Talayot-Kultur
Die Talayot-Kultur auf den Balearen ist vor allem durch die zahlreichen Reste der namengebenden Turmbauten, die Talayots bekannt. Auf Mallorca werden ihre vereinzelt anzutreffenden größeren Siedlungen auch Clapers de gegants (Steingelände der Riesen) genannt. Auf Menorca sind dagegen die klassischen Talayots, wie sie Mallorca kennt (rund bzw. quadratisch), relativ selten oder durch Abtragung der Steine bereits stark zerfallen (Torre d'en Galmés). Der Name talayot (kastilisch) sowie talaiot (katalanisch) kommt aus dem Arabischen atalaya und bedeutet übersetzt Wachturm. Der Archäologe Joan Ramis aus Menorca prägte daraus den Begriff der talayotischen Kultur. Auf den Pityuseninseln Ibiza und Formentera wurde bisher keine Talayots gefunden.
Zeitabschnitte
- um 4.000 v. Chr: Aus dieser Zeit stammen erste prähistorische Funde aus Höhlen.
- um 2.000 v. Chr: Vor-Talayotikum: künstliche Höhlen als Kult- und Grabstätten.
- um 1.800 v. Chr: Höhepunkt Vor-Talayotikum: künstliche Höhlen (Cuevas).
- um 1.500 v. Chr: Ende des Vor-Talayotikum: Naveta (Bauten in Form von umgedrehten Schiffsrümpfen.
- um 1.300 v. Chr: Talayotikum I. Einzelstehende Talayot (Türme), Grabstätten unterirdisch.
- um 1.000 v. Chr: Talayotikum II: ummauerte Einfriedungen entstehen.
- um 800 v. Chr: Talayotikum III: angebaute Räume mit rechteckigem Grundriss, Hypostylos-Säle, Stieranbetung, Feuerbestattung, Handel mit den Karthagern. Hallstatt-Zeit (Ältere Eisenzeit), (660) Gründung Ibizas).
- um 500 v. Chr. Talayotikum IV: Beerdigung in Fötus-Position (in Kalk), Nachbildung punisch-ibizenkischer und römischer Keramik-Formen, Sanktuarien, die offensive Bewaffnung (Schwerter, Messer, Lanzenspitzen) sowie die Vielfalt der Werkzeuge nahm an Bedeutung zu. Als Konsequenz dessen führte der Einfluss der mittelmeerländischen Zivilisation zu einer allmählichen Veränderung der einheimischen Kultur. Dies wird durch Ausgrabungen der Haushaltsgeräte deutlich. Auch die Veränderungen in der spirituellen Lehre sind anhand von gefundenen Helden- und Kriegerikonen, kleine Statuen bekannt unter dem Namen Mars Balearicus, nachweisbar.
Geschichte
Um 1400 v. Chr. entstanden auf Mallorca und Menorca (Isla Baleares) nach Ansicht einiger Forscher mit der Ankunft anderer Völker aus dem östlichen Mittelmeer veränderte Bauformen, die gemeinsam mit einem neuen Sozial- und Wirtschaftssystem den letzten Abschnitt der dortigen Vorgeschichte – die Talayot-Kultur einleiteten. Heute ist jedoch klar, dass es sich um eine weitestgehend eigenständige, nachvollziehbare Entwicklung handelte. Siehe dazu Balearische Inseln.
Bauarten und Entwicklung
Das charakteristische Element dieses Zeitabschnittes ist der Talayot, ein dickwandiger Turm mit zentraler Kammer. Auch hier, und dies widerspricht der Fremdbeeinflussung durch eine bronzezeitliche Hochkultur, wird mit der Zyklopen-Technik die archaischste aller Formen der Steinarchitektur benutzt. Der Vorläufer des Talayot ist die besonders auf Menorca gut erhaltene Naveta (navetes) mit der Bauform eines umgestülpten Schiffes. Ihr ging als Kultbau die Cueva voraus, eine aus dem Felsen gearbeitete künstliche Höhle.
Der Grundriss des mallorquinischen Talayot war zunächst rund und wurde in einer späteren Phase viereckig, hatte aber stets einen ebenerdigen Zugang. Innerhalb dieser baulichen Einheit gab es jedoch Varianten, die vor allem Menorca betreffen. Hier gibt es vielfach keine Räume in den Taloyots. Die Nutzung der oberen Plattform stellt den baulichen Zweck dar. Sicher ist auf Grund der Fundsachen und deren Analyse, dass die talayotischen Häuser mit runder Grundfläche besonders zwischen dem 4. und dem 2. Jahrhundert v. Chr. intensiv zum Wohnaufenthalt genutzt wurden.
Die einzige Kammer pro Etage wurde ansonsten mit Steinplatten bedeckt, die auf den Seitenwänden und einer aus Quadern gestapelten Mittelsäule ruhten. Die zweite Generation der Talayots mit viereckigem Grundriss hatte mehrere, inzwischen allerdings weitgehend abgetragene Etagen, so dass deren ursprüngliche Höhe unbekannt ist. Da Talayots oft hochgelegen platziert wurden, waren sie auch als Beobachtungstürme nutzbar.
