Daniela Klette

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Daniela Marie Luise Klette (* 5. November 1958[1] in Karlsruhe) gilt als ehemaliges Mitglied der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF).

Politische Aktivität

Daniela Klette ist die Tochter von Adelheid Klette (1931–2016) und wuchs in Karlsruhe auf.[2][3] Sie war seit 1975 in verschiedenen linksextremistischen Gruppen aktiv.[4] 1978 schloss sie sich der Roten Hilfe Wiesbaden an und lernte in der dortigen RAF-Unterstützerszene Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld kennen, die in den 1980er Jahren zu den Führungsfiguren der dritten Generation der RAF wurden.[5] Klette engagierte sich in den späten 1970er Jahren in der Anti-NATO-Bewegung und in Initiativen gegen die Startbahn West in Frankfurt am Main.[6]

Auf einem Brief Birgit Hogefelds, der nach dem GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen sichergestellt wurde, fanden sich neben den Fingerabdrücken Ernst-Volker Staubs auch jene von Klette.[7] Über eine mögliche Zugehörigkeit Klettes zur Kommandoebene der Terrororganisation RAF in den 1980er und 1990er Jahren herrscht aufgrund unzureichender behördlicher Erkenntnisse keine Einigkeit.[7] Sie war nach Ermittlererkenntnissen Staubs Lebensgefährtin.

Verdacht auf Überfälle und Anschläge

Klette wird verdächtigt, seit 1990 an einer Vielzahl von Straftaten beteiligt gewesen zu sein:[8] Am 25. Februar 1990 war ein fehlgeschlagener Sprengstoffanschlag auf das Technische Zentrum Eschborn der Deutschen Bank zu verzeichnen. Bei einem hierbei zur Bombe umfunktionierten VW Golf kam es nicht zur Explosion, weil der Zeitzünder versagte. Haare von Klette wurden in diesem Auto gefunden.[9] Bei dem Schusswaffenanschlag auf die US-amerikanische Botschaft in Bonn am 13. Februar 1991 legten DNS-Spuren eine Beteiligung Klettes nahe.[10] Im Oktober 2007 bestätigte die Bundesanwaltschaft den Verdacht gegen Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, an dem Sprengstoffanschlag gegen die JVA Weiterstadt[11] vom 27. März 1993 beteiligt gewesen zu sein. Von allen dreien wurden DNS-Spuren am Tatort identifiziert.[9][12] Nachdem sich die RAF 1998 aufgelöst hatte, kam es am 30. Juli 1999 zu einem Überfall auf einen Geldtransporter in Duisburg-Rheinhausen, bei dem mehr als eine Million Deutsche Mark erbeutet wurden.[13] Speichel und Abriebspuren in einer Maske und im Fluchtfahrzeug führten zu der Annahme, dass Klette und Ernst-Volker Staub an dem Überfall beteiligt waren,[14] in diesem Zusammenhang fahndete die Polizei auch nach dem ehemaligen RAF-Mitglied Burkhard Garweg.[15]

Nach mehr als sechs Jahren Unterbrechung kam es am 27. Dezember 2006 in Bochum zu einem Überfall auf einen Real-Markt, bei dem mehr als 100.000 Euro erbeutet wurden.[16] Zweieinhalb Jahre später, am 14. April 2009 wurde ein Marktkauf-Einkaufsmarkt in Löhne (Westfalen) überfallen.[17] Nach zweieinhalb Jahren Pause gab es am 24. Dezember 2012 in Stade erneut einen Überfall auf einen Marktkauf-Einkaufsmarkt (mit einer Beute von ca. 135.000 Euro).[18] Am 23. August 2014 wurde wieder ein Marktkauf-Einkaufsmarkt, diesmal in Elmshorn, überfallen (mit einer Beute von ca. 46.000 Euro).[19]

2015 gab es gleich sechs Vorfälle: Am 2. Januar 2015 kam es zu einem Überfall auf eine Kaufland-Filiale in Osnabrück mit einer Beute von ca. 60.000 Euro;[20] nur vier Tage später, am 6. Januar 2015, misslang ein Überfall auf einen Real-Markt in Stuhr (bei Bremen).[16] Am 6. Juni 2015 misslang nochmals ein Überfall, diesmal auf einen Geldtransporter in Groß Mackenstedt im Landkreis Diepholz; in Tatfahrzeugen wurden DNS-Spuren von Klette, Ernst-Volker Staub sowie Burkhard Garweg gefunden.[15][21] Das Amtsgericht Verden (Aller) erließ im Januar 2016 deshalb gegen die drei Personen Haftbefehl wegen des Verdachts des versuchten Mordes und versuchten schweren Raubes. Auch bei einem weiteren gescheiterten Überfall auf einen Geldtransport in Wolfsburg im Dezember 2015 wurden DNS-Spuren der drei Genannten gefunden. Nach Einschätzung der Verdener Staatsanwaltschaft und des Journalisten Butz Peters haben die Taten keinen terroristischen Hintergrund, sondern sollten der Finanzierung des Lebens im Untergrund dienen.[22] Am 19. Oktober 2015 erfolgte erneut ein Überfall, diesmal auf einen Marktkauf-Einkaufsmarkt in Northeim mit einer Beute von ca. 70.000 Euro.[23] Am 28. Dezember 2015 schließlich misslang ein weiterer Überfall, diesmal auf einen Real-Markt in Wolfsburg-Nordsteimke.[20]

