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Radiokarbonmethode

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Die Radiokarbonmethode oder C-14-Methode ist eine insbesondere in der Archäologie und Archäobotanik angewendete Methode zur Bestimmung des Alters von organischem Material, das von unserer Erde stammt. Sie basiert auf dem Zerfall des radioaktiven Kohlenstoff-Isotops 14C. Mit dieser Methode können Alter bis etwa 50.000 Jahre bestimmt werden. 1946 wurde diese Methode von Willard Frank Libby entwickelt.

Physikalische Grundlagen

Die drei Kohlenstoff-Isotope 12C, 13C und 14C kommen natürlicherweise in der Luft anteilig am Gesamtkohlenstoffgehalt zu etwa 98,89%, 1,11% und 0,0000000001% vor. Auf einen 14C-Kern kommen so statistisch 1012 12C-Kerne.

Während 12C und 13C stabil sind, zerfällt 14C mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren durch β--Zerfall zu 14N-Kernen. Gleichzeitig bilden sich in den oberen Schichten der Erdatmosphäre neue 14C-Kerne. Wenn die kosmische Strahlung auf Atome der Atmosphäre trifft, werden Neutronen freigesetzt. Trifft ein solches den Kern eines Stickstoff-Isotops 14N, so erfolgt eine Kernreaktion, in der dieses Neutron eingefangen und dafür ein Proton abgespalten wird. Dadurch entsteht aus dem 14N-Kern ein 14C-Kern. Die Neubildung der 14C-Kerne und deren Zerfall war bis zu den ersten oberirdischen Atomwaffentests gleich groß. Die Konzentration der 14C-Kerne in der Atmosphäre war also konstant.

Vor allem durch die Photosynthese der Pflanzen gelangt Kohlenstoff in die Biosphäre. Da Lebewesen bei ihrem Stoffwechsel ständig Kohlenstoff mit der Atmosphäre austauschen, stellt sich in lebenden Organismen dasselbe Verteilungsverhältnis der drei Kohlenstoff-Isotope ein, wie es in der Atmosphäre vorliegt. Auch nicht-organische Stoffe, beispielsweise erschmolzene Metalle oder mit anderen thermischen Verfahren gewonnene Werkstoffe weisen einen nennenswerten Kohlenstoff-Anteil auf.

Wird Kohlenstoff aus diesem Kreislauf herausgenommen (das heißt: wird er fossil), dann ändert sich das Verhältnis zwischen 14C und 12C, weil die zerfallenden 14C-Kerne nicht durch neue ersetzt werden und es gilt das Zerfallsgesetz:


Der hierfür entscheidende Zeitpunkt ist das Ende des Stoffaustauschs mit der Atmosphäre, also der Tod des Lebewesens. So ist das Verhältnis zwischen 14C und 12C eines organischen Materials ein Maß für die Zeit, die seit dem Tod eines Lebewesens - beispielsweise dem Fällen eines Baums und Verwendung dessen Holzes - vergangen ist. Mithin ist es ein Maß für das Alter des Materials.

Die Radiokarbonmethode ist somit die Messung des Verhältnisses der Mengen der Kohlenstoff-Isotope 14C zu 12C einer Probe sowie eines Standards, der das Verhältnis zu Beginn des Alterungsprozesses repräsentiert. Der 14C-Gehalt einer Probe kann entweder durch Zählung der zerfallenden 14C-Kerne im Zählrohr, im Flüssigkeits-Szintillations-Spektrometer oder durch Zählung der noch vorhandenen 14C-Kerne mit der Beschleuniger-Massenspektrometrie bestimmt werden. Letztere Methode benötigt weniger Material als die ersten beiden, ist dafür aber aufwändiger und teurer.

