Johann David Wagner

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Johann David Wagner auf dem Titelblatt einer Predigt von 1721

Johann David Wagner, genannt Mause-David (* um 1680 in Niederlungwitz; † 21. November 1721 in Leipzig) war ein deutscher Räuber, Dieb und Bandenführer, der bereits zu Lebzeiten eine große Popularität genoss und über dessen Leben bereits kurz nach seinem Tod ausführlich publiziert wurde.

Leben

Johann David Wagner wurde um 1680[1] als Sohn des Müllers Michael Wagner im damaligen Lungwitz im Amt Lichtenstein bei Glauchau geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs er bei seiner Tante mütterlicherseits auf. Nachdem er in Lichtenstein und Wildenfels insgesamt sieben Jahre lang zwei Anstellungen als Schäferknecht hatte, ging er nach Schleiz, um kurzzeitig als Eseltreiber zu arbeiten. In Werdau erlernte er anschließend drei Jahre lang das Müllerhandwerk. Auf seiner anschließenden Wanderschaft ließ er sich in Reimsdorf als Soldat der Sächsischen Armee anwerben. Bei der Belagerung von Stralsund 1711/1712 im Großen Nordischen Krieg desertierte Wagner, er ging zurück in seine Heimatregion Osterland und hielt sich zunächst mit Glücksspiel finanziell über Wasser.

Wagner in der Haft

Als Räuber und Anführer einer Diebesbande trat Wagner nachweislich zunächst erstmals 1719 in der Region Leipzig in Erscheinung. Die kleinere Gruppe um Wagner bestand aus teilweise wechselnden Männern, die er beim Karten- und Würfelspiel kennengelernt hatte. Im April 1719 erfolgten ein Einbruch in Winklers Garten in Leipzig, der Diebstahl eines Pferdes in Großstädteln sowie ein bewaffneter Raubüberfall auf einen Müller in Brandis. Im Mai des Jahres wurden bei einer Routinekontrolle in Zangenberg bei Zeitz drei Männer festgenommen, von denen sich einer als Komplize Wagners herausstellte. Dieser sagte gegen ihn aus, Wagner und weitere Personen wurden zur Fahndung ausgeschrieben. Im Oktober und November 1719 erfolgten weitere Einbrüche, am 29. November konnte der nun schon Mause-David genannte Räuber auf dem Roßmarkt in Leipzig festgenommen werden.

Der Leipziger Stadtrichter ließ im Februar 1720 eine ausführliche Beschreibung Wagners und eine Auflistung der bei ihm gefundenen Gegenstände mit der Bitte zu mehr Informationen zur Person und weiteren Diebstählen veröffentlichen. Zahlreiche Zuschriften und Anzeigen gingen beim Stadtgericht ein, so z. B. zu Einbrüchen und Diebstählen in Kirchen in Mehna und Neuenhofen. Insgesamt konnten Wagner letztendlich 12 Diebstähle und Raubüberfälle zwischen 1713[2] und 1719 nachgewiesen werden, dazu wurde er wegen unerlaubten Waffenbesitzes, Desertation und Ehebruchs angeklagt. Das Stadtgericht ging davon aus, dass Johann David Wagner zusammen mit einem Komplizen im September 1719 in Waltersdorf im Kreisamt Altenburg auch einen Mann ermordet hatte, die Indizien reichten allerdings nicht für eine Anklage aus.[3] Nach vierzehn Monaten Haft kam es im März 1721 zur Gerichtsverhandlung. Nachdem Wagner zunächst alle Beschuldigungen abstritt, gestand er unter Folter die ihm vorgeworfenen Taten. Im April verlas der Leipziger Schöppenstuhl sein Urteil: Der Delinquent wurde zum Tod verurteilt, gerade Kirchenraub wurde zu jener Zeit streng geahndet. Wagner widerrief anschließend sein Geständnis, zudem verweigerte er kurz vor geplanten Hinrichtung im Oktober 1721 dem bestellten Priester seine Beichte. Verunsichert durch die fehlende Absolution wandte sich das Stadtgericht an den sächsischen Kurfürsten August den Starken, der das Urteil aber bestätigte.

Hinrichtungszug zum Rabenstein
Hinrichtung Wagners auf dem Rabenstein

Johann David Wagner wurde am 21. November 1721 am Rabenstein enthauptet und anschließend gerädert. Den Tag der Hinrichtung inszenierte man als großes Schauspiel. Unter Beisein zahlreicher Zuschauer aus Leipzig und Umgebung holte eine große Gruppe von Stadtsoldaten Wagner aus dem Gefängnis am Grimmaischen Tor ab und zog zunächst auf den Markt. Im Alten Rathaus gab es nochmals eine einstudierte formelle Verurteilung Wagners, anschließend zog die lange Prozession u. a. mit Thomanern zum Richtplatz, wo das Urteil dann vollstreckt wurde.

