Andreas Singler
Andreas Singler (* 1961 in Lahr/Schwarzwald) ist ein Sportwissenschaftler und Journalist aus Mainz.
Werdegang
Andreas Singler betrieb als aktiver Sportler Fußball, Handball und Leichtathletik. Sein Studium der Sportwissenschaften an der Universität Mainz schloss er mit dem Diplom ab.[1] 2011 wurde Singler mit einer Dissertation zum Thema Doping und Enhancement am Institut für Bewegungsbildung & Bewegungsforschung der Universität Würzburg promoviert.[2] Zudem absolvierte er ein Japanologie-Studium an der Universität Frankfurt. Sein japanologischer Schwerpunkt stellt die Anti-Atomkraft-Bewegung in Japan dar.
Seit Ende der 1980er-Jahre beschäftigt sich Singler wissenschaftlich und journalistisch mit dem Thema Doping.[3] Er war u.a. als freier Mitarbeiter am Zentrum für Dopingprävention der Pädagogischen Hochschule Heidelberg tätig.[4] Bereits 2000 wiesen Singler und Treutlein in einer Studie nach, dass die Rekordentwicklung in den Kraftsportarten zwischen 1960 und 1990 wesentlich durch die Einnahme anaboler Steroide beeinflusst und dass die internationale Leistungsentwicklung in vielen Bereichen bereits 1976 deshalb weitgehend abgeschlossen war.[5]
Arbeiten als Mitglied der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin
Von 2012 an war Singler eines von bis zu acht Mitgliedern der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin und verfasste federführend mehrere wissenschaftliche Gutachten zur Geschichte und Soziologie des sportmedizinischen Dopings an Universität und Universitätsklinikum Freiburg u.a. im Zusammenhang mit der Dopingaffäre Team Telekom.[6] 2015 trat Singler aus der Evaluierungskommission zurück,[7] Hintergrund waren interne Konflikte mit der Kommissionsleiterin Letizia Paoli, die zu einer eigenmächtigen Veröffentlichung zu „Systematischen Manipulationen im Radsport und Fußball“ geführt hatten.[8] Singler kam bei seinen Untersuchungen zum Doping im Profiradsport zu dem Schluss, Doping habe offenbar zum „Gründungsauftrag“ des Teams Telekom gehört.[9]
Die Untersuchungsergebnisse von Singler beschränkten sich aber nicht nur auf das Team Telekom: Joseph Keul, seit 1960 betreuender Arzt der westdeutschen Olympiamannschaften, sei „einer der am meisten dopingbelasteten Sportmediziner in Westdeutschland“ gewesen.[10] Keul sei insbesondere für „Imagemanagement“ durch „Marginalisierung der Dopingproblematik“ und „Vertuschung von vorliegenden Dopingfällen“ verantwortlich.[11] Singler stellte auch dar, wie in den 1980ern beim VfB Stuttgart (bei dem damals z. B. Joachim Löw spielte) und beim SC Freiburg systemische Manipulationen stattfanden.[12] Als Hauptakteur identifizierte Singler Armin Klümper,[13] dem als „Guru der Top-Athleten“ auch die Fußballer Karl-Heinz Rummenigge, Paul Breitner sowie Dieter und Uli Hoeneß gerne unbürokratisch mit größeren Beträgen aushalfen.[14]
