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User:Tomcat7/Sandbox18

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Charley Patton, auch Charlie Patton geschrieben, (* April (?) 1891 bei Bolton, Mississippi, USA, † 28. April 1934 in Indianola, Mississippi) war ein US-amerikanischer Bluesmusiker. Er gilt als „Vater des Delta Blues“ und war der erste Star des noch jungen Genres. 380px|right

Leben

Kindheit und Jugend

thumb|280px|Die Dockery Plantation 2005 Patton wurde als das drittälteste Kind von Bill und Annie Patton höchstwahrscheinlich im April 1891 bei Bolton, Mississippi geboren und hatte elf Geschwister, von denen acht bereits während Kindheit und Jugend starben. Die Familie war gemischt indianisch-afroamerikanisch-weißer Herkunft.

Sam Chatmon nahm für sich in Anspruch, der leibliche Bruder von Patton zu sein und verwies darauf, daß sein Vater Henderson Chatmon Anfang der 1890er Jahre ein Verhältnis mit Annie Patton hatte. Höchstwahrscheinlich war wohl einer der Söhne der Pattons tatsächlich ein Kind von Henderson Chatmon, welcher der drei es aber war, läßt sich nicht mehr definitiv entscheiden. Die Tatsache, daß William „Will C.“ Patton (*1895) in den Zensus-Unterlagen von 1900 nicht als Kind der Pattons aufgeführt ist, läßt jedoch den Schluß zu, daß Bill Patton ihn als illegitimen Sohn nicht angab und weist so von Charley Patton weg.

Zwischen 1901 und 1904 zog Bill Patton mit seiner Familie (nach einem kurzen Intermezzo nahe Edwards Mitte der 90er Jahre) wegen der erheblich besseren Verdienstmöglichkeiten auf die Dockery Plantation bei Ruleville im Mississippi-Delta, das zu dieser Zeit urbar gemacht wurde. Die Plantage war über sechzig Quadratkilometer groß, beschäftigte mehrere hundert Arbeiter, die mit ihren Familien auf dem Gelände lebten und verfügte über eine eigene, dorfähnliche Infrastruktur, es gab unter anderem einen Kurzwarenladen, ein Möbelgeschäft, eine Kirche, einen Friedhof und selbst einen Bahnhof. Dort brachte der arbeitsame Bill Patton es zu relativem Wohlstand, der für Charley auch bedeutete, dass der Vater ihm eine - für seine Zeit und soziale Stellung - gute Erziehung ermöglichte, er besuchte die Schule bis in die neunte Klasse.

Zusätzlich zur schulischen Erziehung legte der Vater, selbst Ältester der baptistischen Kirche der Dockery Plantation, auch Wert auf eine solide religiöse Bildung seiner Kinder. Charley Patton besuchte regelmäßig die Sonntagsschule, war bibelfest und hielt gelegentlich Laienpredigten. Diese religiöse Ausbildung hat Patton stark geprägt. Zeit seines Lebens fühlte er sich zum Beruf des Predigers hingezogen und auch in seinem Repertoire spielten religiöse Themen eine gewichtige Rolle.

Patton begann bereits mit dem siebten Lebensjahr auf Gitarren zu spielen und musste sich seine Liebe zur Musik erst gegen den frommen Vater erkämpfen, der sie ihm sogar durch Auspeitschen mit einer Bullenpeitsche auszutreiben suchte (Tanzmusik galt als sündig bei vielen Baptisten), letztlich aber nachgab und Charley um 1905 seine erste eigene Gitarre schenkte. Auf der Dockery Plantation begegnete er dann Henry Sloan, dem frühesten (namentlich) bekannten Bluesmusiker, dessen Schüler er wurde und den er mehrere Jahre bei Auftritten als zweiter Gitarrist begleitete. Ein weiterer Lehrer von Patton war Earl Harris, dessen Einfluß auf Patton sich aber nicht genau bestimmen läßt.

Patton spielte gelegentlich auch Square Dance, Walzer, Ragtime und Minstrel mit den Chatmon Brothers, die später als The Mississippi Sheiks großen Erfolg hatten. 1906, als knapp Fünfzehnjähriger, verließ er sein Elternhaus, vermutlich trugen drastische Differenzen und Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem Bruder Willie dazu bei.

Karrierebeginn

Ungefähr ab 1907 war Patton als Musiker aktiv, Ernest Brown berichtet, daß er in den folgenden vier Jahren allmählich eine lokale Bekanntheit wurde. Interessant ist auch seine Äußerung, daß Patton bereits „die selbe Art von Musik spielte, wie zu der Zeit, als er aufnahm“ („He playin' the same kind of music like he did when he put out them records.“) [1]. Die ältesten Kompositionen seines (aufgenommenen) Repertoires datieren in diese Zeit zurück (Pony Blues, Banty Rooster Blues, Mississippi Bo Weavil Blues, Down The Dirt Road), 1910 hatte er schon fast alle der Stücke komponiert, die er bei seiner ersten Aufnahmesitzung 1929 einspielen sollte. Um 1912 hielt er sich viel in der Kleinstadt Drew auf, wo er auf zahlreiche weitere Musiker traf, die später bekannt werden sollten (Howlin' Wolf, Willie Brown, Tommy Johnson, Roebucks Staples). Fahey verortet hier den Beginn seines massiven Einflusses auf den sich konstituierenden Delta Blues [2]. Wenige Jahre später erschoß ein schwarzer US-Soldat in Drew einen Weißen, wodurch sich das Klima für die Musiker rapide verschlechterte und sie letztlich die Stadt verlassen mussten. Dieser Auszug der von Patton unmittelbar beeinflussten Musiker führte dazu, daß der von ihm entscheidend mitgeprägte Stil sich weit in Mississippi verbreitete.

