Morbus Whipple
Klassifikation nach ICD-10 | |
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K90.8 | Sonstige intestinale Malabsorption – Whipple-Krankheit |
M14.8* | Arthropathien bei sonstigen näher bezeichneten, anderenorts klassifizierten Krankheiten – Arthritis bei Whipple-Krankheit |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Der Morbus Whipple (Whipple-Krankheit, Whipplesche Krankheit, intestinale Lipodystrophie; englisch Whipple’s disease; 1907 erstmals beschrieben von und benannt nach George Hoyt Whipple (1878–1976),[1] Pathologe aus Rochester, New York) ist eine seltene Erkrankung des Dünndarms. Sie wird durch das von Whipple als stäbchenförmige Struktur in Lymphknoten entdeckte, 1961 als Bazillen erkannte und 1991/1992 identifizierte Bakterium Tropheryma whipplei aus der Gruppe der Aktinomyzeten verursacht und ist unter anderem durch chronische Durchfälle mit Fettstühlen charakterisiert. Seit 2003 ist das komplette Genom des Bakteriums sequenziert und analysiert. Bevorzugt sind Männer im Alter zwischen 30 und 60 Jahren betroffen (Androtropie), Kinder und Jugendliche dagegen anscheinend nicht. Auffällig ist auch ein mit der Krankheit vergesellschafteter Immundefekt, wobei nicht geklärt ist, ob dieser Ursache oder Folge der Infektion ist.
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Wahrscheinlich über die orale Aufnahme gelangen die Bakterien (Tropheryma whipplei) in den Magen und oberen Dünndarmabschnitt. Dort werden sie von Makrophagen phagozytiert, bleiben in der Schleimhaut (Mukosa) liegen und verursachen einen Lymphstau. Dadurch wird die Nährstoffaufnahme durch die Darmwand gehemmt und es kommt zum Malabsorptionssyndrom. Verquollene Darmzotten, atrophisches (verdünntes) Epithel und weite Lymphgefäße bestimmen das histologische Bild. In der Mukosa liegen Speicherzellen mit Lipidtropfen und anfärbbaren Bakterien im Zytoplasma. Die Speicherzellen (Makrophagen) erscheinen in der PAS-Färbung leuchtend rot.
Symptome
Intestinale Symptome
- typische Malabsorptionssyndrom-Symptome mit Gewichtsverlust und übelriechenden Stühlen
- abdominelle Schmerzen
- Diarrhö (Durchfall) und Steatorrhö (Fettstühle)
- Gewichtsabnahme infolge der Diarrhöen
- vom Darm aus findet meist parallel eine lymphogene und vaskuläre Ausbreitung statt
Extraintestinale Symptome
- enteropathische Arthritis/Spondylarthropathie/Sakroiliitis (häufigstes Erstsymptom) 65–90 %,[2] Fehldiagnosen wie seronegative Polyarthritis können auftreten[3]
- mikrozytäre hypochrome Anämie (Eisenmangel)
- dadurch die typische bräunlich-fahle Hautfarbe
- Fieber
- Lymphadenopathie, besonders die mesenterialen Lymphknoten schwellen an
- selten Herzbeteiligung mit evtl. Endokarditis, Herzinsuffizienz
- ZNS-Beteiligung (Demenz)
- Augenbeteiligung (z. B. Blicklähmung oder Uveitis)
- Polyserositis
- promovierend in Verbindung mit der bakteriellen Infektion gilt ein HLA-B27-assoziierter Immundefekt als wahrscheinlich.
Diagnostik
Nachdem 1961 die von Whipple erwähnten Strukturen bei der „intestinalen Lipodystrophie“ als Bazillen erkannt wurden, diagnostizierte man die Krankheit bis 1992 ausschließlich durch eine Biopsie (Schleimhautprobe) mit histopathologischer Untersuchung. Seit das Team um D. A. Relman an der kalifornischen Stanford University die Identität des von ihnen nach Whipple benannten Erregers weitgehend entschlüsseln konnte,[4] erfolgt die Diagnose auch durch den Gennachweis von Tropheryma whipplei. Die infizierten Dünndarmzellen mutieren teilweise zu SPC-cells, Sickle Particle Containing Cells. Der Nachweis von Tropheryma whipplei aus Liquor cerebrospinalis (Nervenwasser) kann durch PCR erfolgen. Zudem finden sich beim Morbus Whipple eine Erhöhung der Entzündungswerte (BSG, CRP), Anämie („Blutarmut“) und Leukozytose.
