Wenigborster

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Wenigborster

Borsten eines Regenwurms im Mikroskop

Systematik
ohne Rang: Bilateria
ohne Rang: Urmünder (Protostomia)
Überstamm: Lophotrochozoen (Lophotrochozoa)
Stamm: Ringelwürmer (Annelida)
Klasse: Gürtelwürmer (Clitellata)
Ordnung: Wenigborster
Wissenschaftlicher Name
Oligochaeta
Grube, 1850

Die Wenigborster oder Oligochaeta (von altgriechisch ὀλίγος olígos ‚wenig‘ und χαίτη chaítē ‚Haar‘)[1] sind eine der beiden Ordnungen der Gürtelwürmer (Clitellata), die ihrerseits zu den Ringelwürmern (Annelida) gehören. Sie umfassen etwa 3500 Arten, von denen etwa 600 im Meer leben, die übrigen im Süßwasser oder auf dem Land.[2]

Körperbau

Wenigborster bestehen aus 6 bis 600 homonomen Segmenten. Des Weiteren befinden sich Borsten ohne Parapodien (seitliche beinähnliche Auswüchse) direkt an der Körperwand. Ringelwürmer haben einen sehr muskulösen Hautmuskelschlauch, den sie mit Hilfe seitlicher Borsten zur Fortbewegung in der Erde benötigen.

Fortpflanzung

Die Wenigborster sind Zwitter und weisen die für Gürtelwürmer (Clitellata) charakteristische Fortpflanzungsweise auf: Sie bilden eine Art dicken Gürtel (Clitellum), das sich durch Absonderung bildet und worin sich die befruchteten Eier entwickeln. Praktisch legen sich hierzu während der Kopulation zwei Individuen so nebeneinander, dass das Clitellum des einen Tieres gegenüber der Samentasche (Spermathek) des anderen Tieres zu liegen kommt. Dann werden die beiden Samentaschen wechselseitig mit dem Sperma des jeweils anderen Tieres gefüllt. Die Tiere ziehen sich unter dem erhärtenden Sekretmantel des Clitellums mit dem Vorderende heraus und geben dabei ihre Eier hinein. In dem sich daraus bildenden Kokon findet die (äußere) Befruchtung zwischen den Eiern und Samenzellen statt.

Allerdings gibt es in verschiedenen Familien auch ungeschlechtliche (vegetative) Fortpflanzung durch Teilung. Teilweise geschieht dies in der Form, dass sich zunächst kleine Tierketten bilden, aus denen sich die neuen Einzeltiere allmählich abschnüren und lösen (Familie Tubificidae, Unterfamilie Naidinae), teilweise durch Abschnürung ohne Tierkettenbildung (Familie Lumbriculidae).

Vorkommen und ökologische Bedeutung

Die ursprünglichen Verbreitungsgebiete insbesondere der bodenbewohnenden Arten sind durch Verschleppung teilweise stark ausgeweitet. So leben heute die von der Nordhalbkugel stammenden Regenwürmer (Lumbricidae) auch weitgehend auf der Südhalbkugel. Dort verdrängen sie teilweise einheimische Würmer, lokal z. B. die Megascolecidae („Riesenregenwürmer“).

Ökologisch fungieren sowohl im Süßwasser als auch auf dem Land viele Arten als wichtige Destruenten, die sich am Abbau der organischen Substanz beteiligen und am Umbau in neue Substanzen (Ton-Humus-Komplexe) beteiligt sind. Die im Boden lebenden Arten durchmischen und durchlüften diesen und optimieren auch die Nährstoffversorgung (vgl. Bioturbation).

Des Weiteren werden manche Arten als Bioindikatoren zur Gewässergütebeurteilung herangezogen.

Systematik

Das Taxon wurde 1850 von Adolf Eduard Grube eingeführt.[3] Die Wenigborster bilden allerdings keine natürliche (monophyletische) Einheit, da kein einziges gemeinsames abgeleitetes Merkmal bekannt ist, das sie von ihrer Schwestergruppe, den Hirudinea, abgrenzt. Sie gelten daher als paraphyletische Einheit.

Regenwurm

Die bekanntesten Familien sind die folgenden:

  • Aeolosomatidae – kleine (ca. 1–10 mm große) Formen mit Öltröpfchen im Körper; im Boden oder Süßwasser lebend.
  • Enchytraeidae – ca. 650 Arten, weißlich; im Boden oft massenhaft; teilweise auch im Süßwasser lebend (z. B. Gattung Pachydrilus).
  • Haplotaxidae – ca. 30 Arten, im Süßwasser lebend (häufig im Grundwasser).
  • Lumbricidae (Regenwürmer) – ca. 320 Arten, meist im Boden, teilweise auch im Süßwasser lebend. Näheres vgl. unter Regenwürmer.
  • Lumbriculidae – im Süßwasser der Nordhalbkugel lebend. Diese Familie gilt aufgrund morphologischer und molekulargenetischer Eigenschaften als nächstverwandte Gruppe (Schwestertaxon) der Egel. Eine bekannte, bis 10 cm lange Art ist Lumbriculus variegatus, eine auch in der Ökotoxikologie als Testorganismus verwendete Art, die vor allem in stehenden Gewässern am Grund oder zwischen Wasserpflanzen vorkommt und an einen Regenwurm erinnert. Diese Art kann sich durch Querteilung (ohne Kettenbildung) ungeschlechtlich fortpflanzen.
  • Megascolecidae – im Boden oder auch auf Bäumen der Südhalbkugel lebend; hierzu zählen die australischen „Riesenregenwürmer“ mit maximal 2–3 m Länge bei einer Dicke von bis zu 3 cm, z. B. die Art Megascolides australis.
  • Tubificidae – ca. 800 Arten, im Meer und im Süßwasser. Bekannteste Vertreter sind die als Fischfutter verwendeten Tubifex-Arten (Schlammröhrenwurm). Zu den Tubificidae gehört auch die Unterfamilie Naidinae, die früher meist als eigene Familie "Naididae" betrachtet wurden. Es sind dies überwiegend durchsichtige kleinere Würmer mit einer auffallenden vegetativen Vermehrungsweise in Form von Tierketten. – Näheres zu dieser Familie vgl. unter Tubificidae und unter Naidinae.

Fossile Belege

Fossile Wenigborster sind sehr selten. Neben einigen unsicheren Belegen aus dem Malm von Uljanowsk (Russland) und aus paläozänen Ablagerungen in den USA sind einige aus dem eozänen Baltischen Bernstein stammende Exemplare als der Familie Enchytraeidae zugehörig identifiziert worden.[4][5][6]

Commons: Oligochaeta – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. G. Freytag Verlag/Hölder-Pichler-Tempsky, München/Wien 1965.
  2. W. Westheide (2007): Clitellata, Gürtelwürmer. In: W. Westheide & R. Rieger: Spezielle Zoologie, Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere, 2. Aufl., Elsevier-Spektrum München.
  3. A. E. Grube: Die Familien der Anneliden. In: Archiv für Naturgeschichte, 16. Jahrgang, 1. Band, S. 249–364, 1850. (Digitalisat)
  4. George O. Poinar, Jr.: Life in Amber. 350 S., 147 Fig., 10 Tafeln, Stanford University Press, Stanford (Cal.) 1992, ISBN 0-8047-2001-0.
  5. Wilfried Wichard, Wolfgang Weitschat: Atlas der Pflanzen und Tiere im Baltischen Bernstein. Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München 1998, ISBN 3-931516-45-8.
  6. A.H. Müller: Lehrbuch der Paläozoologie, Band II, Teil 1, Jena 1980.