Algenreaktor

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Als Algenreaktor oder Algen-Photobioreaktor zur Kohlendioxid-Fixierung oder Algen-Biomasse-Produktion bezeichnet man einen Bioreaktor zum Kultivieren von Algen, in dem, über ein Rohr oder Dispergier-Organ, Kohlendioxid, gebunden in Luft oder gereinigtem Rauchgas, eingetragen wird. Die heranwachsenden Algen nutzen das ihnen zur Verfügung gestellte CO2 und Sonnenlicht, um Photosynthese zu betreiben. Algen sind photoautotroph und betreiben eine sauerstofferzeugende Photosynthese, wobei sie das CO2 mit Hilfe von Sonnenlicht und Wasserstoffatomen aus dem aufgenommenen Wasser in Form von Glucose binden. Diese wird wiederum genutzt, um Biomasse zu erzeugen. Der molekulare Sauerstoff und die Wasserstoffatome entstehen bei der Wasserspaltung im Photosystem II[1], welches sich in der Thylakoidmembran befindet.

Netto-Reaktionsgleichung der Photosynthese:

Geschichtlicher Hintergrund

Im Jahr 1957 fanden im Auftrag der Carnegie Institution in Washington, die der Arthur D. Little Inc. angehört, die ersten Versuche zur Algenzüchtung mittels Solarenergie statt. Die Chlorella-Einzeller erhielten zusätzlich nur CO2 und Salze. Zuerst wurde mit 150 cm hohen Glasreaktoren experimentiert, später mit einem Algenbecken in Form eines lichtdurchlässigen Kunststoffschlauches. Das Ziel der damaligen Forschungen war es, ein günstiges Viehfutter herzustellen.[2]

Industrielle Nutzung

Das Kultivieren der Algen in einem Algenreaktor eröffnet der Industrie ein breites Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten.

Einige Energiekonzerne besitzen Pilot- bzw. Forschungsanlagen eines Algenreaktors um CO2 aus einem Teil des bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehenden Rauchgases zu binden und nebenbei hochwertige Algen-Biomasse zu erzeugen. In weiterer Entwicklungsfolge können diese Anlagen zu einer Senkung von CO2-Emissionen beitragen und den Unternehmen zusätzliche Einnahmen über den Verkauf von Emissionszertifikaten[3] einbringen.

Die Nutzung einiger Algenarten als Nahrungsmittel ist vor allem in Ostasien sehr weit verbreitet. Neben der Nutzung als Nahrungsmittel besteht die Möglichkeit, aus dem Ölanteil Biodiesel herzustellen. Einige Algen der Gattung Chlorella eignen sich sehr gut zur Herstellung von Biodiesel, da sie einen sehr hohen Ölanteil haben, jedoch dürfen diese keine zu hohen Wachstumsraten bzw. CO2-Umsatzraten haben, da die Wachstumsrate einen umgekehrt proportionalen Einfluss auf den Ölanteil der Einzeller hat. Algen schneiden nicht nur im Vergleich zu aus Rapssaat gewonnenem Biodiesel wesentlich besser ab, sondern besitzen auch ansonsten eine höhere Wachtumsrate als Landpflanzen.
Nach [4] sind Algen hinsichtlich der Gewinnung von Biodiesel (Algenkraftstoff) aus dem Fett-/Ölanteil etwa 30-mal ergiebiger als zur Biodiesel-Produktion angebauter Raps.
Nach [5] beträgt das Verhältnis 1800 Liter Biodiesel pro Hektar Raps zu 10000 Litern aus 1 Hektar Algenreaktoren - immerhin ein Faktor von 5,5.

Der Treibstoffertrag pro Fläche kann weiter gesteigert werden, indem der Zuckeranteil der verbleibenden Biomasse beispielsweise zu Bio-Ethanol vergoren wird. Dadurch steigt nach [6] die Treibstoffausbeute auf das ca. 1,5-fache.

Schließlich kann die gesamte Biomasse in Synthesegas beziehungsweise weiter in Synfuel verarbeitet werden (Biomass-to-Liquid).