1916 bot ihm W.C. Handy den Eintritt in seine Band an, was er aber ausschlug, da er keine Noten lesen konnte. Während einer Musterung auf seine Tauglichkeit für den Einsatz als Soldat im Ersten Weltkrieg erfuhr er, dass er einen Herzfehler hatte (Mitralstenose) und wurde vom Kriegsdienst freigestellt. Im Laufe der 20er Jahre wurde er im Süden der USA ein weithin bekannter und beliebter Solomusiker, der - im Unterschied zu seinen wandernden Kollegen - bereits für Auftritte gebucht und bezahlt wurde. Patton spielte auf in Juke Joints, vor Geschäften, auf House parties (eine private Wohnung oder ein Haus, das für eine Nacht in einen Juke Joint verwandelt wurde) und bei Picknicks, die weiße Farmer gelegentlich für ihre schwarzen Angestellten veranstalteten, anfangs seiner Karriere manchmal auch für Medicine shows, auf Geburtstagen und Hochzeiten.

Die erste Aufnahmesession

right 1929 hatte der Talentscout H.C. Speir, vermutlich durch Bo Carter, von ihm gehört, suchte ihn auf und versuchte ihn, nach einer ersten Probeaufnahme, an Victor Records zu vermitteln. Victor zeigten sich aber uninteressiert an Patton und so vermittelte Speir ihn dann für 150 Dollar Kommission an Paramount Records, die Patton zu seiner ersten Aufnahmesession nach Richmond, Indiana einluden. Sämtliche am 14. (und 15. ?) Juni dort aufgenommenen vierzehn Stücke erschienen innerhalb der kommenden Monate bei Paramount, als Debüt wurde eines der ältesten Stücke seines Repertoires veröffentlicht, der über zwanzig Jahre alte „Pony Blues“. Er sollte sein größter Verkaufserfolg werden. Pattons zweite Platte, „Screamin' And Hollerin' The Blues/Mississippi Bo Weavil Blues“, wurde als Werbegag unter dem Pseudonym „The Masked Marvel“ („Das maskierte Wunder“) veröffentlicht, wer Pattons Identität erriet, konnte eine Gratisplatte aus dem Sortiment von Paramount gewinnen.

Zu dieser Session reiste Patton gemeinsam mit Buddy Boy Hawkins an, der ebenfalls dort aufnahm, auf einem der Stücke, die Hawkins einspielte („Snatch It And Grab It“) ist Patton singend und rufend im Hintergrund zu hören.

Die zweite Aufnahmesession

Da sich Pattons erste Aufnahmen ausgesprochen gut verkauft hatten, wurde er von Paramount bereits im November/Dezember 1929 zu weiteren Aufnahmen geholt, diesmal in Grafton, Wisconsin. Er kam in Begleitung des Multiinstrumentalisten Henry Sims, der kein Bluesmusiker war, den er aber seit seiner Jugend kannte und an Paramount vermittelt hatte [3]. Patton nahm vierundzwanzig Stücke auf, auf sechsen wird er dabei von Sims an der Fiddle begleitet, im Gegenzug ist er als Gitarrist auf Sims' vier aufgenommenen Stücken zu hören.

Die - verglichen mit anderen zeitgenössischen Bluesmusikern - hohe Anzahl aufgenommener Stücke verdeutlicht zum einen seine Professionalität (normalerweise wurden an einem Tag nur rund vier bis acht Stücke eines Musikers aufgenommen, ein Durchschnitt, den Patton in diesen Sessions weit übertraf) und zum anderen die herausragende Stellung, die er im Portfolio von Paramount einnahm, eine so hohe Anzahl von Einspielungen eines Künstlers in so kurzer Zeit war absolut ungewöhnlich. Mit dem Tod von Blind Lemon Jefferson im Dezember 1929 wurde Patton schlußendlich zum prominentesten und efolgreichsten Künstler von Paramount.

Die dritte Aufnahmesession

Pattons dritte Aufnahmesession fand im August 1930 statt und dauerte vier bis sechs Tage. Sie war die letzte für Paramount Records, die aufgrund der Weltwirtschaftskrise und dem dadurch verursachten Mangel an Käufern für ihre Platten bereits in finanziellen Schwierigkeiten steckten und zwei Jahre später schließen mussten. Zugleich ist es Pattons "kleinste" Session gewesen, er selbst nahm nur vier Stücke dort auf, auf denen er von Willie Brown als zweitem Gitarristen begleitet wird und die vielfach zu seinen besten Aufnahmen überhaupt gezählt werden (die geringe Anzahl der Aufnahmen lag wohl darin begründet, daß Paramount im Rahmen dieser Sitzung Patton vor allem für ein weiteres Jahr vertraglich an sich binden wollten). Zu dieser hatte Patton nach Aufforderung durch Art Laibley, dem Aufnahmeleiter bei Paramount [4], weitere Musiker mitgebracht, die alle ebenfalls Gelegenheit bekamen, Aufnahmen zu machen (wofür Patton 100 Dollar erhielt). So konnte Son House seine ersten (und für Jahrzehnte einzigen) Aufnahmen machen, ebenso wie Willie Brown (der nach seinen vier Stücken nie wieder aufnahm). Weitere, weniger bekannte Künstler, die Patton mitbrachte, waren die Sängerin und Pianistin Louise Johnson (eine kurzzeitige Geliebte von Patton, die ebenfalls vier Stücke einspielte) sowie die a cappella-Gospelgruppe Delta Big Four.

Karriereeinbruch

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise breitete sich unter der afro-amerikanischen Bevölkerung zunehmend Armut aus, die nur wenig Geld für Freizeitvergnügen und Schallplatten ließ. Patton bekam vorerst keine weiteren Aufnahmegelegenheiten und gab zeitweise Gitarrenunterricht. Bemerkenswerterweise spielte er häufiger als je zuvor vor weißem Publikum, das zum einen noch eher über finanzielle Mittel für Festivitäten jeder Art verfügte und unter dem er in den letzten Jahren seines Lebens zunehmend an Popularität gewann.

Letzte Aufnahmesession und Tod

1933 hatte sich die amerikanische Schallplattenindustrie wieder einigermaßen von der Krise erholt und der ohne Plattenfirma dastehende Patton bekam im Januar 1934 von der American Record Company einen Vertrag angeboten. Patton reiste daher mit seiner damaligen Lebensgefährtin Bertha Lee zu seinen letzten Aufnahmen vom 30. Januar bis zum 1. Februar nach New York und spielte dort, teils gemeinsam mit Bertha, 29 Titel ein, von denen jedoch nur zwölf in den folgenden Jahren bei Vocalion Records erschienen, da sie sich zum nicht besonders gut verkauften, seine letzte (posthume) Veröffentlichung war Hang It On The Wall, erschienen knapp ein Jahr nach seinem Tod. Die Master der unveröffentlichten siebzehn Stücke blieben nicht erhalten und sind verloren.