In seinem „Telekom-Gutachten“ belastet Singler seinen Auftraggeber wegen zahlreicher Fehler und Ungereimtheiten im Aufklärungsprozess seit 2007 schwer: Der Skandal sei nicht nur über individuelle Devianz einzelner zu erklären oder einer einzelnen Abteilung zuzuschreiben. Er erkläre sich auch als Ergebnis von Organisationskulturen im Klinikum und in der Universität, in der immer wieder die unterschiedlichsten Skandale zu beklagen gewesen seien. Ihnen gemeinsam seien z.B. fehlende Strukturen, innerhalb derer Hinweisgeber hätten tätig werden können, ohne deshalb negative Folgen für ihre eigene Karriere fürchten zu müssen. Universität und Klinikum hätten sich, schreibt Singler unter Verweis auf Ermittlungsakten des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Staatsanwaltschaft, auf eine per se unglaubwürdige Einzeltäterhypothese festgelegt, noch bevor das BKA oder zwei dafür eingerichtete Kommissionen überhaupt mit der Arbeit begonnen hätten. Singler kommt zu dem Schluss, dass eine ehrliche, tiefgehende Aufklärung nicht erwünscht gewesen sei und „auf dem Altar der Exzellenzinitiative der Universität Freiburg“ habe geopfert werden sollen.[15]
2016 warf Singler dem Rektor der Universität Freiburg, Hans-Jochen Schiewer, vor, die eingereichten Gutachten durch einen früheren Anwalt von Armin Klümper prüfen zu lassen.[16] Schiewer musste sich daraufhin entschuldigen und den Anwalt abziehen, wodurch sich der Prüfprozess der Gutachten immer weiter verzögerte. 2017 kam es nach gescheiterten Verhandlungen um ausstehende Honorarzahlungen zum Bruch zwischen Singler und der Universität Freiburg. Gegen die Veröffentlichung des Gutachtens zu Joseph Keul durch die Universität Freiburg stellte Singler bei der Staatsanwaltschaft Freiburg Strafanzeige gegen den Rektor der Universität.[13] Die Universität hatte sich das Gutachten „hintenherum“ gegen den Willen des Autors über Journalisten besorgt und aus Sicht des Autors rechtswidrig veröffentlicht.[17] Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Rektor eröffnet.[18] Die fertigen Gutachten veröffentlicht Singler (s.u.) inzwischen auf seiner Website.
Werke
Monographien
- Doping und Enhancement. Interdisziplinäre Studien zur Pathologie gesellschaftlicher Leistungsorientierung. In: Würzburger Beiträge zur Sportwissenschaft, Band 6. Dissertation Cuvillier Verlag Göttingen 2012. ISBN 978-3-86955-672-7
- Dopingprävention: Anspruch und Wirklichkeit Shaker Verlag Aachen 2011 ISBN 978-3-8440-0591-2
- mit Gerhard Treutlein: Doping - von der Analyse zur Prävention Meyer & Meyer 2. Auflage 2010 ISBN 978-3-89124-665-8 (eingeschränkte Vorschau)
- mit Fritz Dannenmann und Ralf Meutgens: Sportpädagogik als humanistische Herausforderung. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Gerhard Treutlein. Aachen: Shaker Verlag 2011. ISBN 9783832297985
- mit Gerhard Treutlein, Nicole Arndt: Sport ohne Doping! Argumente und Entscheidungshilfen für junge Sportlerinnen und Sportler sowie Verantwortliche in deren Umfeld Deutsche Sportjugend im DOSB (Hrsg.) 5. Auflage 2008 ISBN 9783891524855
- mit Gerhard Treutlein: Doping im Spitzensport Meyer & Meyer 4. Auflage 2007 ISBN 978-3-89899-192-6 (eingeschränkte Vorschau)
Aufsätze
- Doping prevention - demands and reality. Why education of athletes is not enough. In: Verner Møller, Ivan Waddington, John Hoberman: Routledge Handbook of Drugs and Sport. Routledge Oxon/New York 2015. S. 239–248. ISBN 9781134464128 (eingeschränkte Vorschau)
- Der Traum vom Ende der Ermüdung: Medizinische Dopingdiskurse im Kontext moderner Risikoentwicklungen. In: Ada Borkenhagen und Elmar Brähler (Hrsg.): Die Selbstverbesserung des Menschen. Wunschmedizin und Enhancement aus medizinpsychologischer Perspektive. Psychosozial-Verlag Gießen 2012. S. 113-133. ISBN 9783837921830 (eingeschränkte Vorschau)
