Michael Shellenberger

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Michael D. Shellenberger

Michael D. Shellenberger (geboren am 16. Juni 1971 in Colorado) ist ein US-amerikanischer Autor und ehemaliger PR-Fachmann, der eine ökomodernistische Weltanschauung propagiert und für Kernenergie lobbyiert.[1] Er ist Mitbegründer des Breakthrough Institute und der California Peace Coalition[2] und Gründer von Environmental Progress.

Leben

Shellenberger wurde in Colorado in eine mennonitische Familie geboren.[3] Von 1989 bis 1993 studierte er Friedens- und Konfliktforschung am Earlham College. 1996 machte er seinen Master in Anthropologie an der University of California, Santa Cruz.[4]

Nach seinem Abschluss zog Shellenberger nach San Francisco, wo er eine Reihe PR-Firmen für progressiv ausgerichtete Kunden (Umweltaktivisten, Gay Right Ativisten etc.) gründete. Communication Works war ein aus vier Personen bestehender Ableger der Organisation Global Exchange, die Shellenberger als Codirektor leitete. Der größte Erfolg war eine PR Kampagne gegen Nike wegen ausbeuterischer Arbeitsbedingung in Asien,[5] sowie eine Kampagne gegen die Dr. Laura’s Radio Show nachdem dort negativ über Homosexuelle berichtet worden war. 2001 wurde Communication Works mit Fenton Communications zusammengelegt, Shellenberger wurde dort Abteilungsleiter. 2002 verließ er Fenton Communications und gründete mit Lumina Strategies eine ähnlich ausgerichtete PR-Consulting Firma.[6]

Shellenberger war ein Kandidat der Demokratischen Partei für den Gouverneursposten bei den kalifornischen Gouverneurswahlen 2018 und belegte mit 0,5 % der Stimmen den neunten Platz unter siebenundzwanzig Kandidaten. Im Jahr 2021 unterstützte er die Abberufung von Gouverneur Gavin Newsom bei den Abberufungswahlen zum Gouverneur von Kalifornien. Bei den Gouverneurswahlen 2022 trat Shellenberger als unabhängiger Kandidat an und belegte mit 4,1 % der Stimmen den dritten Platz in einem Feld von sechsundzwanzig Kandidaten.

Im Dezember 2022 war Shellenberger einer der Autoren, die Teile kommentierter interner Twitter-Dateien („Twitter Files“) mit Genehmigung des neuen Eigentümers Elon Musk veröffentlichten.[7][8] Ab Dezember 2022 ist er Autor für The Free Press.[9]

Breakthrough Institute und Environmental Progress

1997 traf er während einer Kampagne zur Rettung des Waldes im kalifornischen Redwood Nationalpark auf seinen späteren Mitstreiter Ted Nordhaus, der damals als Meinungsforscher und politischer Stratege für Umweltgruppen arbeitete.[10] Nordhaus und Shellenberger gegründeten 2003 das Breakthrough Institute und machten eine Kampagne für ein staatliches 300 Milliarden Dollar Programm unter dem Namen New Apollo Project. Mit diesem sollte grüne Technologie gefördert werden. Sie argumentierten, dass nur dies die Transformation in eine grüne Wirtschaft bewirken könne. Die Kampagne nahm zunächst viel Schwung auf. In Umfragen stimmten sogar unter den (schwierigen) Wählergruppen der Nichtakademiker und der Reagan-Demokraten eine Mehrheit für das Projekt. Die beiden konnten auch diverse Politiker, Gewerkschaften und Umweltverbände für das Projekt gewinnen und zumindest die Aufmerksamkeit der John Kerry Kampagne erreichen. Dann ging es jedoch nicht mehr weiter. John Kerry verlor die Wahl. Die Gewerkschaften waren letztlich mehr daran interessiert, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten, als neue „grüne“ Arbeitsplätze zu schaffen und die Umweltverbände investierten ihr Geld und ihre Energie lieber in ihre eigenen Projekte. 2004 veröffentlichten Shellenberger und Nordhaus noch das Essay The Death of Environmentalism: Global Warming in a Post-Environmental World.[11]