Die Aufnahmen dieser letzten Session sind hörbar von Pattons schlechter Gesundheit überschattet. Er war erkältet und seine Stimme war angegriffen (1933 hatte in Holly Ridge ein Zuhörer, der den Text eines Songs von Patton als Anbandelungsversuch mit seiner Partnerin verstand, versucht ihm die Kehle durchzuschneiden. Patton überlebte nur knapp, behielt aber eine große Narbe an der Kehle zurück.). Darüber hinaus hatte Patton bereits kurz vor seiner Reise nach New York starke Herzprobleme gehabt, trat jedoch dessen ungeachtet die Reise an.

Don't the moon look pretty,

Shinin' down through the tree?
I can see Bertha Lee,
But she can't see me.

Sieht der Mond nicht hübsch aus,

Wie er durch den Baum herab scheint?
Ich kann Bertha Lee sehen,
Doch sie kann mich nicht sehen.

Gelegentlich ist seine Stimme kurzatmig und brüchig, sein Spiel deutlich weniger kraftvoll als zuvor, die Stücke ruhiger, introvertierter und ernster angelegt. In manchen Stücken scheint Patton mit dem Leben, das er bisher so wild besang, eher abschließen zu wollen, Zeilen wie „Oh Death / I know my time ain't long“ (Oh Death) oder auch Strophen aus Poor Me scheinen anzudeuten, daß Patton seinen bevorstehenden Tod ahnte.


Sein unruhiger Lebensstil hatte über die Jahre an Pattons physischen Ressourcen gezehrt, insbesondere an seinem schwachen Herzen, sein starker Alkohol- und Tabakkonsum trugen das ihre dazu bei und es ging ihm gesundheitlich zunehmend schlechter. Rund zwei Monate nach seinen letzten Aufnahmen, am 28. April 1934, starb Patton an Herzversagen. Sein heutiger Grabstein ehrt ihn als „The Voice of the Delta“ („Stimme des Deltas“) und „The foremost performer of early Mississipi Blues, whose songs became cornerstones of American music.“ („Der führende Künstler des frühen Mississippi Blues, dessen Lieder Ecksteine der amerikanischen Musik wurden.“).

Familienverhältnisse

Patton, der als charismatisch und gutaussehend (er war ungefähr 1,70 m groß, wog um die 65 Kilo, hatte hellbraune Haut und lockiges Haar) beschrieben wird und zugleich erfolgreich und relativ wohlhabend war, wirkte nach zeitgenössischen Berichten sehr anziehend auf Frauen. Er hatte zahlreiche Affären, eine ungeklärte Anzahl sogenannter „common-law wifes“ (feste Lebenspartnerinnen, mit denen er jedoch - wie zu dieser Zeit bei schwarzen Paaren häufig - nicht offiziell verheiratet war) und war sechsmal verheiratet. Die Quellenlage diesbezüglich lässt sich jedoch nur als konfus bezeichnen, neben den erwähnten sechs Ehen gab es möglicherweise noch weitere, für mindestens zwei liegen Indizien vor. Seine erste Ehe schloss er 1908 mit Gertrude Lewis, die Ehe war aber sehr kurzlebig, denn noch im selben Jahr heiratete er Millie Bonds (unbelegt), die ihm eine Tochter, Willie Mae, genannt China Lou, gebar. Obwohl die "Ehe" nur wenige Jahre hielt, blieb er mit ihr und China Lou stets weiter in (losem) Kontakt. 1913 heiratete er Dela Scott, 1918 Roxie Morrow (mit der er seine längste Ehe führte), 1922 Minnie Franklin, 1924 Mattie Parker und 1926 Bertha Reed.

Neben China Lou hatte Patton zahlreiche weitere Kinder, zwei Söhne (*1916 bzw. 1918) mit Sallie Hollins, mit Martha Christian eine Tochter Rosetta (*1917) (das letzte noch lebende Kind Pattons[5], laut Geburtsurkunde war sie ehelich geboren, eine Heiratsurkunde existiert jedoch nicht). Nichts weiter weiß man von den zwei Kindern, die aus seiner Ehe mit Bertha Reed hervorgingen, ebenso von einem Jungen, der bereits in früher Kindheit gestorben sein soll.

1929 lernte er seine letzte Frau und gelegentliche Gesangspartnerin Bertha Lee Pate, genannt Bertha Lee, kennen, die damals erst dreizehn war und mit der er seit 1930 in einer zwar temperamentvollen und teils von beiderseitiger Gewalt geprägten, von beiden aber positiv eingeschätzten Beziehung zusammenlebte. Eine besonders harte Auseinandersetzung auf einer house party zwischen beiden führte sogar zu einer kurzen Haft für beide im Gefängnis von Belzoni (die Geschichte verarbeitete er im „High Sheriff Blues“). 1933 zog er mit ihr in Holly Ridge, Mississippi zusammen, sie blieben bis zu seinem Tod beieinander.

Persönlichkeit

Patton wird in Berichten von Verwandten und Zeitgenossen als im allgemeinen humorvoll bis zur Albernheit, aber distanziert, auf seinen Vorteil bedacht, stur und streitsüchtig dargestellt. Unter Alkoholeinfluß (Patton trank viel und häufig) scheinen sich diese Charakterzüge ins Extreme gesteigert zu haben, sein Humor würde ätzend und gemein und obwohl er in aller Regel keine körperlichen Auseinandersetzungen provozierte, ging er ihnen auch nicht aus dem Weg.

Patton ging keine besonders engen Beziehungen ein, in seinen wenigen Freundschaften hielt er stets eine gewisse Distanz und wurde nur selten privat, seine Partnerschaften (s.o.) waren offensichtlich meist flüchtiger Natur und ohne grosse emotionale Tiefe. Zu seinen Partnerinnen verhielt er sich herablassend und geringschätzig in Worten wie Taten, manche beutete er in finanzieller Hinsicht aus, immer wieder kam es seinerseits auch zu - teils extremer - häuslicher Gewalt.