Diskutiert wird auch die Verwendung von Algenreaktoren zur Aufbereitung von Abwasser. Der Vorteil wäre die Verwendung von Abwasser als Nährstoffbasis für die Algen statt des sonst zugesetzten Ammoniumphosphats.

Die Algenmasse kann weiterhin anaerob zu Biogas reagieren. Untersuchungen laufen weiterhin, Biogas durch Algenreaktoren zu reinigen, indem die Algen dessen hohen Kohlendioxidanteil zu Biomasse verarbeiten[7].

Die häufigsten Typen von geschlossenen Algenreaktoren

Grundsätzlich unterscheidet man zurzeit zwischen drei Typen von geschlossenen Algenreaktoren, jedoch ist ihre Bauweise durch den in den häufigsten Fällen wachstumsbeschränkenden Faktor, das verfügbare Licht bzw. die einstrahlende Lichtintensität, bestimmt.

Plattenphotoreaktor

Plattenreaktoren bestehen aus senkrecht oder geneigt angeordneten, quaderförmigen Platten, die oftmals in zwei Bereiche unterteilt sind, um so eine Bewegung (Umwälzung) des Reaktorfluids zu ermöglichen. In der Regel werden die einzelnen Reaktorplatten geneigt und stufenförmig angeordnet und zu einem größeren System miteinander verbunden. Meist sind diese Verbindungsstücke zum Befüllen bzw. Entleeren, Begasen und Nährstofftransport, jedoch selten zum Übergang von Reaktorfluid vorgesehen, da versucht wird, das Kontaminationsrisiko so gering wie möglich zu halten. Die Begasung erfolgt über das untere Ende des Quaders, damit die Blasensäule über die gesamte Länge getragen wird.

Rohrphotoreaktor

Ein Rohrreaktor besteht aus einem Rohrsystem, das senkrecht oder waagerecht angeordnet werden kann. Die oftmals sehr langen Rohre bestehen aus Glas oder klarem Kunststoff (PVC, PMMA). Das Reaktorfluid mit den darin sich befindenden Algen wird dabei konstant durch das Röhrensystem gepumpt. Im Grunde wird zwischen zwei Pumpvorgängen unterschieden, die das Reaktorfluid in Bewegung halten. Wahlweise kann die Zirkulation mit einer Pumpe angetrieben werden, wobei hier die Druckverluste und proportional dazu auch der Energieaufwand sehr hoch sind. Als Alternative kann man eine sogenannte Airlift-Pumpe verwenden (häufig bei vertikal angeordneten Rohrreaktoren). Eine Airlift-Pumpe basiert auf dem Prinzip der Flüssigkeitsbewegung aufgrund unterschiedlicher hydrostatischer Drücke, bedingt durch einen, bezogen auf das Rohrsystem, einseitigen Eintrag von Gasblasen und die dadurch entstandene Dichtedifferenz. Bei Rohrreaktoren entsteht jedoch ein Nachteil. Ein großes Problem ist die erhöhte Sauerstoffkonzentration und ein niedrige Kohlendioxidkonzentration am Ende, wodurch die Produktivität eingeschränkt wird.

Blasensäulenphotoreaktor

Der Blasensäulenreaktor besteht meistens aus einem zylindrischen Gefäß, welches aus lichtdurchlässigem Material gefertigt ist. Die Bauweise wird, wie bei allen anderen Photobioreaktoren, durch die notwendige Lichtintensität beeinflusst. Zurzeit werden diese Typen von Reaktoren mit einem Durchmesser von maximal 20 cm bis 30 cm und einer, durch statische Gründe begrenzten, Höhe von 4 m gefertigt. Ein größerer Durchmesser würde zur Folge haben, dass der Reaktor nicht stark genug durchleuchtet wäre, was eine Verringerung der Produktivität und CO2-Aufnahme zur Folge hätte.