Das Breakthrough Institute ist eine Organisation, die in der Vergangenheit mit der fossilen Energiebranche in Verbindung stand, in jüngerer Zeit vor allem aber als Lobbyorganisation der Nuklearindustrie charakterisiert wurde. Unter anderem wird ihr vorgeworfen, "Daten über die Energieeinsparungen durch Effizienzmaßnahmen falsch darzustellen, fast jede vorgeschlagene Maßnahme zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den USA [zu kritisieren] und sich mit Organisationen, die Klimawissenschaften leugnen [zu verbünden]. Eine besondere Vorliebe sei, die Erneuerbare Energien zu diskreditieren und die Kernenergie als Lösung anzupreisen.[12] Shellenberger vertritt die Ansicht, dass Solarenergie eine große Umweltbedrohung darstelle, während er in Kernenergie die sicherste Art der Stromerzeugung sieht und "Atommüll die beste Art von Abfall" sei.[13] Während seiner Tätigkeit bei Breakthrough schrieb Shellenberger eine Reihe von Artikeln, deren Themen von der positiven Behandlung von Kernenergie und Schiefergas[14] bis hin zur Kritik an der Modell der planetaren Grenzen reichen.[15]

Im Februar 2016 verließ Shellenberger Breakthrough und gründete Environmental Progress,[16] die hinter mehreren öffentlichen Kampagnen für den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken steht. Er wurde auch von konservativen Gesetzgebern aufgefordert, vor dem US-Kongress zum Klimawandel und zugunsten der Kernenergie auszusagen.[17] Shellenberger gilt auch als Atomlobbyist[18], der sich mit Stand 2022 „ganz seiner 2016 gegründeten Non-Profit-Organisation Environmental Progress widmet, einem Sprachrohr US-amerikanischer AKW-Betreiber und Nuklear-Startups“.[19]

Veröffentlichungen und Rezeption

The Death of Environmentalism: Global Warming in a Post-Environmental World

Das Essay The Death of Environmentalism: Global Warming in a Post-Environmental World von Michael Shellenberger und Ted Nordhaus wurde in 2004 zunächst im Selbstverlag und aufgrund des großen Interesses später von Addleton Academic Publishers publiziert. Die Autoren argumentieren darin, dass die klassische Umweltbewegung nicht in der Lage sei, den Klimawandel zu stoppen, weil ihre Führer nicht gewillt seien, neben der Umwelt auch die menschliche und wirtschaftliche Entwicklung in die Überlegungen mit einzubeziehen. Die klassische Umweltbewegung müsse daher zusammenbrechen und so einem neuen Paradigma Platz schaffen.[20]

Nicholas Kristof äußerte 2005 in der New York Times seine Zustimmung zu der Idee, dass die Rhetorik der Umweltbewegung verändert werden müsste.[21] Katharine Mieszkowski schrieb 2006 für Salon.com, dass den Autoren ein beeindruckender „J'accuse Moment“ gelungen sei, in dem sie darauf hinwiesen, dass die Umeweltbewegung nach 15 Jahren und mehreren hundert Millionen Dollar kaum Erfolge im Kampf gegen die Erderwärmung vorzuweisen habe. Der Hinweis darauf, dass die Bürger laut Umfragen weit Überwiegend davon Überzeugt seien, dass Erderwärmung ein Problem ist, dass sie nach denselben Umfragen aber nicht bereit seien, persönlich einschneidende Maßnahmen mitzutragen weise auf den Kern des Problems hin. Sie kritisiert jedoch, dass die Autoren selbst wenig Ideen entwickelten, was politisch besser gemacht werden könne.[22]

Break Through: From the Death of Environmentalism to the Politics of Possibility

In dem Buch Break Through: From the Death of Environmentalism to the Politics of Possibility (Houghton Mifflin, 2007) werben Michael Shellenberger und Ted Nordhaus für großangelegte öffentliche Investitionen in technische Innovationen, die geeignet sind, saubere Energie billiger zu machen und für ein neues grün-kulturelles Paradigma.[23]