Anderen Musikern gegenüber verhielt er sich ebenfalls relativ abweisend und distanziert. Hatte er getrunken, so begann er bei Auftritten anderer Musiker häufiger, diese durch ständige, scheinbar anfeuernde Zwischenrufe zu stören und zu irritieren. Während der Aufnahmesession von Louise Johnson im August 1930 tat er dies sogar im Studio, gemeinsam mit Son House, deutlich zu hören ist in der vierten Strophe von „Long Way From Home“, wie Johnson dann aufgrund der ständigen Unterbrechungen ins Stottern gerät.

Patton war kein seßhafter Mensch, er hat häufig in seinem Leben den Wohnort gewechselt, blieb aber (von zwei Aufenthalten in Arkansas Anfang der 1910er Jahre und Memphis Anfang der 1930er abgesehen) immer im erweiterten Umfeld der Dockery Plantation oder seines Geburtsorts, die seine Lebensmittelpunkte darstellten. Seine Reisen führten ihn zu zahlreichen Orten in Mississippi und den Nachbarstaaten, gelegentlich aber auch weiter von zu Hause fort (darunter nach Milwaukee, Chicago, St. Louis und Albany).

Während seines gesamten erwachsenen Lebens hat Patton ausschließlich als Musiker gearbeitet und körperliche Arbeit gemieden. Sein Musikerdasein machte ihn dabei frei von jeder Fremdbestimmung und erwies sich zugleich als ausgesprochen einträglich. Durch die Häufigkeit seiner Auftritte und seinen Ruhm war er zu seiner Hochzeit wohl der einzige Deltabluesmusiker, der ausgesprochen gut allein von seiner Musik leben konnte, Hochrechnungen beziffern allein sein Einkommen aus den Aufnahmen für 1929 als fast auf dem Niveau eines amerikanischen Collegeprofessors ($2850 zu $3150) [6]. Patton besaß ein Auto, mehrere Gitarren, trug stets Anzüge und war in der Lage seine Familie finanziell zu unterstützen. Seine Bekanntheit und Beliebtheit war dabei nicht allein auf ein schwarzes Publikum beschränkt, auch in der weißen Bevölkerung war sein Name ein Begriff, gelegentlich spielte er mit weißen Musikern zusammen und trat vor weißem Publikum auf, in seinen letzten Lebensjahren stellten sie die Mehrheit seines Publikums.

Werk

Pattons erhaltenes Solowerk besteht aus etwas über fünfzig Stücken in annähernd sechzig Takes, das in vier Aufnahmesessions zwischen 1929 und 1934 entstand, knapp über vierzig Stücke davon, das Äquivalent zu gut drei LPs, wurden innerhalb nur eines Jahres, 1929/1930, aufgenommen. Kein Blues-Musiker vor ihm hat ein so umfangreiches Werk hinterlassen. Daneben begleitete Patton auch andere Musiker bei ihren Aufnahmen, dieser Teil seines Werkes umfasst zusätzlich noch einmal 10 bis 20 Stücke.

Sein Repertoire war jedoch noch erheblich grösser und umfasste dabei (unüblicherweise) nicht allein Blues-Stücke, sondern auch Ragtimes, religiöse Lieder, Folkstücke weißer wie schwarzer Herkunft und populäre Musik der Zeit, damit stand Patton in der Tradition der sogenannten Songster der Jahrhundertwende. Abgesehen von religiösen Stücken ist dieses Material von ihm jedoch kaum aufgenommen worden und bleibt einer weitergehenden Untersuchung damit entzogen.

Alle überlieferten Aufnahmen sind unbeeinflußt geblieben von gestaltenden Eingriffen durch die Plattenfirmen. Dies lag im wesentlichen am grundlegenden Unverständnis der weißen Angestellten der Plattenfirmen gegenüber dem als primitiv empfundenen Blues, in der Regel wurde einfach aufgezeichnet, veröffentlicht und verkauft, was der Musiker anbot und auf Erfolg gehofft, eine gezielte Marktstrategie existierte nicht. So oblag die kreative Kontrolle vollkommen dem Künstler selbst, was dem heutigen Hörer erlaubt, einen annähernd unverstellten Blick auf das Werk Pattons zu werfen.

Einflüsse

Zu den Einflüssen auf Pattons Werk kann nur wenig gesagt werden, da er stilistisch bereits weit vor 1910 gefestigt war, somit selbst zu den frühesten überhaupt aufgenommenen Blueskünstlern überhaupt zählt und Vergleiche mit vorhergehenden Musikergenerationen daher kaum möglich sind. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften seine wichtigsten Lehrer, Henry Sloan und Earl Harris, sein Spiel geprägt haben. Bekannt ist, dass er mit dem Aufkommen der ersten Bluesschallplatten ab 1923 / 1924 den Markt sehr genau verfolgte und sich bei Neukompositionen an erfolgreichen Stücken orientierte, so adaptierte er z.B. Ma Raineys „Booze and Blues“ von 1924 als „Tom Rushen Blues“, den Text von Ardelle Braggs „Bird Nest Blues“ verwandte er in veränderter Form in „Bird Nest Bound und benutzte den „Cryin' Blues“ von Hound Head Henry als Grundlage für sein „Poor Me“, ebenso wie „Sittin' On Top Of The World“ der Mississippi Sheiks seinem „Some Summer Day“ als Vorlage diente. Seine Bewunderung, wohl auch ob seines beträchtlichen Erfolges, galt darüber hinaus dem äußerst erfolgreichen Pionier des Country Blues auf Schallplatte, Blind Lemon Jefferson.