Radiocarbon-Jahre entsprechen jedoch nicht den Kalenderjahren (tropischen Jahren), da die Produktion von 14C-Isotopen im Verlauf der erdgeschichtlichen Zeiten langfristigen und auch kurzfristigen Schwankungen unterworfen ist. Daher gibt es eine Kalibrierungskurve ([1]), mit deren Hilfe das aus dem 14C-Gehalt berechnete Radiokarbonalter, welches sich unter der Annahme einer konstanten 14C Entstehungsrate ergibt, in ein Kalenderalter umgerechnet werden kann. Diese Kalibrierungskurve wird mittels anderer Datierungsmethoden (beispielsweise Baumringe, Dendrochronologie) ermittelt. Bei einem Radiokarbon-Alter ist es daher wichtig zu wissen, ob es sich um das radiologische oder das korrigierte "kalibrierte" Alter handelt. Das konventionelle 14C-Alter wird in B.P. (before present, Jahre vor 1950), das kalibrierte Kalenderalter in cal BP oder als Datum cal AD / cal BC nach christlicher Zeitrechnung angegeben, wobei die Abkürzungen AD für Anno Domini und BC für Before Christ stehen. Die Schwankungen des 14C Gehaltes der Atmosphäre gehen vor allem auf Sonnenflecken zurück und folgen daher kurzfristigen und langfristigen Zyklen. Verläuft die Kalibrationskurve über einen längeren Abschnitt flach (man spricht dann von einem Plateau), kann das dazu führen, daß Knochen oder Holzkohle, deren Entstehung mehrere hundert Jahre auseinander liegen, das selbe radiometrische Alter zeigen. Das ist zum Beispiel bei dem Bandkeramischen Plateau zwischen 5500 und 5200 BC cal der Fall, dann wieder zwischen 3100-2900, 2850-2650 und 2600-2480 BC (Endneolithisches Plateau). Inzwischen werden die Schwankungen der Kalibrationskurve jedoch auch verwendet, um 14C-Datierungen zu präzisieren, das von Bernhard Weniger von der Universität Köln entwickelte 'Wiggle-matching'. Das ist möglich, wenn präzise Daten vorliegen, deren relative Abfolge durch unabhängige Quellen, etwa der Stratigraphie eines archäologischen Fundortes belegt sind. Damit kann entschieden, in welchen Abschnitt der Kalibrationskurve diese Daten am besten einpassen.

Abhängigkeit zwischen Radiokarbonalter (Yr = Zeit in Jahren) und dem Dendro-Alter (Kalenderalter)- durch Dendrochronologie bestimmtes Alter - für die vergangenen zwölf Jahrtausende nach Stuiver et al. (1998)

Eine weitere Korrektur kann notwendig werden, wenn die gemessene Probe durch einen Stoff mit einem anderen Radiokarbonalter verunreinigt wurde und diese nicht durch die Reinigungsprozeduren bei der Probenvorbereitung vollständig beseitigt werden konnte. Je nach Umfang der Verunreinigung liegt dann das gemessene Radiokarbonalter zwischen dem Alter der Probe und dem Radiokarbonalter des verunreinigenden Stoffs. Ist der Umfang der Kontamination bekannt, gilt für die Verschiebung des gemessenen Radiokarbonalters zum wirklichen Alter der Probe folgende Formel:

sind dabei die Verunreinigung in %, das Radiokarbonalter der Verunreinigung beziehungsweise das Alter der Probe.

Da, besonders in Flüssen und Seen, das Wasser fossilen Kohlenstoff enthalten kann (gelöste Karbonatgesteine), die entsprechenden Daten also zu alt werden (Hard-Water Error) wird inzwischen auch der Gehalt der Probe an nicht radioaktiven 13C routinemäßig mitbestimmt. Das Verhältnis 13C 14C kann außerdem wichtige Hinweise zur Ernährung liefern.

Ablauf der Untersuchung

Die Durchführung erfordert neben der Anwendung der Physik auch zahlreiche Schritte mit Hilfe der angewandten Chemie, um die Probe mit einem Zählrohr (nach Libby) oder mit dem Verfahren der Beschleuniger-Massenspektrometrie untersuchen zu können. Die folgende Darstellung des Untersuchungsvorgangs ist sehr stark vereinfacht.

Chemische Vorbereitungen der Probe

Das zu untersuchende organische Material muss zu reinem Kohlenstoff reduziert werden, um eine Bestimmung durchführen zu können. Viele andere Verbindungen müssen also aus der Probe entfernt werden.

Dazu ist vor der eigentlichen Untersuchung eine Vielzahl von chemischen Schritten notwendig. Im folgenden wird dies am Beispiel der chem. Vorbereitung von Holz dargestellt, wie sie an vielen Labors gebräuchlich ist.

Zu erst wird die Probe mit 1%iger Salzsäure (chem. Summenformel: HCl), anschließend mit Natronlauge (NaOH), dann wieder mit Salzsäure gereinigt. Dies geschieht jeweils vier Stunden lang bei 60°C.

