VW-Tower
VW-Tower
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VW-Tower, fotografiert von der Aussichtsplattform des Neuen Rathauses
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Basisdaten | ||
Ort: | Hannover | |
Land: | Niedersachsen | |
Staat: | Deutschland | |
Höhenlage: | 57 m ü. NHN | |
Koordinaten: 52° 22′ 47,7″ N, 9° 44′ 28,1″ O | ||
Verwendung: | Fernmeldeturm, Rundfunksender, | |
Zugänglichkeit: | Sendeturm öffentlich nicht zugänglich | |
Besitzer: | Volkswagen AG | |
Turmdaten | ||
Bauzeit: | 1958–1959 | |
Betriebszeit: | seit April 1960 | |
Gesamthöhe: | 141 m | |
Daten zur Sendeanlage | ||
Sendetypen: | Analoges Fernsehen, Mobilfunk, Richtfunk, | |
Stilllegung: | 1990er Jahre | |
Positionskarte | ||
Der VW-Tower (Spitzname Telemoritz oder „alter Fernsehturm“) ist ein früherer, 141 m hoher Fernsehturm im Zentrum von Hannover.
Bau und Sendebetrieb
Der VW-Tower liegt an der Hamburger Allee zwischen der Raschplatzhochstraße und dem Hauptbahnhof im Stadtteil Mitte. Ursprünglich sollte der Turm neben der um 1950 erbauten und 2003 für den Bau der Ernst-August-Galerie abgerissenen Hauptpost errichtet werden. Aus städtebaulichen Gründen wurde der Standort Raschplatz favorisiert und der Turm in den Jahren 1958 und 1959 errichtet. Die Pläne stammen vom Bauingenieur Fritz Leonhardt, der auch den inzwischen denkmalgeschützten Stuttgarter Fernsehturm entwarf.[1] Beide Türme gelten als bautechnische Besonderheiten, da sie zu den ersten Stahlbeton-Fernsehtürmen zählen.[2] Ein ursprünglich geplantes Turm-Cafe in Hannover wurde nicht realisiert. Die Inbetriebnahme durch die Deutsche Bundespost als Sendeturm für Fernseh- und Radiosignale erfolgte im April 1960. Ende der 1960er Jahre wurde der Turm auch „Pusteblume“ genannt.[3]
Seit 1992 wird der Fernmeldeturm in der Innenstadt auch als Telemoritz bezeichnet, zur Unterscheidung zum 1989 bis 1992 neu erbauten Telemax im Stadtteil Groß-Buchholz. Die beiden Namen wurden durch eine Wahl über eine Tageszeitung Hannovers ermittelt. Sie sind eine Anspielung auf das Wilhelm-Busch-Werk Max und Moritz. Nach Inbetriebnahme des neuen Telemax 1992 wurden die funktechnischen Anlagen des alten Fernmeldeturms in den folgenden Jahren entweder ganz abgebaut oder auf den neuen Turm verlagert.
Nachnutzung
Im Jahr 2000 erwarb das Unternehmen Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) den Turm von der DeTeImmobilien, einer damals 100%igen Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG, zu einem symbolischen Preis von 1 DM.[4] Zu Werbezwecken wurde unterhalb der Turmspitze eine drehbare Leuchtreklame mit drei über fünf Meter hohen Volkswagen-Logos angebracht. Aufgrund eines defekten Motors dreht sich die Leuchtreklame nicht mehr. 2019 wurde das Logo im Zuge der Umstellung des Markenauftritts der Kernmarke Volkswagen erneuert.[5][6] 2022 wurde die Beleuchtung aufgrund der Energiesparverordnung abgeschaltet, die Leuchtwerbung aus Gründen des Energiesparens wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine untersagte.[7]
Um das Jahr 2000 wurde der höher liegende Turmzugang mit dem Abriss des angrenzenden Paketpostamtes und dem anschließenden Neubau eines Einkaufszentrums 2003 durch einen ebenerdigen Zugang ersetzt. Ursprünglich war der Turm durch eine Brückenkonstruktion mit einem Glassteg zugänglich, die zu einem Gebäude des Paketpostamtes führte.