Texte

right Im Allgemeinen werden die Texte von Patton als das schwächste Element seines Werkes gewertet. John Fahey bezeichnete seine Texte als häufig geprägt von „Unverbundenheit, Zusammenhanglosigkeit und offensichtlicher 'Irrationalität'“ („disconnection, incoherence, and apparent 'irrationality'”) [7], konstatierte „strophische Vereinzelung“ („stanzaic disjunction“) [8] und resümierte, dass in ihnen „verschiedenste unzusammenhängende Teile des Universums per Zufall dargestellt“ würden („various unrelated portions of the universe are described at random“) [9], merkt jedoch auch an, das solche textliche Zusammenhanglosigkeit ein typischer Zug des Country Blues an sich gewesen sei [10]. David Evans führt dies darauf zurück, daß Pattons Texte (wie seine Stücke insgesamt) in sich nicht feststehend gewesen seien, sondern anhand einiger weniger Schlüsselzeilen meist traditioneller Herkunft und einer inhaltlichen Grundidee jeweils spontan während des Spiels improvisiert wurden.

right In Pattons Texten gibt es zwei Schwerpunkte: In einem großen Teil spiegelt sich das Leben Pattons wieder, in manchen Fällen geht dies soweit, daß die Texte regelrecht autobiographischen Charakter aufweisen. Sie sind individualistisch, eng an alltägliche Erfahrungen gebunden, boten so dem zeitgenössischen Zuhörer die Möglichkeit zur Identifikation und sind aus heutiger Perspektive wertvolle Zeitdokumente schwarzer Alltagsgeschichte. Immer wiederkehrende Topoi darin sind sein Umherreisen und Frauen. Ein weiterer Schwerpunkt sind Stücke, in denen Pattons tiefe Religiösität zum Ausdruck kommt, wie I'm Goin Home, Jesus Is A Dying Bed-Maker, Lord I'm Discouraged und insbesondere das - aus Glaubwürdigkeitsgründen unter dem Pseudonym Elder J.J. Hadley veröffentlichte - doppelseitige Prayer Of Death. Zwar machen die religiösen Stücke nur rund ein Viertel bis ein Drittel seines Werkes aus, aber auch in vielen der weltlichen Stücke finden sich religiöse Elemente, von kurzen Anspielungen bis hin zu ganzen Strophen. Die Texte wahren dabei aber auch immer den Charakter einer Unterhaltungsmusik, Anspielungen auf soziale Missstände sind ausgesprochen selten und bleiben stets auf persönliche Erfahrungen Pattons beschränkt, politische Texte, wie zum Beispiel Kritik am Rassismus, fehlen vollständig (es hätte Patton auch nicht gut getan, solche Anspielungen zu machen, da die weiße Bevölkerung so etwas sehr schnell äußerst hart abstrafte).

Sein Gesangsstil führte dazu, dass die Texte oft nur fragmentarisch verständlich waren, auch unter Live-Bedingungen. Bis heute sind daher viele der Texte seiner Stücke nicht komplett verstanden oder werden unterschiedlich gedeutet, verstärkt wird dies durch die schlechte Qualität der erhaltenen Aufnahmen (was nicht allein auf den Verschleiß der Jahrzehnte zurückzuführen ist, die Firma Paramount verwandte ab Ende der 20er Jahre auch ein ausgesprochen minderwertiges Material zum Pressen von Platten).

Musik

Patton spielte ausschließlich in den offenen Stimmungen E (Vastapol) und G (Spanish) und hatte einen extrem perkussiven Gitarrenstil. Sein Bottleneck-Spiel etablierte diesen Stil als festen Bestandteil des Repertoires des Delta-Blues. Bei Auftritten verwandte er gelegentlich den Korpus der Gitarre auch als reines Perkussionsinstrument. Patton war ein durchaus virtuoser Gitarrist, seine Mittel waren jedoch auf das für sein Repertoire Notwendige begrenzt. So beherrschte er das sogenannte Fingerpicking zwar hervorragend, konnte aber keine Akkorde spielen, auch Notenlesen konnte er nicht. Sein Tempo war so hoch, daß selbst so ein technisch versierter sideman wie Willie Brown sich gelegentlich darüber beklagte [11]. Weitere Instrumente beherrschte er jedoch nicht, vor 1916 hatte er sich erfolglos bemüht, das Geigenspiel zu erlernen.

Patton sang er mit einer heiseren, knurrenden, doch überraschend voluminösen Baritonstimme, die über eine Oktave umspannte (gut hörbar in Pony Blues) und der man nachsagte, sie trüge unverstärkt 500 Yards weit. Sleepy John Estes nannte sie „die lauteste Stimme, die ich je gehört habe“ und David Edwards sagte von ihr, sie brächte Häuser zum Einsturz („He broke them country houses down“) [12].

Während er spielte, stampfte er rhythmisch mit seinen Füßen auf das Holz des Bodens und legte dabei das volle Gewicht seiner Beine in die Tritte, verstärkt durch metallene Nägel unter seinen Schuhen. So erzielte er laut Richard Harney eine Lautstärke, "als würden fünf oder sechs Leute aufstampfen" („like it's five or six people in there stompin'“) [13].

Lautstärke war ein wesentlicher Faktor für den Erfolg, da sein Publikum bis zu mehreren hundert Leuten umfassen konnte [14] und in den Juke Joints bereits ein hoher Lautstärkepegel vorherrschte, ein Musiker war daher gezwungen, sich mittels seiner Lautstärke durchzusetzen.

Livepräsentation

Bemerkenswert war Pattons Showmanship, die er exzessiv betrieb und gelegentlich zu Irritationen bei Zuhörern führte. Während er (wie damals üblich) auf einem Stuhl saß, schlug er die Saiten und den Korpus der Gitarre mit Fäusten und Händen, warf sie in die Luft und fing sie -während sein Begleiter den Takt hielt- rechtzeitig zum Wiedereinstieg, spielte sie hinter seinem Kopf, zwischen den Knien, unter den Beinen oder auf dem Rücken. Diese Einlagen waren traditionell bereits im 19. Jahrhundert in Minstrelshows zu finden und galten um 1910 eigentlich als bereits überholt. Als Entertainer war Patton auch bereit, dieser Show musikalische Opfer zu bringen, eine von John Fahey überlieferte Anekdote schildert dies sehr plastisch: als er Son House, der Patton unzählige Male hatte spielen hören und selbst bei Aufnahmesessions dabei war, 1965 Platten von Patton vorspielte, war dieser von der Qualität seines Spiels überrascht: „Ich habe nicht gewußt, daß er so gut spielen konnte.“ („I never knew he could play that good.“). Das Erlebte hatte hier das Gehörte überlagert [15].