Rezeption

Der Kriminalfall wurde bereits zu Lebzeiten Wagners vor seiner Hinrichtung mit Handzetteln und Porträts medial aufbereitet.[4] Bereits unmittelbar nach seinem Tod erschien im Dezember 1721 als Druck eine Predigt des in Taucha wirkenden Pastors Johann Gottlieb Hoffmann (1674–1750), die anlässlich der Exekution Wagners gehalten wurde und mit einem Bildnis des Räubers auf dem Titelblatt aufwartete.[5] 1722 erschien anonym ein mehr als 200-seitiges Buch mit zwölf Kapiteln und fünf Kupferstichen über Leben und Taten Wagners. Einleitend wurde dabei auch u. a. über kursächsische Rechtsgundlagen und andere Kriminalfälle ähnlicher Art berichtet. Da im Hauptteil zahlreiche Aussagen von Tatbeteiligten und Zeugen zitiert wurden, gilt das Buch als eine der frühen Quellen zur deutschen Gaunersprache.[6]

Der Theologe und Pädagoge Johann Sigmund Stoy (1745–1808) nahm Johann David Wagner 1784 in seinem bedeutenden Jugendbuch Bilder-Akademie für die Jugend als eines von sechs abschreckend wirkend sollenden Beispielen für Berüchtigte Strassenräuber und Betrüger auf, im zugehörigen Bildband mit einem weiteren und von Daniel Chodowiecki gestochenen Porträt Wagners mit einem Messer in der Hand.[7]

In späteren deutschen Pitavalen wurde der Fall Wagner immer wieder sehr ausführlich behandelt.

Literatur (Auswahl)

  • Historische Relation Von dem Leben und Übelthaten Eines verstockten Diebes und Kirchen-Räubers, Johann David Wagners, sonst Mause David genannt, Welcher Am 21. Novembr. 1721. zu Leipzig, seiner Mißhandlungen wegen, mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode gestraffet, und dessen Cörper, nach vollstreckter Execution, auf ein Rad geflochten worden. Alles aus denen hin und wieder ergangenen Judicial-Actis colligiret, mit Fleiß extrahiret, und mit unterschiedenen darzu dienenden Kupffern in öffentlichen Druck heraus gegeben. Leipzig 1722 (online, abgerufen am 4. März 2024).
  • Das Leben und Übelthaten Eines verstockten Diebes und Kirchen-Räubers Johann David Wagners, sonst Mause David genannt. In: Neu-eröffneter Schau-Platz der berüchtigsten Betrieger Spitzbuben, Mörder, Kirchen- und Strassen-Räuber dieses Seculi. Samt deren Execution, und accuraten Portraiten. Von Wiering, Hamburg 1723, S. 412–599 (online, abgerufen am 5. März 2024).
  • Johann Sigmund Stoy: Bilder-Akademie für die Jugend. Abbildung und Beschreibung der vornehmsten Gegenstände der jugendlichen Aufmerksamkeit - aus der biblischen und Profangeschichte, aus dem gemeinen Leben, dem Naturreiche und den Berufsgeschäften, aus der heidnischen Götter- und Alterthums-Lehre, aus den besten Sammlungen guter Fabeln und moralischer Erzählungen - nebst einem Auszug aus Herrn Basedows Elementarwerke. In vier und funfzig Kupfertafeln und zweyen Bänden Erklärung herausgegeben. Band 2. Nürnberg 1784, S. 937–938 (online, abgerufen am 5. März 2024).
  • Georg Christoph Wilder: Johann David Wagner, sonst Mause-David genannt, ein verstockter Dieb und Kirchenräuber, zu Leipzig 1721. enthauptete und aufs Rad geflochten. In: Ders.: Biographien hingerichteter Personen, die sich durch ihre hohe Würde, Gelehrsamkeit, Verbrechen, Unschuld oder Martern auszeichneten, aus den besten Schriften gesammelt. Dritter Theil. Grattenauer, Nürnberg 1792, S. 194–214 (online, abgerufen am 4. März 2024).
  • Friedrich Christian Avé-Lallemant: Das deutsche Gaunerthum in seiner socia-politischen, literarischen und linguistischen Ausbildung zu seinem heutigen Bestande. Erster Theil. Brockhaus, Leipzig 1858, S. 227 (online, abgerufen am 5. März 2024).
  • Gustav Wustmann: Gefängnis und Hinrichtung des Mause-David. In: Ders.: Bilderbuch aus der Geschichte der Stadt Leipzig für alt und jung. Zieger, Leipzig 1897, S. 60–61 (online, abgerufen am 5. März 2024)..
  • Friedrich Kluge: LXXIII. Mause-David 1722. In: Ders.: Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen. Band I.: Rotwelsches Quellenbuch. Trübner, Straßburg 1901 (Nachdruck: De Gruyter, Berlin und Boston 2015, ISBN 978-3-11-158571-0), S. 182.
  • Leben und Übeltaten eines Diebes und Kirchenräubers, genannt Mause-David. In: Heiner Boehncke, Hans Sarkowicz (Hrsg.): Sachsens böse Kerle. Räuber, Schmuggler, Wilderer. Eichborn, Frankfurt am Main 1993, ISBN 978-3-8218-1174-1, S. 55–60.
  • Walter Fellmann: Das Ende des Mause-David. In: Ders.: ... doch das Messer sieht man nicht. Merkwürdige Kriminalfälle & sensationelle Prozesse. Bechtermünz-Verlag, Augsburg 1999, ISBN 978-3-8289-6706-9, S. 54–65.
  • Bernd Stephan: Festnahme auf dem Rossmarkt. Mause-David und die Bande aus dem Osterland. In: Ders.: Geld oder Leben! Räuberbanden zwischen Harz, Oberlausitz und Erzgebirge. Bussert & Stadler, Jena und Quedlinburg 2010, ISBN 978-3-942115-06-3, S. 91–104.