Im Mai 2016 kam es zu zwei Überfällen: Am 7. Mai gab es einen misslungenen Überfall auf einen Rewe-Markt in Hildesheim;[20] am 25. Mai kam es zu einem bewaffneten Überfall mit einer Panzerfaust und einem Sturmgewehr auf einen Geldtransport in Cremlingen, bei dem die Täter 400.000 Euro erbeuten konnten.[24][25] Nach Informationen der Bild habe die Beute bei diesem Überfall mehr als eine Million Euro betragen.[26]

Fahndung und Ergreifung

Klette war zuletzt neben Garweg und Staub eine der drei Personen, nach denen im Zusammenhang mit der RAF noch gefahndet wurde. Sie war etwa seit dem Jahreswechsel 1989/1990 in den Untergrund abgetaucht, ihr Aufenthaltsort war nicht bekannt. Für die Fahndung wurden ursprünglich Fotos aus den 1980er Jahren verwendet.[27] 2003 erstellte das Bundeskriminalamt daraus Fahndungsfotos, auf denen es die Gesuchten am Computer künstlich altern ließ.[28] Klette stand auf der Fahndungsliste bekannter Personen des BKA. Neue Fotos für die Fahndung veröffentlichte das Landeskriminalamt Niedersachsen 2016.[29][30][31] Für entscheidende Hinweise, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung Klettes führen, war eine Belohnung von bis zu 150.000 € ausgesetzt.[32][33]

Der entscheidende Hinweis, der zur Ergreifung führte, ging im November 2023 bei der Polizei ein.[34] Anfang Februar 2024 startete die Polizei erneut eine Öffentlichkeitsfahndung.[35] So wurde in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY … ungelöst am 14. Februar 2024 der Fahndungsaufruf gezeigt. Bis zum 23. Februar gingen rund 250 Hinweise bei der Staatsanwaltschaft Verden ein, von denen fünf die höchste Priorität beigemessen wurde. In der Folge wurde die Fahndung auch international ausgeweitet.[36] Am Abend des 26. Februar 2024 wurde Klette widerstandslos von Zielfahndern des Landeskriminalamts Niedersachsen mit Unterstützung durch die Polizei Berlin in einer Mietwohnung in der Sebastianstraße im Stadtteil Kreuzberg festgenommen. Bei der Durchsuchung der Wohnung, in der sie unter dem Decknamen Claudia Ivone gelebt hatte, wurden zwei Pistolenmagazine und Munition für eine Handfeuerwaffe gefunden sowie ein italienisches Passdokument sichergestellt.[37][34][38][39] Bei intensiven Untersuchungen in der Wohnung fand man eine Panzergranate gefunden. [40]