- Zur Pathologie der Leistung: Körperbasierte Aktivitäten, Doping und Medikamentenmissbrauch in Gesellschaft und Sport. In: Toshiyuki Ichiba (Hrsg.): Das 7. Deutsch-Japanische Sportwissenschaftliche Symposium „Japan und Deutschland in der Globalisierung des Sports und der Sportwissenschaft“. Hilltop Press Tokyo, 2012 S. 39-53. ISBN 9784904698037
- Dopingprävention auf Landesebene: Aktivitäten, Einstellungen und Wahrnehmungen bei Sportfunktionären rheinland-pfälzischer Fachverbände. In: Fritz Dannenmann, Ralf Meutgens u. Andreas Singler (Hrsg.): Sportpädagogik als humanistische Herausforderung. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Gerhard Treutlein. Shaker Verlag Aachen 2011 S. 257–267. ISBN 9783832297985
- Der Tod ist irreversibel. Vor 20 Jahren starb die deutsche Siebenkämpferin Birgit Dressel – hat der Spitzensport daraus gelernt? In: Neue Zürcher Zeitung 7. April 2007
- mit Gerhard Treutlein: Profiradsport und die Zwangsläufigkeit des Dopings. In: Ralf Meutgens (Hrsg.): Doping im Radsport. Delius Klasing Verlag Bielefeld 2007 S. 84-94.
- Wie denken Verführer? – Warum Dopingprävention ohne Wissen um die Psychologie des Täters nicht auskommt. In: Wolfgang Knörzer, Giselher Spitzer und Gerhard Treutlein (Hrsg.), Dopingprävention in Europa. Meyer & Meyer Aachen 2006, S. 147-152. ISBN 9783898991964
- Der Journalist als Teil des Dopingproblems. In: Wolfgang Knörzer, Giselher Spitzer und Gerhard Treutlein (Hrsg.): Dopingprävention in Europa. Meyer & Meyer Aachen 2006, S. 72-73. ISBN 9783898991964
- Die „praktische Toleranz“ im Spitzensport. 1976 bewiesen bundesdeutsche Ärzte ihre Dopingbereitschaft mit kurzzeitiger Anabolika-Freigabe. Neue Zürcher Zeitung, 12. Oktober 2006
- Olympia: Erwarten wir zu viel von der „Muskelreligion“? Psychologie Heute, 9/2004, 44 – 49.
- mit Gerhard Treutlein: Verantwortung als Prinzip und Problem: Zum Phänomen des Dopings aus ethischer und pädagogischer Sicht In: Thorsten Lorenz, Albrecht Abele (Hrsg): Pädagogik als Verantwortung: Zur Aktualität eines unmodernen Begriffs. Deutscher Studien Verlag Weinheim 1998 ISBN 3-89271-840-7
- mit Gerhard Treutlein: Leistungssport: Möglichkeiten der Kurskorrektur für eine Dopingprävention In: Rüdiger Nickel, Theo Rous: Das Anti-Doping-Handbuch: Grundlagen. Band 1, S. 266ff, Meyer & Meyer 2009 ISBN 9783898994231 (eingeschränkte Vorschau)
Gutachten und Studien
- Wissenschaftliche Gutachten im Auftrag der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
- Armin Klümper und das bundesdeutsche Dopingproblem: Strukturelle Voraussetzungen für illegitime Manipulationen, politische Unterstützung und institutionelles Versagen. Mainz 2015.
- Joseph Keul: Wissenschaftskultur, Doping und Forschung zur pharmakologischen Leistungssteigerung. Mainz 2015
- Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball. Wissenschaftliches Gutachten zu neuen Erkenntnissen zum Doping in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Wirken von Armin Klümper. Mainz 2015 (letzte Ergänzungen April 2017).[1]
- Doping beim Team Telekom/T-Mobile: Wissenschaftliches Gutachten zu systematischen Manipulationen im Profiradsport mit Unterstützung Freiburger Sportmediziner Mainz 2015.[19]
- Herbert Reindell als Röntgenologe, Kardiologe und Sportmediziner: Wissenschaftliche Schwerpunkte, Engagement im Sport und Haltungen zum Dopingproblem Mainz 2014.
