Wolga-Ural-Tataren

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Wolga-Ural-Tataren ist ein Sammelname, mit dem tatarische Volksgruppen der Wolga- und der Uralregion bezeichnet werden. In Europa ist vor allem der Name Wolga-Tataren verbreitet.

Im engeren Sinn fallen unter diese Bezeichnung vor allem die tatarisch-stämmigen Bewohner der russischen autonomen Republiken Baschkortostan und Tatarstan. Vor allem die letzteren werden unter dem Begriff „Wolga-Tataren“ subsumiert, so dass damit Kasan-Tataren bzw. Qazanlıq gemeint sind. In Tatarstan bilden sie die Titularnation.

Die Wolga-Ural-Tataren sehen sich heute selbst als direkte Erben sowohl der einstigen Goldenen Horde als auch der Wolgabulgaren. Nicht zu den Wolga-Ural-Tataren gerechnet werden die ebenfalls turksprachigen Tschuwaschen und Baschkiren.

Gliederung

Heute rechnet man folgende tatarische Bevölkerungsgruppen zu den Wolga-Ural-Tataren:

  1. Kasan-Tataren (Qazan Tatarları)
  2. Qasim-Tataren bzw. Kassimower Tataren (Qasıym Tatarları)
  3. Mischär-Tataren bzw. Mischaren (tat. Mişärlär; russ. Мишари), veraltet Meschtscherjäken
  4. Glasover-Tataren bzw. Teptjaren(tat. Tiptärlär; russ. Тептяри)
  5. Nagaibaken (Nağaybäklär)Kassimow

Qasim-Tataren bzw. Kassimower Tataren

Hauptartikel: Kassimow

Die Kasimower Tataren gehen auf das Khanat von Kassimow (tat. Qasıym xanlığı; russ. Каси́мовское ха́нство) im heutigen Oblast Rjasan zurück.

Teptjaren

Bei den Tatarisch sprechenden Teptjaren (Tiptärlär) handelt es sich historisch um einen mit Landbesitz verknüpften Militärsstand in Baschkortostan, ähnlich der Baschkiren und Kosaken. Sie sollen über ein stark ausgeprägtes Standesbewusstsein verfügt haben, ethnisch jedoch, zumindest in der Anfangsphase, sehr heterogen gewesen sein.[1] Ihre Einordnung als ethnische Gruppe ist daher umstritten. So setzte sich etwa das im Jahre 1798 aufgestellte 1. Tepjarische Regiment, welches an den Napoleonischen Krieg teilnahm, aus Udmurten, Baschkiren, Tschuwaschen, Tataren, Mari und Mordwinen zusammen.[2] Zu Ende des 19. Jahrhunderts wurden ca. 126.000 Teptjaren in den Gouvernements Orenburg und Ufa gezählt.[3] Statistisch festgehalten wurde die Zahl der Teptjaren in Baschkortostan als eigene ethnische Gruppe das letzte Mal 1926. Ihre Zahl wurde mit nur noch 23.290 Personen angegeben.[4]

Teilweise wurden und werden die Teptjaren auch den Baschkiren zugerechnet.[5]

Nagaibaken

Hauptartikel: Nagaibaken

Die Nagaibaken sind christliche tatarische Volksgruppe im Oblast Tscheljabinsk um die Ortschaft Ferschampenuas.

Sonderfall Astrachan-Tataren

Die Astrachan-Tataren (AstraxanTatarları) gehören nur noch aus historischer Sicht den Wolga-Ural-Tataren an. Diese gelten heute allgemein als eigenständige tatarische Gruppe der Wolga-Ural-Region, die mehr Gemeinsamkeiten mit den Nogaiern als mit den übrigen Tataren aufweist. Doch verschiedentlich werden die Astrachan-Tataren noch zu den Wolga-Ural-Tataren gerechnet und als deren 6. Untergruppe aufgeführt.