Das Buch wurde 2008 mit dem Green Book Award ausgezeichnet.[24] Matthew Yglesias schrieb 2008 in der New York Times, dass Shellenberger und Nordhaus mit dem Essay eine lebhafte Debatte ausgelöst hätten, vor allem, weil sie sich mit ihren früheren Alliierten aus der Umweltbewegung überworfen hätten, mit denen sie zuvor noch beispielsweise für einen ambitionierten Plan zur Förderung erneuerbarer Energie (New Apollo Project) gekämpft hatten. Mit dem Buch Break Trough haben sie dann 3 Jahre später aber nach Ansicht von Yglesias auch Zukunftsentwürfe geliefert. Das Buch gehe weit über das Thema Machbarkeit von Wasserkraft und Windkraft hinaus in abstrakt theoretische Überlegungen. Eine große Stärke der Werke sei der Verweis auf psychologische Studien, nach denen Katastrophenszenarien bei Menschen Gefühle von Fatalismus und Paralyse verursachen. Wenn man Gefühle von Unsicherheit hervorrufe, dann nutze dies nur reaktionärer Politik, aber nicht der Art von weitsichtigem fortschrittlichen Denken das erforderlich ist, um die ökologische Katastrophe abzuwenden. Yglesias bemängelt jedoch, dass die Autoren diesen wichtigen Punkt weiter hätten ausarbeiten sollen, denn die Überlegungen zur Änderung der Rhetorik seien die große Stärke des Buches. Bei den praktischen Überlegungen hätten die Autoren übersehen, dass die Finanzierung von Maßnahmen gegen die Erderwärmung der kritische Punkt praktischer Politik sei und hier dürfe die Idee der CO2-Steuer nicht hinten an gestellt werden.[25] David Naglib Pellow kritisierte 2008 in Environmental Justice, dass die Vorstellung der Autoren zuerst müsse das Wohlergehen der Menschen kommen, dann würde Umweltschutz nachfolgen eine umweltrassistische Idee sei. Arme Menschen und Menschen mit afrikanischen Wurzeln würden sich genauso wie alle anderen für Umweltschutz interessieren.[26] Jonathan Adler schrieb 2007 für das The Wall Street Journal, dass Nordhaus und Shellenbergers optimistischer Aufruf zu mehr wirtschaftlicher Dynamik und kreativem Potential sicherlich mehr für die Umwelt erreichen werde, als ein UN Report oder ein Nobelpreis.[27]

An Ecomodernist Manifesto

Zusammen mit 18 anderen Autoren,u.a. Robert Stone, Joyashree Roy, Roger A. Pielke junior und Mark Lynas veröffentlichte er 2015 das Manifest des Ökomodernismus. Inhalt des Manifestes ist vor allem, dass Wissen und Technologie ein großartiges Anthropozän ermöglichen werden, wenn sie dazu verwendet werden das Leben der Menschen zu verbessern, das Klima zu stabilisieren und die Natur zu schützen. Sie wenden sich damit zugleich gegen die Vorstellung, dass die menschliche Gesellschaft in Einklang mit der Natur leben muss, um einen wirtschaftlichen und ökologischen Kollaps zu vermeiden. Vielmehr soll durch Intensivierung der Landwirtschaft, Energiegewinnung, Forstwirtschaft und Besiedelung der Flächenverbrauch reduziert und Eingriffe in die Natur verringert werden. Dies zusammengenommen gebe den Menschen die Möglichkeit, den Klimawandel abzumildern, die Natur zu schonen und die weltweite Armut zu bekämpfen.[28]

Michelle Nijhuis schrieb für die NewYork Times, dass das Manifest im Tonfall eine kalkulierte Provokation darstellt, etwa mit dem Aufruf dass sich die Menschheit von der Natur abkoppeln soll, oder der Aufruf weiterhin in Kernenergie zu investieren. Der Inhalt des Manifests sei jedoch jenseits dieser Aufreger weitgehend mit klasssischen Forderungen der Umweltschutzbewegung kompatibel.[29]

Jeremy Caradonna schrieb in einer von 17 Unterstützern mitunterzeichneten Antwort auf das Manifest, dass nur Degrowth die Umwelt und das Klima retten könne und technischer Fortschritt letztlich nur zu Katastrophen wie in Tschernobyl und Fukushima führen werde.[30]

Apocalypse Never: Why Environmental Alarmism Hurts Us All

Im Juni 2020 veröffentlichte Shellenberger dieses Werk, in dem er argumentiert, dass der Klimawandel nicht die existenzielle Bedrohung ist als die er dargestellt wird.