Therapie
Klassische Antibiotika zur Therapie dieser bakteriellen Infektionskrankheit sind bzw. waren Chloramphenicol, Penicillin, Streptomycin und Cotrimoxazol. Zwar kann hierdurch eine wirksame Bekämpfung der extrazerebralen Infektion möglich sein; dennoch kann es noch Jahre später zu einem erneuten, diesmal vom Gehirn ausgehenden Krankheitsausbruch kommen.
Das in der Literatur empfohlene Behandlungsschema wird bezüglich der zu verwendenden Antibiotika[5] und der Medikationsdauer[6] durch Studien in Frage gestellt. Als Therapie der ersten Wahl gilt die Gabe eines liquorgängigen Breitspektrumantibiotikums (z. B. Ceftriaxon) über zwei Wochen (alternativ Meropenem). Daran sollte eine Erhaltungstherapie bzw. Rezidivprophylaxe mit Cotrimoxazol (1. Wahl) oder Tetracyclin (etwa Doxycyclin) über Monate bis hin zu zwei Jahren angeschlossen werden.
Neben dieser Standardtherapie kommt, insbesondere bei Endokarditis, die Kombination von Ceftriaxon und Meropenem, nach europäischen Empfehlungen gefolgt von Cotrimoxazol in Betracht. Bei Befall des Zentralen Nervensystems sollte gemäß AWMF[7] mit Penicillin bzw. Ceftriaxon kombiniert mit Streptomycin, gefolgt von Cotrimoxazol behandelt werden.[8]
Zusätzlich sollte eine angemessene Substitution von Elektrolyten, Vitaminen und Spurenelementen erfolgen. Der Therapieerfolg kann durch Kontrollendoskopien überwacht werden.
Prognose
In den meisten Fällen verläuft der Morbus Whipple ohne Behandlung tödlich.
Literatur
- B Desnues, M Ihrig, D Raoult, JL Mege: Whipple’s disease: a macrophage disease. In: Clin Vaccine Immunol., 2006 Feb, 13(2), S. 170–178. Review, PMID 16467322.
- F Dutly, M Altwegg: Whipple’s disease and “Tropheryma whippelii”. In: Clin Microbiol Rev., 2001 Jul, 14(3), S. 561–583. Review, PMID 11432814.
- F Fenollar, D Raoult: Whipple’s disease. In: Clin Diagn Lab Immunol., 2001 Jan, 8(1), S. 1–8. Review, PMID 11139188.
- D. A. Relmann u. a.: Identification of the uncultured bacillus of Whipple’’s disease. In: New England Journal of Medicine. Band 327, 1992, S. 293–301.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ G. H. Whipple: A hitherto undescribed disease characterized anatomically by deposits of fat and fatty acids in the intestinal and mesenteric lymphatic tissues. In: Bulletin Johns Hopkins Hosp. 18, 1907, S. 382–391.
- ↑ Wilfried Obst, Ulrike von Arnim, Peter Malfertheiner: Whipple’s Disease. In: Viszeralmedizin, 30. Juni 2014, PMC 4513828 (freier Volltext) (englisch)
- ↑ Jean-christophe Lagier, Hubert Lepidi, Didier Raoult, Florence Fenollar: Systemic: Clinical Presentation of 142 Patients With Infections Diagnosed or Confirmed in a Reference Centertropheryma whipplei: Clinical Presentation of 142 Patients With Infections Diagnosed or Confirmed in a Reference Center. In: Medicine. Band 89, Nr. 5, 1. September 2010, ISSN 0025-7974, S. 337–345, doi:10.1097/MD.0b013e3181f204a8 (ovid.com [abgerufen am 6. Januar 2019]).
- ↑ Ch. R.: Identifikation des die Whipple-Krankheit auslösenden Bakterium. In: Zeitschrift für Allgemeinmedizin. Band 68, Nr. 29, Oktober 1992, S. 11.
- ↑ jac.oxfordjournals.org
- ↑ journals.lww.com
- ↑ Atypisch erregerbedingte Meningoenzephalititiden. 2008.
- ↑ Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 259.