2020 brach ein backsteingroßer Betonbrocken aus dem Fenstersims einer Plattform in etwa 70 Meter Höhe heraus und verfehlte zwei Fußgänger am Boden nur knapp.[8] Anschließend untersuchten Industriekletterer den Turm[9] und Fachleute den Beton mit Spezialgerät.[10]
Abrisspläne
Wegen der zunehmenden Sanierungskosten bot das Unternehmen Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) den Turm 2023 zum Kauf an. Nachdem sich kein Käufer gefunden hatte, reichte VWN 2024 eine Abrissanzeige bei der Stadt Hannover ein. Laut VWN sei das Bauwerk für eine Nutzungsdauer von 60 bis 70 Jahren konzipiert. Inzwischen zeigen sich nach rund 65 Jahren zunehmende Schäden, unter anderem durch Korrosion im Stahlbeton. Experten erklärten den Turm als standsicher, allerdings sei die Standsicherheit einem jüngeren Gutachten nach „grenzwertig“.[11] Laut dem hannoverschen Stadtbaurat Thomas Vielhaber besteht die grenzwertige Standsicherheit bereits seit der Errichtung, da früher mit weniger Sicherheitspuffer gebaut wurde.[12] Mitte 2024 wurden mit einem Kran die drei VW-Logos mit einem Gewicht von je 5 Tonnen demontiert,[13] um die Windlast durch Herbststürme auf die Turmspitze zu verringern.[14] Zudem wurde der Schriftzug „Nutzfahrzeuge“ demontiert, so das der Turm werbefrei wurde.[15]
Die Stadt Hannover lehnt den Abriss ab, da sie den Turm für stadtbildprägend hält. Sie prüft eine Sanierung und eine andere Nutzung bis zur Entscheidung über die Zukunft des Turms im Oktober 2024. Für eine Übernahme des Turms gibt es zwei Bewerbungen.[16] Darunter ist eine Initiative mit der Bezeichnung Der Gute Turm um den hannoverschen Musikproduzenten Mousse T. mit einem Sanierungs- und kommerziellen Nachnutzungskonzept.[17] Sie hatte Mitte 2024 bereits 8 Millionen Euro an Sponsorenzusagen eingesammelt.[18][19] Falls sich keine Lösung findet, ist der Abriss im Jahr 2025 vorgesehen.[20] Ein Gutachten beziffert eine Instandsetzungskosten mit etwa 25 Millionen Euro. Für eine öffentliche Nutzung des Turms, etwa durch ein Café, Restaurant oder Konferenzzentrum, nennt das Gutachten Kosten von weiteren 25 Millionen Euro.
Der Turm steht laut einer vor längerem erfolgten Einordnung durch die Denkmalpflege nicht unter Denkmalschutz. Grund waren die nachträglichen baulichen Veränderungen, wie Demontage der Antennen, Anbringen des VW-Logos und Verlegung des Zugangs. Die Stadt kündigte an, die Denkmalwürdigkeit durch das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege überprüfen zu lassen.[21]
Die Abrisspläne lösten bei hannoverschen Lokalpolitikern fraktionsübergreifend Empörung aus.[1] Laut Robert Marlow, Präsident der Architektenkammer Niedersachsen, sei der Turm Teil der Stadtsilhouette von Hannover. Aus der Distanz diene er als Landmarke zur Verortung der Stadtmitte. Auch sei er ein Zeugnis für die Aufbruchzeit in den 1960er Jahren mit dem Aufkommen des Fernsehens.[22]
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Hamburger Allee mit Hochhaus Lister Tor und VW-Tower
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Der beleuchtete Turm beim Festival Theaterformen auf der Raschplatzhochstraße, 2021
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Zugangstür, darüber ist ansatzweise der frühere hochgelegene Zugang erkennbar
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Industriekletterer untersuchen die Außenhülle nach Steinschlag, 2020
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Demontage der VW-Logos mittels Kran, 2024
Siehe auch
Literatur
- Hannovers neuer Fernsehturm – Verlagsbeilage der Neuen Presse und der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 24. November 1992
- Hans-Peter Wiechers, Martina Flamme-Jasper (Texte), Heinrich K.-M. Hecht et al.: (Fotos): Telemax. Architektur & Wahrzeichen. Hrsg.: Deutsche Telekom AG, Niederlassung Hannover, Rüdiger J. Schulz, Hannover: Benatzky Druck und Medien (Druck), 2000, S. 96–113.