Auszeichnungen

Im Jahr 2008 ernannte das Time Magazine Shellenberger zum „Hero of the Environment“[31]

Veröffentlichungen

Commons: Michael Shellenberger – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Phil Wilson: Patrick Brown’s Stunt Takes Climate Change Denial to a New Plateau. In: Resilience. 26. September 2023, abgerufen am 26. September 2023 (amerikanisches Englisch).
  2. Haring, Bruce (June 4, 2022). "Bill Maher And Guests Talk Tough About The Decline Of Western Civilization In 'Real Time' Debate". Deadline. Abgerufen am 23. August 2022.
  3. Two Environmentalists Anger Their Brethren. Abgerufen am 8. April 2024.
  4. Michael Shellenberger's Biography. In: Vote smart. Abgerufen am 10. April 2024.
  5. Progressive PR. Abgerufen am 10. April 2024.
  6. Fenton Veterans Launch PR Firm for Progressive Clients. Abgerufen am 10. April 2024.
  7. Folmar, Chloe (December 11, 2022). "American author Michael Shellenberger releases 'Twitter Files Part 4'". The Hill. Memento des Originals am 11. Dezember 2022. Abgerufen am 17. Dezember 2022.
  8. https://twitter.com/shellenberger/status/1601720455005511680
  9. Fischer, Sara (13. Dezember 2022). "Bari Weiss reveals business plan for buzzy new media startup". Axios. Abgerufen am 28. Januar 2023.
  10. Two Environmentalists Anger Their Brethren. Abgerufen am 8. April 2024.
  11. Two Environmentalists Anger Their Brethren. Abgerufen am 8. April 2024.
  12. Michael E. Mann: Propagandaschlacht ums Klima. Erlangen 2021, S. 177f.
  13. Michael E. Mann: Propagandaschlacht ums Klima. Erlangen 2021, S. 178.
  14. Totty, Michael (April 17, 2010). "Nuclear's Fall—and Rise". The Wall Street Journal.
  15. "Boundary conditions". The Economist. 16. Juni 2012.
  16. Environmental Progress home page (accessed 1 July 2017)
  17. Shellenberger, Michael (January 15, 2020). "Full Committee Hearing - An Update on the Climate Crisis: From Science to Solutions". republicans-science.house.gov. Committee on Science, Space, and Technology. Abgerufen am 17. Juni 2020.
  18. Jim Green: Nuclear power lobbyist Michael Shellenberger learns to love the bomb. In: The Ecologist, 20. September 2018. Abgerufen am 1. Mai 2023.
  19. Johannes Hillje: Wenn wir die Welt retten wollen, brauchen wir einen besseren Begriff als „Transformation“. In: Übermedien, 25. August 2022. Abgerufen am 21. Mai 2023.
  20. JOURNAL ARTICLE THE DEATH OF ENVIRONMENTALISM. In: jstor. Abgerufen am 8. April 2024.
  21. I Have a Nightmare. In: New York Times. Abgerufen am 8. April 2024.
  22. Dead movement walking? In: Saloon.com. Abgerufen am 8. April 2024.
  23. JOURNAL ARTICLE THE DEATH OF ENVIRONMENTALISM. In: jstor. Abgerufen am 8. April 2024.
  24. Does Optimism on Climate Change Make You Pro-Trump? In: Scientific American. Abgerufen am 8. April 2024.
  25. Beyond Mother Nature. In: New York Times. Abgerufen am 8. April 2024.
  26. Break Through: From the Death of Environmentalism to the Politics of Possibility. In: Researchgate. Abgerufen am 8. April 2024.
  27. The Lowdown on Doomsday. In: The Wall Street Journal. Abgerufen am 8. April 2024.
  28. ein ÖKOMODERNES MANIFEST. In: Ecomernism.org. Abgerufen am 10. April 2024.
  29. Is the "Ecomodernist Manifesto" the Future of Environmentalism? In: The New Yorker. Abgerufen am 10. April 2024.
  30. A Degrowth Response to an Ecomodernist Manifesto. In: resilience.org. Abgerufen am 10. April 2024.
  31. Walsh, Bryan (September 24, 2008). "Ted Nordhaus and Michael Shellenberger - Heroes of the Environment 2008". Time Specials. Heroes of the Enviroemnt 2008. In: Time. Abgerufen am 10. April 2024.