Ein weiterer Vorteil ergibt sich im Vergleich zu Blasensäulenreaktoren, die in der biologischen und chemischen Industrie zum Einsatz kommen. Im Fall der Algen-Photobioreaktoren sorgt die aufsteigende Blasensäule für eine ausreichende Durchmischung des Algenmediums, im Gegenzug zu den oben genannten gebräuchlichen Einsatzgebieten, bei denen ein integriertes Rührorgan in Form von Propellerrührer für die nötige Turbulenz sorgt. Der eigentliche Vorteil ergibt sich aus der schonenden Durchmischung, das heißt dass auftretende Scherkräfte, die den Algen schaden können, bei der Blasensäule sehr klein sind im Vergleich zum Durchmischen mit Hilfe von schnelllaufenden Rührern.

Forschungen im Bereich der optimierten Lichtversorgung bei Algenreaktoren brachten einige forschende Wissenschaftler auf das Prinzip, das Licht mit Hilfe von, auf dem Dach montierten, Lichtsammeltrichtern zu „bündeln“ und mit Lichtleitfasern, die in das Reaktorfluid des Blasensäulenreaktors hineinragen, auszuleuchten. Mit Hilfe dieser Methode können sich durchaus Blasensäulenreaktoren mit größeren Durchmessern realisieren lassen.

Nachteile

Die größten Nachteile von Algenreaktoren zur nachhaltigen Energieerzeugung sind derzeit deren hohe Investitions- und Betriebskosten. Nach[8][9] beträgt die CO2-Bindung beziehungsweise Energieerzeugung pro Fläche das 200-fache eines Buchenwaldes und das 20-fache einer Maiskultur, sodass sich der Nachteil relativiert.

Ein Nachteil von Algenreaktoren ist weiterhin der ständige Bedarf an Dünger (hier Ammoniumphosphat), das aus Phosphorsäure und Ammoniak hergestellt wird. Der Ammoniak entstammt in der Regel aus dem Haber-Bosch-Verfahren, der Wasserstoff aus der Dampfreformierung verwendet, sodass auch die Herstellung von Biomasse aus Algenreaktoren derzeit noch Rohöl benötigt. Dieser Nachteil kann allerdings entfallen:

  • wenn Abwasser verwendet wird[10] (Der Stickstoffeintrag in Gewässer aus Klärwerken stellt ohnehin ein Problem dar.)

Literatur

  • Acien Fernandez, F. G., Fernandez Sevilla, J. M., Sanchez Perez, J. A., Molina Grima, E. und Christi, Y. (2001) Airlift-driven external-loop tubular photobioreactors for outdoor production of microalgae: assessment of design and performance. Chemical Engineering Science 56, 2721-2732.
  • Borowitzka, M. A. (1999) Commercial production of microalgae: ponds, tanks, tubes and fermenters. Journal of Biotechnology 70, 313-321.
  • Carlsson, A. S., Van Beilen, J. B., Möller, R. und Clayton, D. (2007). Micro- and Macro-Algae: Utility for industrial applications. D. Bowles, University of New York.
  • Chisti, Y. (2007) Biodiesel from microalgae. Biotechnology Advances 25, 294-306.

Einzelnachweise

  1. Springer: Scinexx das Wissensmagazin
  2. Buch der Synergie
  3. Umweltbundesamt
  4. http://www.heise.de/tp/blogs/2/99002 (Telepolis e-news) Die Angaben differieren stark zur nächsten Quelle!
  5. http://www1.ndr.de/nachrichten/bioenergiehintergrund2.html NDR Nachrichten
  6. http://www.heise.de/tp/blogs/2/99002 (Telepolis e-news) 7600 t Öl + 4100 t Ethanol pro km2
  7. http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/32064/
  8. http://www.materialsgate.de/mnews/mn-2892.html Algenreaktor schluckt CO2
  9. http://www.biolab-bw.de/fileadmin/downloadpool/pdf/BioLab_News_10.pdf Biolab Baden-Württemberg
  10. Prechtl, Stephan; Jung, Rolf. Cost effective wastewater treatment with an algae reactor. GWF, Wasser/Abwasser (2002), 143(12), 872-877.