- Sonstige wissenschaftliche Gutachten
- Dopingprävention auf Landesebene: Aktivitäten, Einstellungen und Wahrnehmungen bei Sportfunktionären rheinland-pfälzischer Fachverbände im Auftrag des Landessportbund Rheinland-Pfalz sowie des Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Mainz 2009.
- Doping und Medikamentenmissbrauch in Sport und Beruf. Soziologische und psychologische Aspekte des Dopings und ihr Projektionspotential für das Enhancementproblem. im Auftrag des Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Mainz 2010.[20]
Literatur-Übersichten
- Publikationen beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft
- Publikationen bei der akademischen Literatursuchmaschine Google Scholar
- Publikationen bei Academia.edu
Einzelnachweise
- ↑ Andreas Singler, Gerhard Treutlein: Doping - von der Analyse zur Prävention. Meyer & Meyer, 2010, ISBN 978-3-89124-665-8, S. 303 (eingeschränkte Vorschau).
- ↑ Promotion Andreas Singler am InBuB des Lehrstuhl Sportwissenschaft der Universität Würzburg
- ↑ Andreas Singler: Don Marek des Doping In: die tageszeitung 26. März 1991
Andreas Singler: Opfer oder Täter? In: die tageszeitung 6. Juni 1991
Andreas Singler: „Wir haben gedopt“ In: die tageszeitung 23. Oktober 1991 - ↑ Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin: Flyer zum Symposium Sportmedizin und Doping in Europa September 2011
- ↑ Maik Großekathöfer, Udo Ludwig und Michael Wulzinger: Experimentieren bis zum Kollaps In: Der Spiegel 11. September 2000
- ↑ Andreas Singler Website. Abgerufen am 19. April 2017 (deutsch).
- ↑ Singler tritt aus Dopingkommission zurück In: Der Spiegel 24. April 2015
- ↑ Breitner zu Doping im Fußball: „Verlogene Mentalität“ In: Frankfurter Rundschau 5. März 2015
- ↑ Suse Kessel: „Systematisches Doping“ bei der Telekom In: SWR 1. September 2016
- ↑ Jörg Winterfeldt: Doping im Spitzensport – Sabotage in der Aufarbeitung In: Berliner Zeitung 26. März 2017
- ↑ Jessica Sturmberg: Ein Skandal von historisch fast einmaligem Ausmaß In: Deutschlandfunk 19. März 2017
- ↑ Daniel Drepper, Jonathan Sachse: Deutscher Meister auch im Doping? In: Die Zeit 25. Oktober 2016
- ↑ a b Die Bad Bank des deutschen Dopings In: Der Sonntag, Seite 8, 2. April 2017
- ↑ Sportarzt Armin Klümper - der Guru der Top-Athleten In: Der Spiegel 7. September 1987
- ↑ Andreas Singler: Doping beim Team-Telekom/T-Mobile. Wissenschaftliches Gutachten zu systematischen Manipulationen im Profiradsport mit Unterstützung Freiburger Sportmediziner. Mainz 2015.
- ↑ Website Andreas Singler. Abgerufen am 25. April 2017.
- ↑ Jessica Sturmberg: Streit über Veröffentlichung eines Gutachtens. Deutschlandfunk, abgerufen am 25. April 2017.
- ↑ Website Andreas Singler. Abgerufen am 25. April 2017.
- ↑ Jens Weinreich: Doping in Freiburg: das Telekom-Gutachten von Andreas Singler 31. August 2016
- ↑ Arnold Sauter, Katrin Gerlinger: Der pharmakologisch verbesserte Mensch. Nomos Verlag, 2012, ISBN 978-3-8360-8134-4, S. 38 ff.
Personendaten | |
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NAME | Singler, Andreas |
KURZBESCHREIBUNG | Sportwissenschaftler und Journalist |
GEBURTSDATUM | 1961 |
GEBURTSORT | Lahr/Schwarzwald |