Weblinks
- Sascha Priesemann, Conrad von Meding: Vom Fernsehturm zum Wahrzeichen: Die Geschichte des Telemoritz in Hannover in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 7. Februar 2024
- „Telemoritz“ in Hannover: VW reicht Abrissanzeige ein bei ndr.de vom 14. Februar 2024
- Der „Telemoritz“ am Raschplatz im Bau bei nds.museum-digital.de
- Luftbild des Baustellenareals mit Turmstumpf, 1958 von Heinz Koberg im Bildarchiv Region Hannover
- Luftbild des Turms, 1959 von Heinz Koberg im Bildarchiv Region Hannover
- Foto der Bauarbeiten in der Turmspitze von Wilhelm Hauschild bei pinterest.de
Einzelnachweise
- ↑ a b Conrad von Meding: „Ein Desaster“: Politiker reagieren empört auf Abrisspläne für Telemoritz in Hannover in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 7. Februar 2024
- ↑ Erwin Heinle, Fritz Leonhardt: Türme – aller Zeiten – aller Kulturen. Stuttgart 1988, ISBN 978-3-421-02931-7, S. 225.
- ↑ Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Bd. 5, 1967, S. 209, „Fernmeldeturm“.
- ↑ Conrad von Meding: Abriss des Telemoritz: Gibt’s noch eine andere Idee? in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 9. Februar 2024
- ↑ Das VW-Logo am „Telemoritz“ leuchtet wieder. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 2. Oktober 2019, abgerufen am 19. Oktober 2019.
- ↑ VWN-Tower: Logo-Austausch. Drittes Markenzeichen wird montiert. In: bauforum24.biz. 24. September 2019, abgerufen am 12. April 2023.
- ↑ Conrad von Meding: Energiekrise: VW Nutzfahrzeuge knipst den Telemoritz aus in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 1. September 2022
- ↑ Turm bröckelt: Steine verfehlen Menschen nur knapp ( vom 24. August 2020 im Internet Archive) bei ndr.de vom 11. August 2020
- ↑ Peer Hellerling: Betonbrocken von Telemoritz gestürzt – Kletterer sollen Ursache finden in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 11. August 2020
- ↑ NDR: Bröckelnder Beton: VWN lässt heute Turm sichern. 24. August 2020, archiviert vom am 8. Februar 2024; abgerufen am 18. Juli 2024.
- ↑ Conrad von Meding: Fernsehturm Telemoritz: VWN hat Abrissanzeige beim Bauamt eingereicht in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 14. Februar 2024
- ↑ Baudezernent zu Hannovers Telemoritz: „Der Turm fällt nicht um“ in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 21. Februar 2024
- ↑ Klaus Pohlmann: Telemoritz Hannover: Abbau der VW-Logos läuft bei Niedersächsische Wirtschaft vom 9. Juli 2024
- ↑ „Telemoritz“ in Hannover: VW baut Logo vom alten Fernsehturm ab bei ndr.de vom 18. Juni 2024
- ↑ Kein VW mehr: „Telemoritz“ in Hannover ist komplett werbefrei bei ndr.de vom 18. Juli 2024
- ↑ Telemoritz in Hannover: Zwei Bewerberkonzepte sind im Rennen in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 26. Mai 2024
- ↑ Telemoritz als „Guter Turm“: OB Onay stellt sich hinter Projekt in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 20. März 2024
- ↑ Hannover Initiative sammelt Geld für maroden "Telemoritz" bei ndr.de vom 12. Juli 2024
- ↑ „Telemoritz“: Wird der Fernsehturm in Hannover doch nicht abgerissen? bei ntv vom 12. Juli 2024
- ↑ „Telemoritz“: Was wird aus Hannovers altem Fernsehturm? bei ndr.de vom 4. April 2024
- ↑ Conrad von Meding: Abrisspläne für VW-Turm: Verliert Hannover ein Wahrzeichen? in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 7. Februar 2024
- ↑ Conrad von Meding: Architektenkammerpräsident: „Der Turm gehört zur Skyline von Hannover“ in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 9. Februar 2024