Rezeption

Zeitgenössische Rezeption

Patton war der einflussreichste Künstler zur Hochzeit des Deltablues, zu seinen Schülern, Bewunderern und Begleitern zählten zahlreiche bedeutende Bluesmusiker, daneben gab es auch eine Handvoll Patton-Imitatoren, die vor allem in Regionen spielten, in denen Patton selbst nur selten oder nie auftrat. Howlin' Wolf, den ein Auftritt Pattons anregte, selbst Blues zu spielen, hatte bei ihm Gitarrenstunden, trat Anfang der 1930er als Patton-Imitator auf und orientierte sich auch später gesanglich noch stark an ihm. Son House verdankte Patton seine ersten Plattenaufnahmen; Bukka White sagte, bereits als Kind sei sein Ziel gewesen, „einst ein berühmter Mann zu werden, wie Charley Patton“ („to come to be a famous man, like Charley Patton“). Auch Willie Brown, der mit ihm befreundet und von 1915 an bis zu seinem Tod sein wichtigster sideman war, lernte viel von ihm. Ebenso beeinflußte er Tommy Johnson (der zwei seiner Stücke coverte), Big Joe Williams und Roebuck „Pops“ Staples sowie viele Bluesmusiker der zweiten Garnitur, wie z.B. Booker Miller, Kid Bailey, Buddy Boy Hawkins oder David Honeyboy Edwards. Auch der junge Robert Johnson, der Johnny Shines gegenüber Patton als Inspiration angab und als Patton-Imitator begann, hielt sich um 1930 viel im Umfeld von Patton auf, erhielt aber keinen Zuspruch, da man ihn ihn für einen passablen Bluesharpspieler, aber einen schlechten Gitarristen hielt (ein Urteil, das nach Johnsons berühmtem Wanderjahr durch Brown und House allerdings revidiert wurde). Durch Pattons Ruhm wurde die Dockery Plantation ein Treffpunkt all dieser Musiker und so berühmt als die "Geburtsstätte des Delta Blues".

Aber nicht nur Pattons Einfluss auf andere Musiker war zu seiner Zeit im Blues ohne Vergleich, auch sein Status beim Publikum war einzigartig. Vor Patton waren Musiker im Delta halbanonyme Dienstleister ohne speziellen, individuellen Status, sie spielten - ähnlich heutigen Alleinunterhaltern - auf, ohne daß nach ihrem Namen gefragt wurde. Patton hingegen erwarb sich während seiner Karriere einen Ruf, der (wie zahlreiche Berichte von Zeitgenossen bezeugen), dazu führte, daß das Publikum wegen ihm allein bereits zu einer Veranstaltung kam.

1947 (und ohne Angabe von Patton als Urheber) nahm der Country-Musiker Hank Williams Pattons Stück „Going to Move to Alabama“ unter dem Titel „Move It on Over“ auf und erreichte damit seinen ersten landesweiten Erfolg, Williams' Stück erreichte Platz 4 in den Billboard Country Singles-Charts, ihm wird gemeinhin ein starker Einfluss auf den entstehenden Rock'n'Roll zugeschrieben.

Wiederentdeckung

right Wie bei fast allen Country- bzw. Delta Blues-Interpreten wurde auch Pattons Werk erst spät wiederentdeckt. Trotz der Veröffentlichung von zwei Compilations in den 60er Jahren wurde insbesondere sein außerordentlicher Einfluss auf nachfolgende Blueskünstler lange Zeit wenig gewürdigt. Vor allem der lange Schatten des "Mythos" Robert Johnson, der in der Rezeption des weißen Publikums einen ungleich höheren Rang einnahm, verstellte lange Zeit den Blick auf Patton. Zwar wurde er bereits anlässlich ihrer Gründung 1980 in die Blues Hall of Fame aufgenommen, seine Bedeutung wurde außerhalb von Fachkreisen allerdings erst mit dem Erscheinen erster Werkausgaben Anfang der 90er Jahre zunehmend erkannt. 2001 veröffentlichte das amerikanische Kleinlabel Revenant nach mehrjähriger Arbeit eine ausführliche Gesamtausgabe all seiner Aufnahmen inklusive zuvor unveröffentlichter Stücke und zwei umfangreicher Materialbände zu Leben und Werk. Die von der Kritik hochgelobte Ausgabe („It truly is the last word, and one of the most impressively packaged box sets in all of popular music.“, dt. „Das ist wahrlich das letzte Wort und eines der am beeindruckendsten gepackten Box-Sets in der gesamten populären Musik.“ [16]) wurde 2003 mit drei Grammys ausgezeichnet (Best Album Notes, Best Boxed Or Special Limited Edition Package, Best Historical Album). Originale 78er von Patton werden auf Auktionen für Preise zwischen 400 und 7500 Dollar gehandelt. [17]

Bob Dylan äußerte sich über Patton mit den Worten „Wenn ich nur zu meinem eigenen Vergnügen Platten aufnähme, dann würde ich nur Charley Patton-Songs aufnehmen.“ und widmete ihm 2001 das Stück „High Water (For Charlie Patton)“. Aber auch Chris Rea beruft sich auf ihn. In einem Interview beschrieb er sein Schlüsselerlebnis „... da hörte ich zum ersten Mal Charley Patton. Es war eine Art spirituelles Erlebnis für mich. Ich war absolut gefangen davon, wie er sang, spielte und diese spezielle Emotion vermittelte. Ich hatte bis dahin nicht Gitarre gespielt [...] Diese Episode veränderte mein gesamtes Leben!“.[18]

Forschung

Die Forschung über Patton leidet - typisch für den Blues der Vorkriegszeit - darunter, daß es so gut wie keine schriftlichen Quellen über ihn gibt und ebensowenige Selbstzeugnisse. Fast alles, was man über Patton weiß, entstammt entweder seinem Werk (wo Interpretationen stets mit der Möglichkeit des literarischen Ichs konfrontiert sind) oder den Aussagen von Menschen aus seinem Umfeld, die üblicherweise erst in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren interviewt wurden und deren Verlässlichkeit daher oft gering ist. Ein frappantes Beispiel für solch irreführenden mündlichen Zeugnisse sind die Aussagen von Son House, die lange Zeit die Forschung prägten und in denen House menschlich wie musikalisch ein ausgesprochen negatives Bild von Patton zeichnete.