Nach der Festnahme wurde bekannt, wie ausdauernd und wie aufwändig staatliche Stellen Klette gesucht hatten.[41]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Für das Geburtsdatum Klette, Daniela. Fahndungshinweis. In: BKA.de. 16. Mai 2016. Alexander Straßner dagegen nennt offenbar irrtümlich 1959 als Geburtsjahr, ders.: Die dritte Generation der „Roten Armee Fraktion“. Entstehung, Struktur, Funktionslogik und Zerfall einer terroristischen Organisation. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-531-14114-7 (zugleich Dissertation, Universität Passau, 2002), S. 107.
  2. Stadtkirche Karlsruhe: Nachruf auf unsere ehemalige Kirchenälteste. (PDF) Abgerufen am 28. Februar 2024.
  3. BILD auf Spurensuche - Leben die RAF-Terroristen heute als Millionäre? 28. August 2016, abgerufen am 28. Februar 2024.
  4. Geldtransporter-Überfall: Einer der drei RAF-Terroristen kommt aus Bonn. 19. Januar 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. April 2016; abgerufen am 20. November 2020 (deutsch).
  5. Butz Peters: Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF. Argon, Berlin 2004, ISBN 3-87024-673-1, S. 709.
  6. Alexander Straßner: Die dritte Generation der „Roten Armee Fraktion“: Entstehung, Struktur, Funktionslogik und Zerfall einer terroristischen Organisation. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, S. 108.
  7. a b Alexander Straßner: Die dritte Generation der „Roten Armee Fraktion“: Entstehung, Struktur, Funktionslogik und Zerfall einer terroristischen Organisation. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, S. 107 f.
  8. Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und die Fraktion: Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Özcan Mutlu und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. (PDF) In: Deutscher Bundestag. Deutscher Bundestag, 1. Dezember 2016, abgerufen am 27. Februar 2024.
  9. a b Anschlag von Weiterstadt: Fahnder identifizieren zwei RAF-Attentäter. (Memento vom 14. September 2014 im Internet Archive) In: Stern.de.
  10. Georg Mascolo: Verräterisches Frauenhaar. In: Der Spiegel, 3/2002, S. 50.
  11. Philipp Wittrock: Ermittler suchen RAF-Trio. In: Der Spiegel, 24. Oktober 2007.
  12. Täter des letzten RAF-Anschlags identifiziert. In: Spiegel Online. 24. Oktober 2007, abgerufen am 29. November 2014.
  13. Germany’s RAF Prison Bombers Identified 14 Years Later. In: Deutsche Welle, 25. Oktober 2007 (englisch).
  14. Wiedergeburt der Roten Armee Fraktion? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. Mai 2001.
  15. a b Ermittler fahnden nach ehemaligen RAF-Terroristen bei ndr.de vom 24. Januar 2016
  16. a b Ex-RAF-Terroristin Klette in Untersuchungshaft bei tagesschau.de vom 27. Februar 2024
  17. Staatsanwaltschaft Verden und Landeskriminalamt Niedersachsen bitten die Bevölkerung um Mithilfe, Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Verden vom 15. Februar 2024
  18. Stader Marktkauf-Überfall: Es waren die Ex-RAF-Terroristen in Kreiszeitung Wochenblatt vom 10. Juni 2016
  19. RAF-Trio überfiel auch Elmshorner Supermarkt in Lübecker Nachrichten vom 7. Juni 2016
  20. a b c Früheres RAF-Trio: Rund 250 Hinweise nach "Aktenzeichen XY". NDR, 23. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  21. Spuren nach Raubüberfall führen zu RAF-Mitgliedern. In: Zeit Online, 18. Januar 2016.
  22. Überfall auf Geldtransporter in Stuhr – drei ehemalige Mitglieder der RAF verdächtig. Keine Hinweise auf terroristischen Hintergrund. (Memento vom 19. Januar 2016 im Internet Archive) Pressemitteilung. In: Staatsanwaltschaften.Niedersachsen.de, 19. Januar 2016; DNA-Tests bestätigen: Beging RAF weiteren Überfall in Niedersachsen? (Memento vom 19. Januar 2016 im Internet Archive) In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 18. Januar 2016 (aktualisiert am 19. Januar 2016; DPA-Meldung).
  23. Ex-RAF-Terroristen sollen Laden in Northeim überfallen haben in HNA vom 28. Mai 2015
  24. Mutmaßlicher RAF-Überfall - Polizei sucht Auto bei ndr.de vom 26. Juni 2016
  25. LKA bestätigt Festnahme von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette bei ndr.de vom 27. Februar 2024
  26. BILD auf Spurensuche - Leben die RAF-Terroristen heute als Millionäre? 28. August 2016, abgerufen am 28. Februar 2024.
  27. Mehr als 100 Hinweise zur RAF-Fahndung bei „Aktenzeichen XY“ (Memento vom 14. Juni 2016 im Internet Archive), Derwesten.de, 21. Januar 2016.
  28. Fahndung nach KLETTE, Daniela (Memento vom 6. Dezember 2023 im Internet Archive)
  29. Fahndungsseite des LKA Niedersachsen mit Foto von 2016.
  30. Polizei sucht mit neuen Fotos nach RAF-Terroristen, Die Zeit, 18. Mai 2016.
  31. Ex-RAF-Trio: Ermittler erhalten neue Hinweise, NDR, 19. Mai 2016.
  32. Europeans Most Wanted Fugitives auf eumostwanted.eu.
  33. Reinhard Bingener, Hannover: Ermittler bitten um Hinweise zu früheren RAF-Terroristen. In: FAZ.NET. 9. Februar 2024, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 11. Februar 2024]).
  34. a b RAF-Terroristin Daniela Klette in U-Haft: Der entscheidende Hinweis ging schon im November 2023 ein. In: Der Tagesspiegel Online. 27. Februar 2024, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 27. Februar 2024]).
  35. Ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette gefasst – durch Fingerabdrücke identifiziert. In: Der SPIEGEL. 27. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  36. Früheres RAF-Trio: Rund 250 Hinweise nach "Aktenzeichen XY". In: Norddeutscher Rundfunk. 23. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  37. Ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette gefasst. In: Der Spiegel. 27. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  38. Alexander Ringer, Tim Röhn: Ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette in Berlin festgenommen. In: welt.de. 27. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  39. LKA bestätigt Festnahme von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette. In: ndr.de. 27. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  40. https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/sprengstoffalarm-raf-haus-in-kreuzberg-geraeumt-87338032.bild.html
  41. tagesschau.de (28. Februar 2024): Die Suche nach der RAF-Terroristin