Die Astrachan-Tataren waren zusammen mit den Wolga- und den Krimtataren die Erben der Goldenen Horde, da ihr Khanat eines der vier Nachfolgereiche des ehemaligen mongolischen Teilreiches bildete.

Dialekte

Die tatarische Sprache der Wolga-Ural-Tataren gliedert sich in drei Dialekte. Den Westdialekt, den die Subethnie der Mischär-Tataren spricht, den mittleren Dialekt der Kasan-Tataren und den Dialekt der Qasim-Tataren.[5]

Geografische Verteilung in Russland

Wolga-Ural-Tataren in Tatarstan

Die für die Republik Tatarstan namensgebende Titularnation der Wolga-Ural-Tataren stellt mit 53 Prozent die Mehrheitsbevölkerung. Es lebten bei der letzten Volkszählung 2010 2.012.571 Tataren in Tatarstan.[6]

Wolga-Ural-Tataren in Baschkortostan

In Baschkortostan bilden die Tataren nach den Russen und Baschkiren die drittgrößte Volksgruppe. Im Jahr 2010 zählte die Bevölkerung Baschkiriens 1.009.295 Tataren.[7] Sie bilden damit 25 Prozent der Bevölkerung. Die Mehrheit der Tataren Baschkiriens geht auf die Subethnien der Teptjaren und Mischaren zurück.

Tatarische Minderheiten außerhalb Russlands

Tatarische Volksgruppen, die sich unmittelbar von den Wolga-Ural-Tataren ableiten lassen, leben auch in den ost- und nordeuropäischen Ländern Polen, Ukraine, Weißrussland, Finnland und Schweden. Aber auch in Kasachstan, Usbekistan und unter den Tataren Chinas lassen sich Nachfahren der Wolga-Ural-Tataren nachweisen.

Literatur

  • Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht – Nationalitäten und Religionen der UdSSR, Eichborn, Frankfurt am Main 1990, Seiten 143–155, ISBN 3-8218-1136-6.
  • Harald Haarmann: Kleines Lexikon der Völker: von Aborigines bis Zapoteken, Beck, München 2004, ISBN 3-406-51100-7 (= Becksche Reihe, Band 1593, Seiten 318ff „Tataren“).
  • Detlev Wahl: Lexikon der Völker Europas und des Kaukasus. Meridian, Rostock 1999, ISBN 3-934121-00-4.
  • J. W. Bromlej: народы мира – историко-этнографический справочник (Völker der Welt – historisch-ethnographisches Wörter-/Handbuch), Seiten 433f. Moskau 1988.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Noack, Christian.: Muslimischer Nationalismus im russischen Reich : Nationsbildung und Nationalbewegung bei Tataren und Baschkiren : 1861-1917. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07690-5.
  2. Dimitrieva, Marina., Karl, Lars.: Das Jahr 1813, Ostmitteleuropa und Leipzig : Die Völkerschlacht als (trans)nationaler Erinnerungsort. Köln, ISBN 978-3-412-50467-0.
  3. Sodbrennen – Uralit. In: Herrmann Julius Meyer (Hrsg.): Meyers Konversationslexikon. 4. Auflage. Band 15. Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, S. 592.
  4. Всесоюзная перепись населения 1926 года. Национальный состав населения по регионам РСФСР. In: http://www.demoscope.ru/weekly/ssp/rus_nac_26.php?reg=772. Демоскоп Weekly, abgerufen am 15. Februar 2020 (russisch).
  5. a b R. K. Urazmanova, S. V. Cheshko, (Sergeĭ Viktorovich), Уразманова, Р. К., Чешко, С. В. (Сергей Викторович): Tatary. Moskau, ISBN 5-02-008724-6.
  6. Daten der Russischen Volkszählung 2010. Föderale Staatliche Dienst für Statistik der Russischen Föderation, abgerufen am 14. Februar 2020 (russisch).
  7. Statistiken der Volkszählung 2010. In: https://www.gks.ru/free_doc/new_site/perepis2010/croc/perepis_itogi1612.htm. Rosstat, abgerufen am 14. Februar 2020 (russisch).