Das übriggebliebene reine Zellulosematerial wird mit Kupferoxid und Silber (Ag) in einer evakuierten Quartzampulle eingeschlossen und in einem Ofen erhitzt. Dabei verbrennen die organischen Bestandteile, so dass nur CO2, Stickstoffoxid, Schwefeloxid und Halogenverbindungen verbleiben. Das hinzugegebene Silber bindet das Schwefeloxid und die Halogenverbindungen.

Das verbleibende CO2 kann nun entweder zur Befüllung eines Zählrohres verwendet werden, oder es wird mit Eisen (Fe) und Wasserstoff (H2) zu reinem Graphit, der nur aus Kohlenstoff besteht, reduziert, um eine 14C-Bestimmung mithilfe der Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS) durchzuführen.

Zählrohrmethode nach Libby

Die klassische Methode für Radiokarbonmessungen, wie sie schon von Libby benutzt wurde, ist der direkte Nachweis des radioaktiven Zerfalls in einem Zählrohr. Hierbei wird als Zählgas das aus der Probe durch Verbrennung gewonnene CO2 verwendet. Aufgrund der langen Halbwertszeit und der geringen Häufigkeit von 14C beträgt die Aktivität eines Mols modernen Kohlenstoffs nur etwa 3 Zerfälle pro Sekunde. Um eine Genauigkeit von 40 Jahren (1 Standardabweichung) zu erreichen, sind aber Zählraten von insgesamt mehr als 40.000 erforderlich (der relative Fehler der Messung beträgt , wobei 'n' hier die Zählrate bezeichnet). Um eine hohe Präzision der Messung zu erzielen, sind also, neben einer guten Abschirmung des Zählrohres gegen die natürliche Strahlung, relativ große Probenmengen (bis zu 1 kg des Ausgangsmaterials) und eine lange Messdauer erforderlich. Da bei sehr alten Proben nur noch sehr wenig 14C enthalten ist, können diese mangels Zählrate nur mit entsprechend kleinerer Präzision (Fehler von einigen hundert Jahren) gemessen werden. Bei einem Probenalter von mehr als etwa 50.000 Jahren ist nur noch so wenig 14C in der Probe enthalten, dass die Nachweisgrenze erreicht ist.

Massenspektrometrischer Nachweis

Durch die Entwicklung der Beschleuniger-Massenspektrometrie, welche die Methoden der Massenspektrometrie und kernphysikalische Untersuchungsmethoden miteinander vereinigt und so die Messung kleinster Isotopenverhältnisse bis zu ermöglicht, wurde Ende der '70er Jahre der direkte Nachweis von 14C-Atome möglich, ohne erst deren Zerfall abwarten zu müssen. Deshalb können mithilfe dieser Methode auch weitaus kleinere Probenmengen als bei Messungen mit der Zählrohrmethode verwendet werden, was der Radiokarbonmethode ganz neue Anwendungsgebiete erschloss. Die typische Größe einer Probe für die Beschleuniger-Massenspektrometrie beträgt etwa 1 mg; mit dieser Probenmenge können innerhalb einer Messzeit von etwa einer Stunde 40.000 14C-Atome einer modernen Probe nachgewiesen werden bzw. eine Genauigkeit von 0,5% erreicht werden, was einem Fehler von 40 Jahren entspricht. Im Gegensatz zur Zählrohrmethode ist hierzu allerdings eine weitaus aufwändigere und teurere Technik erforderlich.

Zu beachtende Probleme der Radiokarbonmethode

Interpretation der Radiokarbonalter

Die 14C-Methode misst den Todeszeitpunkt eines Organismus, nicht den Zeitpunkt, zu dem eine archäologische Schicht abgelagert wurde. Wurde also in einem prähistorischen Haus ein alter Balken wiederverwendet, wird die Datierung dieses Balkens zwar den Balken selbst richtig datieren, was aber zu einer Fehldatierung führen würde, wenn das so bestimmte Alter als Datum für das prähistorische Haus interpretiert werden würde. Allgemein ausgerdrückt; wie bei jeder radiometrischen Datierungsmethode muss der Zusammenhang zwischen tatsächlich datiertem physikalischen Ereignis -das ist der Abschluss des Kohlenstoff-Isotopensystems in der Probe von der Umwelt- und dem zu datierenden historischen Ereignis hergestellt werden. Ein Eichenbaum kann ein Alter von mehreren hundert Jahren erreichen, Holzkohle aus seinen inneren Ringen liefert ebenfalls ein eventuell um mehrere Jahrhunderte "zu altes" Datum für den Zeitpunkt des Absterbens des Baumes. Deshalb versucht man inzwischen, vor allem kurzlebige Organismen wie Getreidekörner oder Tierknochen zu datieren.