Während seiner beginnenden Wiederentdeckung in den 1960er Jahren konzentrierte sich die Forschung vor allem auf Pattons Biographie. Ihr Pionier war Bernard Klatzko, der 1964 für den zweiten Teil der Compilation „The immortal Charlie Patton“ einige grundlegende biographische Angaben über Patton versammelt hatte, die das Ergebnis einer Reise in das Mississippi-Delta waren, während der Klatzko Freunde und Verwandte über Patton befragt hatte.

Noch im selben Jahr wurde auch Son House wiederentdeckt, in einem Interview porträtierte er Patton als streitsüchtig, egoistisch, verfressen, trunksüchtig und geizig, nachlässig gegenüber seiner Musik, als einen Analphabeten und Schürzenjäger. In einem das Interview begleitenden Artikel sowie in späteren Veröffentlichungen vertieften die Autoren Gayle Dean Wardlow und Stephen Calt zwar das Bild von Patton als „degenerierten Soziopathen“ [19], revidierten es aber in ihrer ausführlichen Biographie 1988 und vermuteten, daß Son House zunehmend ein aus Mißgunst motiviertes Zerrbild von Patton entwarf [20].

Erst der Musiker, Musikwissenschaftler und Bluesliebhaber John Fahey wandte sich 1970 in seiner Masterthesis neben einer kurzen biographischen Darstellung auch der Untersuchung von Text und Musik in Pattons Werk zu. Er zeichnete Patton als einen reinen Entertainer, dem inhaltlich Tiefe und Empfindsamkeit abgingen, ein Urteil, das er später, in seinem Begleittext zur Gesamtausgabe 2001, allerdings korrigierte. Für die biographischen Daten griff er zwar weitgehend auf bestehendes Material zu, ergänzte es aber durch eigene Forschungen (u.a. Interviews mit Bertha Lee und Sam Chatmon).

Robert Palmer rückte in seinem Buch „Deep Blues“, in das (Patton betreffend) bisher unberücksichtigte Interviews mit Joe Rice Dockery (damals Besitzer der Dockery Plantation), Hayes McMullen, Howlin’ Wolf und Roebuck Staples miteinflossen, das biographische Bild von Patton zurecht, in dem er die inkriminierten Charakterzüge in den sozialen Kontext des Mississippi-Deltas Anfang des Jahrhunderts stellte und deutlich machte, daß Promiskuität, Gewalt und Alkohol feste Bestandteile der Subkultur der Juke Joints waren, Patton mit seinem Verhalten also keinesfalls aus der Rolle fiel.

David Evans korrigierte in seinem biographischen Essay zur Werkausgabe das -seines Erachtens vor allem von den Äußerungen von Son House ausgehend- stark verzerrte persönliche Bild von Patton und ergänzte es um zahlreiche neue Informationen, dabei attestierte er ihm durchaus künstlerische Ernsthaftigkeit und Sensitivität.

Die Gespaltenheit der Forschung in ihrer Sicht auf Patton als Mensch setzt sich in der genauen Einschätzung von Pattons Rang als Musiker fort. Trotz seines Selbstverständnisses als Entertainer und seiner Erfolgsorientiertheit bestreitet (ungeachtet der gelegentlich kritischen Sicht auf Pattons künstlerische Seriösität) keiner der Autoren seine enorme Bedeutung für den Blues, so pries Fahey ihn später mit den Worten „für mich war er der aufregendste Gitarrist und Bluessänger, den ich je gehört hatte.“ („to me he was the most exciting guitar player and blues singer ever heard“, [21]) und Gayle Dean Wardlow bezeichnete ihn als „einen Innovator, den ersten großen Delta-Bluesman“ („an innovator, the first great delta bluesman“) [22]. Diskutiert wird aber die Frage, ob es vor Patton eine Tradition des (Delta)-Blues gegeben habe, aus der sich Pattons Stil organisch entwickelte (Evans, Fahey, Palmer) oder ob Patton diesen Stil regelrecht erfunden habe (Wardlow, Calt, Santelli). Problematisch ist dabei, daß es aus der Musikergeneration vor Patton keine Aufzeichnungen gibt, durch die sich diese Frage gültig entscheiden ließe.

Bildzeugnisse

Von Patton waren lange Zeit nur gezeichnete oder grob gerasterte Darstellungen aus Anzeigen bekannt. All diesen Abbildungen lag offensichtlich stets immer gleiche Bild zugrunde, das nur jeweils mit grafischen Mitteln verändert wurde. So zeigt die Abbildung für die Masked Marvel-Kampagne einen Patton mit Augenbinde, die für den Spoonful Blues eine Restaurantszene, in der Patton am Tisch sitzt, die Anzeige für den 34 Blues zeigte einen auf dem Stuhl sitzenden Mann mit übereinandergeschlagenen Beinen, der eine auf dem Schoß liegende Gitarre hielt. Erst 2003 wurde das Ursprungsfoto all dieser Zeichnungen von John Tefteller, Besitzer einer der größten privaten Bluessammlungen weltweit, entdeckt, in dessen Besitz das Bild bis heute ist [23]. Patton hat dieses Bild selbst machen lassen und beabsichtigte, es auf Ankündigungen für Auftritte einzusetzen, ein sehr professionelles und damals absolut unübliches Vorgehen. Ein weiteres Foto, das Patton im Jahre 1908 als jungen Mann mit Schnäuzer darstellte, erwies sich im Nachhinein als Fälschung [24].