Einzelnachweise

  1. eine Zeugin beschrieb Wagner 1719 als ungefähr 40 Jahre alten Mann, s. Historische Relation 1722, S. 47.
  2. Das Leben und Übelthaten Eines verstockten Diebes und Kirchen-Räubers Johann David Wagners, sonst Mause David genannt 1723, S. 472.
  3. Historische Relation 1722, S. 97–108; Das Leben und Übelthaten Eines verstockten Diebes und Kirchen-Räubers Johann David Wagners, sonst Mause David genannt 1723, S. 493–494.
  4. Daniel Bellingradt: Flugpublizistik und Öffentlichkeit um 1700. Dynamiken, Akteure und Strukturen im urbanen Raum des Alten Reiches (= Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 26), Steiner, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-515-09810-6, S. 286–306; Ders.: Der wiederverwertbare Räuberhauptmann. Oder: Wie kam der Räuber in den Kalender der Frühen Neuzeit?. In: Klaus-Dieter Herbst (Hrsg.): Astronomie, Literatur, Volksaufklärung. Der Schreibkalender der Frühen Neuzeit mit seinen Text- und Bildbeigaben (= Presse und Geschichte 67). Ed. Lumière, Bremen 2012, ISBN 978-3-943245-02-8, S. 413–430, hier S. 417–423 (online, abgerufen am 4. März 2024).
  5. Johann Gottlieb Hoffmann: Die von Mose vollbrachte Execution an einem Israelitischen Armen Sünder, in einer Wochen Predigt, so gehalten an dem Tage einer Merckwürdigen Execution An einem verstockten Dieb und Kirchen-Räuber Der zu Leipzig am 21. Novembr. 1721. geköpffet und auf das Rad geleget worden, in der Kirche zu Taucha, seiner ordentlichen Gemeine zur Erbauung, betrachtet, und allen, sonderlich denen Bösen, zu einer Warnung und Schrecken. Leipzig 1721 (online, abgerufen am 4. März 2024).
  6. Joseph Maria Wagner: Die Litteratur der Gauner- und Geheimsprachen seit 1700. Ein bibliographischer Versuch. Schönfeld, Dresden 1861, S. 7, Nr. 14 (online, abgerufen an 6. März 2024).
  7. Johann Sigmund Stoy: Bilder-Akademie für die Jugend. Abbildung und Beschreibung der vornehmsten Gegenstände der jugendlichen Aufmerksamkeit - aus der biblischen und Profangeschichte, aus dem gemeinen Leben, dem Naturreiche und den Berufsgeschäften, aus der heidnischen Götter- und Alterthums-Lehre, aus den besten Sammlungen guter Fabeln und moralischer Erzählungen - nebst einem Auszug aus Herrn Basedows Elementarwerke. In vier und funfzig Kupfertafeln und zweyen Bänden Erklärung herausgegeben. Band 3. Nürnberg 1784, Tafel XXXXIV (online, abgerufen am 5. März 2024).