Einlauf (Medizin)
Als Einlauf (Klistier, Klysma) wird das Einbringen einer Spülflüssigkeit mittels eines Irrigators (Behälter oder Faltbeutel) bezeichnet, der relativ zum Patienten erhöht aufgehängt wird und daher über einen entsprechend langen Schlauch verfügt. Durch die erhöhte Position des Irrigators wird ein Gefälle und somit ein hydrostatischer Druck erzeugt, so dass die Flüssigkeit in den Enddarm einfliessen kann.
Historisches
Trichter- oder Einlaufklistiere zählen zu den ältesten Darmeinlauf-Methoden. Im Altertum wurden Einläufe vielfach mittels Flaschenkürbissen oder geschnitzten Holzgefässen durchgeführt. Diese Methode wird bis heute von Naturvölkern angewendet.
- Weitere Informationen über die Geschichte des Klistiers, siehe Klistier
Anwendungsgebiete
Es gibt unterschiedliche Voraussetzungen, warum ein Einlauf verabreicht wird. Die häufigsten Gründe sind eine hartnäckige Verstopfung und diagnostische Maßnahmen im Enddarmbereich sowie vor Darmspiegelungen. Der Einlauf dient dabei als „mechanisches” Abführmittel. Die therapeutischen Gründe kommen vergleichsweise selten vor. Eine Sonderform des Einlaufes, nämlich die Irrigation wird bei Stoma und Stuhlinkontinenz eingesetzt. Diese Technik ist mit der rektalen Darmspülung vergleichbar. Manchmal werden Klistiere oder Einläufe auch aus nichtmedizinischen Gründen für verschiedene sexuelle Praktiken verwendet. Ein Einlauf wird in der Regel aus folgenden Gründen eingesetzt:
Abführende Maßnahme
- akute Verstopfung
- Koprostase
- Stuhlimpaktion
- paralytischem Ileus
- evt. kontrollierte Darmentleerung bei Stuhlinkontinenz
Vorbereitung von diagnostischen Maßnahmen
- Rekto-/Sigmoidoskopie
- Colon-Kontrasteinlauf
- diagnostische Untersuchungen z.B. bei Unterleibsuntersuchungen
- vor Operationen im Bauchraum
- vor Geburten (zur Anregung der Wehen und zur Schmerzlinderung)
Therapeutische Maßnahmen
- Lactulose-Einlauf bei dekompensierter Leberzirrhose
- Resonium-Einlauf bei Hyperkaliämie
- zur Fiebersenkung
- medikamentöses Klistier z.B. bei entzündlicher Colitis ulcerosa
- Zur Anregung der Darmtätigkeit, z.B. bei Darmatonie
- Zur medizinischen Hydration (= "Trinken" durch den Mastdarm)
Sexuelle Gründe
- als sexuelle Praktik (Klinikerotik)
- als Fetisch (Klysmaphilie)
- zur Vorbereitung auf sexuellen Analverkehr
Zu Zeiten Molières und des Sonnenkönigs war die Gabe eines Klistiers eine Selbstverständlichkeit. Als Allheilmittel von Leibärzten verordnet, konnte es häufig angewandt zu einer Stimulation über die Berührung der Rektalzone und so zu einer sexuellen Fixierung kommen. Diese wird Klysmaphilie oder Klistieromanie genannt und ist eine Form des Fetischismus. Heute gilt sie als Paraphilie, früher wurde sie auch als Perversion angesehen.
Es wird vermutet, dass es gerade bei Kindern in der analen Phase (siehe Infantile Sexualität nach Freud) zu einer Verknüpfung von Sexualität, Ausscheidung und Klistiergabe kam und dadurch die Entwicklung einer Klistiersucht begünstigt wurde. Im Zusammenhang mit den bei der Prozedur verwendeten medizinischen Artikeln wie Gummilaken und Gummischürzen sehen manche Forscher auch einen Zusammenhang mit Gummi- oder Latexfetischismus, der häufig mit einer sexuellen Vorliebe für Klinikerotik einhergeht.
In Zeiten der gesellschaftlichen Akzeptanz und Normalität (bis ca. Mitte des 20. Jahrhunderts) wurde der Einlauf nicht nur als medizinisches Mittel, sondern auch als verschärfte Form der Strafe neben der körperlichen Züchtigung in der Erziehung eingesetzt. Manche Psychologen sehen in dieser Strafmethode eine Parallele zu Analverkehr und spekulieren über mögliche Inzest- oder pädophile Phantasien bei denjenigen Eltern oder Erziehern, die diese Methode anwandten.
In dem Maße, in dem das Klistier aber an Bedeutung in der Medizin verlor, ging auch die Klistiersucht zurück. Heutzutage dient der Einlauf auch als Vorbereitung auf anale Sexualpraktiken und als Praktik im BDSM.