Libby- und Cambridge-Halbwertszeit

Libbys Team hatte bei der Entwicklung der Radiokarbonmethode für 14C eine Halbwertszeit von 5568±30 Jahren verwendet, die inzwischen als Libby-Halbwertszeit bekannt ist. Später wurde eine genauere Zahl von 5730±40 (Godwin H., 1962, Half-life of radiocarbon. Nature 195, p984) Jahren gemessen, die Cambridge-Halbwertszeit. Um Verwirrung zu vermeiden, wird im Labor allerdings weiterhin die Libby-Zahl benutzt. Eine unkalibrierte Datierung mit der Libby-Zahl könnte durch Multiplikation mit dem Verhältnis der beiden Zahlen (etwa 1,03) verbessert werden, dies ist aber meist unnötig, da die notwendige Korrektur in modernen Kalibrierkurven bereits enthalten ist.

Kalibration

Die durch die 14C-Methode bestimmten Radiocarbon-Jahre entsprechen nicht genau dent tropischen Jahren, weswegen eine Kalibration nötig ist, um größtmögliche Genauigkeit zu erreichen. Verursacht wird dies durch das schwankende 14C/12C Verhältnis in der Atmosphäre, beispielsweise hervorgerufen durch den DeVries-Effekt oder den Süss-Effekt. In der Anfangszeit der Radiokarbondatierung war die zur Kalibrierung verwendete Dendrochronologie selbst noch in einem frühen Entwicklungszustand. Inzwischen existieren jedoch eine Reihe gut belegter und durchgehender Dendro-Kurven aus unterschiedlichen Teilen der Welt. Damit konnten Probleme der frühen Kalibrationskurve ausgeglichen werden. Die Hohenheimer Kurve (z. B. reicht inzwischen (2004) bis ins Jahr 10.461 v. Chr., also ins jüngere Dryas, die ostmediterrane Kurve immerhin bis 1.800 v. Chr. Nach dem Ende der geschlossenen Dendro-Kurve werden die Jahresringe von Korallen zur Kalibration verwendet.

Weiter Effekte

Weitere Effekte die für eine korrekte Datierung eventuell berücksichtigt werden müssen, sind Fraktionierungseffekte sowie der Reservoir-Effekt. Dies kann in vielen Fällen über die Bestimmung des 13C/12C Verhältnisses der Probe geschehen.

Durch den Einsatz von Kernwaffen seit 1945 wurde durch den Kernwaffen-Effekt das atmosphäreische 14C/12C Verhältnis stark verändert, so dass die Radiokarbonmethode für jüngere Proben nicht mehr angewendet werden kann.

Siehe auch

Literatur

  • Gove, Harry E. (1999): From Hiroshima to the Iceman. The Development and Applications of Accelerator Mass Spectrometry. Bristol: Institute of Physics Publishing.
  • Morgenroth, Gerhard (2003): "Xerxes' falsche Tochter: Radiokarbon-Datierung", Physik in unserer Zeit 34 (1), 40 - 43.
  • Friedrich, Michael; Remmele, Sabine; Kromer, Bernd; Hofmann, Jutta; Spurk, Marco; Felix Kaiser, Klaus; Orcel, Christian; Küppers, Manfred, The 12,460-Year Hohenheim Oak and Pine Tree-Ring Chronology from Central Europe—a Unique Annual Record for Radiocarbon Calibration and Paleoenvironment Reconstructions. Radiocarbon, 46/3, 2004, 1111-1122.
  • Christen Andres, Bwigg: An Internet facility for Bayesian radiocarbon wiggle-matching. Internet Archaeology 13, 2002.
  • Manning, S.W., B. Kromer, P.I. Kuniholm & M.W. Newton. 2001. Anatolian tree-rings and a new chronology for the east Mediterranean Bronze-Iron Ages, Science 294: 2532-5.