ in „Nymphenburg – 100 Jahre Münchner Ausflugsort und Vergnügungsviertel“. Verlag Geschichtswerkstatt Neuhausen, München 1998.
Weblinks
- „Freistaat kündigt Pachtvertrag für Erholungspark“ − Süddeutsche Zeitung vom 30. November 2006.
- „Ungewisse Zukunft“ − wochenanzeiger-muenchen.de zum Ergebnis einer Einwohnerversammlung im Bezirk Neuhausen-Nymphenburg am 3. Dezember 2012.
Einzelnachweise
- ↑ muenchen.de: So soll der Taxispark künftig aussehen. Abgerufen am 10. März 2017.
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Taxisgarten öffnet - aber nur kurze Zeit vom 26. Juli 2016
- ↑ Schröther: Der Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte. 2006, S. 29
- ↑ Schröther: Der Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte. 2006, S. 29 f.
- ↑ Birgit Poppe: Die Frauen des Blauen Reiters. Dumont Buchverlag, S. 105
- ↑ a b c Schröther: Der Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte. 2006, S. 31.
- ↑ a b Baumann: Der „Erholungspark für Kriegsbeschädigte“ und sogenannte „Taxisgarten“. In: Nymphenburg – 100 Jahre Münchner Ausflugsort und Vergnügungsviertel. 1988, S. 159 f.
- ↑ a b Schröther: Der Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte. 2006, S. 32.
- ↑ a b Freistaat kündigt Pachtvertrag für Erholungspark. Artikel von Claudia Schuh in der Süddeutschen Zeitung vom 30. November 2006.
- ↑ Ungewisse Zukunft – Anwohner lehnen Pläne für das Erholungsgelände in der Taxisstraße ab – Münchner Wochenanzeiger vom 12. Dezember 2012
- ↑ München: Freistaat einigt sich mit Erholungspark-Verein ( vom 13. September 2014 im Internet Archive) − Newsticker der Süddeutschen Zeitung vom 22. April 2010.
- ↑ Anfrage Nr. 14-20 / F 00238 von Frau StRin Kristina Frank, Herrn StR Dr. Reinhold Babor vom 26. Februar 2015
Koordinaten: 48° 9′ 47,3″ N, 11° 32′ 0,3″ O