Wann darf kein Einlauf gemacht werden?
Neben den Indikationen für einen Einlauf gibt es auch einige Punkte, bei denen kein Einlauf durchgeführt werden darf bzw. nur unter ausdrücklicher Anweisung des Arztes. Wird in so einem Fall ein Einlauf verabreicht, dann ist hier besondere Sorgfalt walten zu lassen. Der Patient muss genauestens beobachtet und bei jeder kleinsten Veränderung (z. B. Schmerzäußerung) sofort der Einlauf unterbrochen und dem Arzt mitgeteilt werden. Vorsicht ist auch geboten, wenn Hämorrhoiden 3. Grades leicht zu Blutungen neigen, während einer Schwangerschaft, bei entzündlichen Darmerkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) und bei angeborenen Fehlbildungen im Dickdarm und Enddarmbereich wie z. B. bei Megacolon oder bei einer Analatresie.
- mechanischer Darmverschluss
- akute Baucherkrankungen, z. B. Peritonitis
- Blutungen im Magen- Darmtrakt
- akute Unterbaucherkrankungen
- Vorsicht bei angeborenen Fehlbildungen (z. B. Megacolon, Analatresie)
- Vorsicht bei bestehenden Hämorrhoiden (Blutungsgefahr)
- Vorsicht bei bestehender Schwangerschaft
- Vorsicht bei entzündlichen Darmerkrankungen z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
Arten der Einläufe
Abhängig von der Anforderung an die Darmentleerung kommen unterschiedliche Arten von Einläufen zum Einsatz. Die häufigste Form ist dabei das Klistier, das bei akuter Verstopfung oder vor diagnostischen Eingriffen im Enddarmbereich eine schnelle Defäkation zur Folge hat. Dagegen wird z. B. eine orthograde Darmspülung nur vor Darmspiegelungen oder Operationen im Bauchraum gemacht. Im einzelnen sind folgende Arten von Einläufen bekannt:
Verwendete Geräte
Je nach Art des Einlaufs kommen unterschiedliche Geräte zum Einsatz. Werden nur geringe Mengen an Flüssigkeit in den Enddarm appliziert, dann kommen Klistiere (150ml - 750ml) zur Anwendung. Sollen dagegen größere Mengen an Spülflüssigkeit verabreicht werden, so wird ein Irrigator genommen. Je nach Anforderung kommen unterschiedliche Darmrohre zum Einsatz. Bei Personen ohne Schließmuskelschwäche (Stuhlinkontinenz) werden normale Darmrohre benützt, die wie Katheter aufgebaut sind, nur mit einem größeren Durchmesser. Bei Patienten mit Schließmuskelschwäche wird das Ballondarmrohr verwendet, um den After von innen her abzudichten, damit die Spülflüssigkeit nicht unkontrolliert wieder abfließen kann. Auch beim Colon-Kontrasteinlauf wird häufig ein Ballondarmrohr verwendet.
Wenn man einen Analduschaufsatz verwendet, stellt man den Wasserfluss so ein, dass er körperwarm ist und mit wenig Druck fließt.
Technik
Der kleine Einlauf wird für Flüssigkeitsmengen von 150-750 ml als Klistier verwendet. Für einen großen Einlauf werden größere Mengen von 1000-2000 ml (bei Kindern entsprechend weniger) verwendet. Als Faustregel kann hier ein Wert von ca. 20 ml/kg Körpergewicht angenommen werden. Bei einem großen Einlauf stoppt der Zufluss automatisch, wenn sich im Darm ein zu hoher Druck aufbauen sollte (d. h. wenn der Innendruck gleich dem Druck der Wassersäule ist).
Die häufig in Sexshops oder im Internet angebotenen „Duschaufsätze”, die in den Darm eingeführt und mit der Wasserleitung verbunden werden, können zu einer schmerzhaften Situation führen, da hier mit vollen Druck der Wasserleitung gearbeitet wird. Wenn der Wasserdruck nicht kontrolliert wird, kann das dazu führen, dass sich der Enddarm schmerzhaft dehnt. Bevor der Darm aber platzen kann, kommt es zu einem reflexartigen, maximalen Eröffnen des Analschließmuskels, so dass der Überdruck verletzungsfrei wieder entweichen kann – aber nur bei warmem Wasser!