Musikbeispiele

Die folgenden -ungekürzten- Stücke sind im Ogg Vorbis-Format. right

34 Blues A Spoonful Blues
Banty Rooster Blues Bird Nest Bound
Down the Dirt Road Blues Dry Well Blues
Elder Green Blues Going to Move to Alabama
Green River Blues Hammer Blues
High Water Everywhere Part I High Water Everywhere Part II
High Sherriff Blues It Won't Be Long
Mississippi Bo Weavil Blues Moon Going Down
Pony Blues Poor Me
Screamin' and Hollerin' the Blues Shake It and Break It
Some These Days I'll Be Gone Stone Pony Blues
Tom Rushen Blues When Your Way Gets Dark

Diskographie

Originale 78er (in chronologischer Reihenfolge)

Titel Katalognummer Veröffentlichung Anmerkungen
Paramount
Pony Blues/Banty Rooster Blues Paramount 12792 Juli 1929
Prayer Of Death Pt.1/Prayer Of Death Pt. 2 Paramount 12799 Pseudonym als Elder J. Hadley
Screamin' And Hollerin' The Blues/Mississippi Bo Weavil Blues Paramount 12805 ztw. pseudonym als The Masked Marvel
Down The Dirt Road Blues/It Won't Be Long Paramount 12854
A Spoonful Blues/Shake It And Break It But Don't Let It Fall Mama Paramount 12869
Pea Vine Blues/Tom Rushen Blues Paramount 12877
Lord I'm Discouraged/I'm Going Home Paramount 12883
High Water Everywhere Pt. 1/High Water Everywhere Pt. 2 Paramount 12909 April 1930
Rattlesnake Blues/Running Wild Blues Paramount 12924
Magnolia Blues/Mean Black Cat Blues Paramount 12943 Juli 1930
Mean Black Moan/Heart Like Railroad Steel Paramount 12953 August 1930
Green River Blues/Elder Greene Blues Paramount 12972 September 1930
Jesus Is A Dying-Bed Maker/I Shall Not Be Moved Paramount 12986 Oktober 1930
Hammer Blues/When Your Way Gets Dark Paramount 12988 November 1930
Moon Going Down/Going To Move To Alabama Paramount 13014 Dezember 1930
Some Happy Day/You're Gonna Need Somebody When You Die Paramount 13031
Circle Round The Moon/Devil Sent The Rain Blues Paramount 13040 Ende 1930 / Anfang 1931
Dry Well Blues/Bird Nest Bound Paramount 13070 Frühjahr 1931
Some Summer Day Pt. 1/Jim Lee Blues Pt. 1 Paramount 13080 Frühjahr / Sommer 1931
Frankie And Albert/Some These Days I'll Be Gone Paramount 13110 Anfang 1932
Joe Kirby/Jim Lee Blues Pt. 2 Paramount 13133 Anfang 1932
Vocalion
34 Blues/Poor Me Vocalion 02651
High Sheriff Blues/Stone Pony Blues Vocalion 02680
Love My Stuff/Jersey Bull Blues Vocalion 02782 1. September 1934
Oh Death/Troubled 'Bout My Mother Vocalion 02904 Mit Bertha Lee
Hang It On The Wall/Revenue Wall Blues Vocalion 02931 15. April 1935

Werkausgabe

  • Screamin' and Hollerin' the Blues: The Worlds of Charley Patton, Revenant Records No. 212, 2001, (Sieben CDs mit allen Aufnahmen in allen Versionen von Patton als Solist und Begleitmusiker, den Aufnahmen der von ihm vermittelten Künstler und zwei Materialbänden)

Quellen

  • Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues - The Life and Music of Charlie Patton, 1988, ISBN 0961861002
  • David Evans, Charley Patton Biography, im Begleitband zur Werkausgabe 2001, online
  • John Fahey, Charley Patton, London, 1970, ISBN 0289700302

Weiterführende Literatur

  • Robert Sacré (Hrsg.), The Voice of the Delta - Charley Patton and the Mississippi Blues Traditions - Influences and Comparisons; an International Symposium, Liège, Presses Universitaires de Liège, 1987, ISBN 2870141637
  • Robert Santelli, The Big Book of Blues: A Biographical Encyclopedia, 1993, ISBN 0140159398
  • Robert Palmer, Deep Blues, 1995, ISBN 0140062238

Einzelnachweise

  1. ^ Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues, p. 96
  2. ^ John Fahey, Charley Patton, p. 20
  3. ^ Pat Howse, Jimmy Phillips: Godfather Of Delta Blues - H.C. Speir - An Interview with Gayle Dean Wardlow, in: Peavey Monitor, 1995, p. 34-44. Online: [1]
  4. ^ David Luhrssen, Blues in Wisconsin: The Paramount Records Story., in: Wisconsin Academy Review, 45 (Winter 1998-99), p. 21
  5. ^ http://www.digitaljournalist.org/issue9901/blue29.htm Ein Foto von Rosetta von 1996.
  6. ^ Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues, p. 195
  7. ^ John Fahey, Charley Patton, p. 60
  8. ^ John Fahey, Charley Patton, p. 62
  9. ^ John Fahey, Charley Patton, p. 65
  10. ^ John Fahey, Charley Patton, p. 23
  11. ^ Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues, p. 164
  12. ^ Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues, p. 22
  13. ^ Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues, p. 21
  14. ^ Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues, p. 23
  15. ^ John Fahey, Charley Patton, p. 31
  16. ^ Richie Unterberger, AllMusicGuide [2]
  17. ^ Siehe: Rockin' Fifties Priceguide
  18. ^ Dietmar Hoscher, Blues Talk – Folge 27: Roots ohne Grenzen: Chris Rea, Otis Taylor, Willy DeVille. In: Concerto, Nr. 1, Februar 2003, online: [3]
  19. ^ David Evans über das Pattonbild von Wardlow und Calt, in: David Evans, Charley Patton Biography, Begleitband zur Werkausgabe 2001, online: [4]
  20. ^ Stephen Calt & Gayle Wardlow, King of the Delta Blues, p. 19
  21. ^ Stefan Grossmann, Interview mit John Fahey, online: [5]
  22. ^ Patrick Howse: Blues Researcher Gayle Dean Waldlow Talks About Delta Blues and the Robert Johnson Mystery., in: Peavey Monitor 10, #3 (1991):30-39. Online: [6]
  23. ^ Abbildung siehe hier
  24. ^ pers. comm. John Tefteller an Denis Barthel, 27.8. 2006

Patton, Charley Patton, Charley Patton, Charley Patton, Charley Patton, Charley Patton, Charley

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