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Basisrekonstruktion einer Naveta -
Naveta "des Tudons" Menorca -
Rekonstruktion Siedlung -
Haupteingang Siedlung Ses Païsses/Artà -
Talayot im Bau -
Turm mit Säulenhalle -
Talayot-Turm -
Talayotsiedlung Mallorca
Im ersten Jahrtausend v. Chr. kamen rundovale Einfriedungen aus Steinquadern auf, die manche Komplexe umschlossen. Dieser Wall wurde um vorhandene alte Talayots angelegt. Beispiele hierfür sind Capocorb Vell im Gebiet von Llucmajor, S’Illot bei Sant Llorenç des Cardassar, Ses Païsses bei Artà und Es Rossels im Gebiet von Felanitx. Daneben tauchen speziell auf Menorca neue Architekturelemente auf. Säulen und Pilaster fügen sich hier zu regelrechten Hypostyloi, die auf Menorca oft im Umfeld der Talayots eine eigene in die Erde gebaute Gattung darstellen und unter Umständen als Vorgänger der menorquinischen Taulen (Torralba d'en Salord) anzusehen sind. Die Menorquiner errichteten aber auch einige Steinkisten wie bei Alcaidús, Binidalinet, Montplè, Ses Roques Llises, Son Ferragut Nou und Son Ermità.
Bis heute ist völlig ungeklärt, welchem Zweck Talayots im Detail dienten. Bei einigen gibt es Hinweise darauf, dass sie gemeinschaftliche Getreide- oder Fleischspeicher waren, andere wiederum scheinen zeremoniellen Zwecken polischer oder religiöser Art gedient zu haben. Die größeren Komplexe könnten regionale Zentren in der Art eines Tempels/Klosters gewesen sein, die über die Siedlung hinaus wirkten. Ebenfalls ist die Ausrichtung der Eingänge auf 145 Grad (Azimut) bei den quadratischen Talayots auf Mallorca nicht eindeutig geklärt.
Die Waffe der späten Talayot-Zeit war die Steinschleuder Els Foners Balears, deren Geschosse der Inselgruppe in frühgeschichtlicher Zeit den heutigen Namen gaben.
Die Bautechniken der Torre-Kultur auf Korsika, der Sesioten auf Pantelleria und der Nuragher auf Sardinien sind zum Teil älter, aber weitgehend vergleichbar mit der der Talayots.
Fundorte auf Mallorca (nach Regionen)
Die Fundorte sind aufgelistet nach den traditionellen Landschaften, die aber keine politischen Grenzen darstellen:
Palma, Son Oms (santuario), Son Oms Vell, Son Sunyer, Es Rafal, Cas Quitxero, Navetiforme Alamany, Son Ferrer, Sa Mesquida, Puig de sa Morisca, Son Miralles, Es Fornets, Santa Ponça 6, Turó de ses Beies, Son Boronat, Es Pinotells
Migjorn (Sud)
Son Noguera, Es Pedregar, Capocorb Vell, Ets Antigors.
Son Coll Nou, Son Fornés, Campanari des Moros, Es Pou Celat, Es Baulenes, Es Velar de Son Herevet, Es Rossels, Son Pou Vell, Son Homar, Es Pujolett, Son Perera Vell, Es Racons, Son Ferragut, Son Corró, Es Turassot, Son Vispó, Binifat, Cas Canar, Son Fred, Sa Vall, Son Peretó, Es Boc Vell, Bellver Ric, Hospitalet Vell, Sa Gruta, Cala Morlanda, S’Illot, Na Pol, N’Amer, Llucamar, Pula.
Hospitalet Vell, S'Illot, Ses Païsses.
Costa Nordeste
Son Simó, Figuera Rotja, Can Daniel Gran, Can Vidalet, Ternelles, Cala Sant Vicenç (Künstliche Höhlen), Bóquer, Les Arenes de Formentor, Llenaire, Molí de Vent, Son Bauló, Son Real, Es Figueral de Son Real, Son Marí, Son Serra de Marina, Sa Canova de Morell, Can Blai, Can Pa amb Oli, Canyamel, S’Heretat.
Son Matge, Son Mas, Son Oleza-Son Ferrandell, Puig de sa Moneda, Son Gallard, Muleta, Sa Roca Rotja, Almallutx, Cometa des Morts, Sa Granja, Son Puig, Son Serralta, Ses Casotes, Es Pujol, Es Forn de Calç, Comasema.
Fundorte auf Menorca
Agusti Vell, Binicodrell, Naveta des Tudons, Rafal Rubi, Santa Mónica, Son Catlar, Talati de Dalt, Torre d'en Galmés, Torralba d'en Salord, Torretrecada, Torrellafuda.
Literatur
Zwischen 1869 und 1891 erschien in Leipzig ein neunbändiges Monumentalwerk des berühmten Reisenden Erzherzog Ludwig Salvator (span. Lluis Salvador). Es ist heute noch ein zuverlässiges und genaues Zeugnis jener Epoche.
- Ludwig Salvator: Die Balearen. Geschildert in Wort und Bild. MacMedia, Palma di Mallorca 2002 (Nachdruck)
- J. Aramburu, C. Garrido und V. Sastre: Guia arqueologica de Mallorca. 1995 (spanisch)