Es ist wichtig, dass die einlaufende Flüssigkeit Körpertemperatur (35 bis 38 Grad) hat. Ist sie zu kalt (unter 30 Grad), so reagiert der Körper mit schmerzhaften Unterleibskrämpfen (Hyperperistaltik). Die ideale Lage des Patienten während des Einlaufs ist die linke Seitenlage bei leicht angewinkelten Beinen, denn so kann die Flüssigkeit am besten in den absteigenden Dickdarm einfließen. Es ist beim großen Einlauf darauf zu achten, dass der Schlauch vor Beginn mit Flüssigkeit gefüllt und dadurch luftentleert ist. Dies wird dadurch erreicht, dass der Sperrhahn am unteren Ende des Schlauchs geöffnet wird, so dass etwas Flüssigkeit in ein danebenstehendes Becken läuft. Bei dieser Gelegenheit kann man auch gleich die Wassertemperatur prüfen.
Ein Einlauf kann auch mehrere Male hintereinander gemacht werden, um den gewünschten Effekt zu verstärken.
Zusätze
In der Regel besteht die Flüssigkeit für Einläufe aus Leitungswasser ohne Zusätze. Bei hartnäckiger Verstopfung können Zusätze beigemischt werden.
Pflanzlich
Ein Zusatz zur Einlaufflüssigkeit, der früher häufig besonders bei entzündlichen Darmerkrankungen verwendet wurde, soll aus heutiger Sicht nur mit Vorsicht angewandt werden. Es handelt sich hierbei um die Kamille bzw. eine Kamillenabkochung die als Zusatz verwendet wurde. Bei Menschen mit Beifuß-Pollinose und bei Asthmatikern besteht ein erhöhtes Risiko auf anaphylaktische Reaktionen auf Kamille und das häufiger als bisher angenommen. Die meisten Betroffenen reagieren verzögert mit einer Kontaktdermatitis darauf, einige jedoch sofort mit einem mitunter tödlich verlaufenden anaphylaktischen Schock. Die meisten Allergiker wussten bis zum Auftreten der allergischen Reaktionen nichts davon, sie hatten Kamillentee getrunken oder wegen einer Bronchitis die Kamillendämpfe inhaliert. Natürlich gilt dieser Warnhinweis auch für andere Pflanzenabkochungen, hier sollten Allergiker besonders vorsichtig sein.
Chemisch
Bei hartnäckiger Verstopfung können pro Liter Spülflüssigkeit 20 ml Glyzerin oder 9 g Kochsalz (entspricht physiologischer Kochsalzlösung) beigemischt werden. Diese Zusätze üben einen chemischen Reiz auf die Darmschleimhaut aus. Der Zusatz von Glyzerin (Glycerol) zur Einlaufflüssigkeit kann ohne Bedenken erfolgen. Kurzfristig kann auch – zur schnellen Darmentleerung – ein Klistier mit einem Mischungsverhältnis von zwei Teile Wasser zu einem Teil Glycerol und einer Menge von insgesamt etwa 100 ml verwendet werden. Wer eine stärkere Wirkung wünscht, der kann etwa 10 mg Bisacodyl in Form eines Abführzäpfchens pro 1.000 ml Wasser für den Einlauf darin auflösen. Wird eine Wassertemperatur von 37 Grad genommen, so ergibt sich die beste Wirkung, wenn der Einlauf so lange wie möglich gehalten wird. Unerfahrene Personen sollten von einer Anwendung von Bisacodyl absehen, da es zu starken Bauchkrämpfen durch das Abführmittel kommen kann.
Die Benutzung von Kernseife (oder ähnlichen Zusätzen, z. B. Flüssigseife) als Beigabe zur Spülflüssigkeit, die früher eine übliche Technik war, kann nach heutiger Erkenntnis zu Reizungen der empfindlichen Darmschleimhaut und gesundheitlichen Störungen führen. Wer dennoch nicht darauf verzichten möchte, der sollte nur reine Kernseife verwenden und darauf achten, dass im Wasser keine Klumpenbildung besteht. Es wird nur soviel Kernseife im Wasser gelöst, bis eine milchigtrübe Lösung entstanden ist. Nach dem Einlauf mit Seifenwasser sollte ein weiterer Einlauf mit klarem Wasser folgen, um die letzten Seifenreste aus dem Darm zu entfernen.
Nahrungs- und Genussmittel
Alkoholische Getränke sollten aufgrund der schnellen Absorption des Alkohols im Darm in den Blutkreislauf keinesfalls benutzt werden. Hochprozentige Getränke können – rektal eingenommen – schon in geringen Dosen tödlich sein. Es ist zu bedenken, dass bereits ein Glas Rotwein zu einem Vollrausch und schlimmstenfalls sogar zur Bewusstlosigkeit führen kann, daher gehören hochprozentige Getränke nicht in den Darm!
Ebenfalls nicht ganz ungefährlich ist die Benutzung von kohlensäurehaltigen Flüssigkeiten. Da das CO2 beim Einlaufen der Flüssigkeit ausgast, wird der Darm sehr schnell gedehnt, das äußerst unangenehme Blähungen verursacht und in ungünstigen Fällen zu Verletzungen der Darmwand führen kann.