Ursern

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Die Urseren mit Blick auf Realp
Blick von der Furka-Passhöhe in die Urseren
Blick vom Badus am östlichen Rand des Tals mit Andermatt im Vordergrund

Ursern oder Urseren oder das Urserental (rätoromanisch Val d’Ursera/?)[1] ist eine Talschaft im Quellgebiet der Reuss im Schweizer Kanton Uri. Ursern bildet ein zentrales Plateau auf etwa 1500 m ü. M. zwischen den Pässen Furka im Westen, dem Gotthardpass im Süden und dem Oberalppass im Osten.

Das Urserental besteht aus den Gemeinden Andermatt, Hospental und Realp. Noch bis 2023 bildet sie den Gerichtsbezirk des erstinstanzlichen Landgerichts Ursern.[2] Die Talbürger sind seit 1888 in der Korporation Ursern vereint, einer der beiden öffentlich-rechtlichen Korporationen des Kantons Uri.

Die Talschaft liegt südlich der Schöllenenschlucht und ist dadurch vom Rest des Kantons abgetrennt. Es bestehen Übergänge zu den Nachbarkantonen über den Furkapass (Richtung Obergoms, Kanton Wallis), den Oberalppass (Richtung Surselva, Kanton Graubünden) und den Gotthardpass (Richtung Leventina, Kanton Tessin). Deshalb führt die Talschaft seit jeher ein eigenes Leben. Geographisch zählt auch ein Teil der Tessiner Gemeinde Airolo nördlich des Gotthardpasses zur Talschaft.

Bevölkerungsentwicklung
Jahr 1643 1799 1850 1900 1950 2000
Einwohner 700 ca. 1143 1304 1316 1699 1634

Das Urserental und seine Seitentäler gehören zu den weniger dicht besiedelten Tälern der Schweizer Alpen.

Gemeinde Einwohner Fläche Bevölkerungsdichte
Andermatt 1'320 62,15 km² 21,2 Einwohner/km²
Hospental 216 34,97 km² 6,2 Einwohner/km²
Realp 133 77,97 km² 1,7 Einwohner/km²
Urserental 1'669 192,27 km² 8,7 Einwohner/km²


Stand: 26. Juli 2014

Der älteste urkundlich belegbare Name der Talschaft ist Ursaria (1234). Der Name geht wahrscheinlich auf romanische Ursprünge zurück und bedeutet so viel wie Bärental. Dem entspricht das alte Wappen der Talschaft, ein in Grün steigender schwarzer Bär mit weissem Kreuz im Rücken. Das Kreuz steht für die ehemalige Zugehörigkeit zum Kloster Disentis.

Die Kolonisation des Urserentals durch die Walser erfolgte vor dem 12. Jahrhundert. Die ursprüngliche romanische Bevölkerung wurde assimiliert. Um das Jahr 800 gelangte die Talschaft in den Besitz des Klosters Disentis, die Bewohner hatten als Kolonisten aber besondere Rechte und Privilegien. So durften sie beispielsweise einen eigenen Ammann wählen, der vom Abt von Disentis mit der niederen Gerichtsbarkeit belehnt wurde. Die hohe Gerichtsbarkeit lag seit 1232 bei den Grafen von Rapperswil, den Kastvögten von Disentis. Das Verhältnis zwischen der Abtei und Ursern war jedoch oft stark gespannt.

Nach dem Aussterben der Rapperswiler kam die Vogtei über Ursern 1283 an das Haus Habsburg, 1317 an einen niederen Adligen aus Uri. Uri versuchte verschiedentlich, die Talschaft Ursern in seine Gewalt zu bringen, um den Gotthardpass völlig unter seine Kontrolle bringen zu können. 1332/1333 entlud sich im Disentiner Krieg, einem Konflikt zwischen Ursern und Uri einerseits und dem Kloster Disentis anderseits, das Gefecht auf der Oberalp, das mit einer Niederlage des Abtes endete. 1382 verlieh der deutsche König Wenzel Ursern mit einem Freiheitsbrief die Reichsfreiheit. Diese Freiheit wurde mehrfach bestätigt, zuletzt durch Kaiser Maximilian II. 1566.

1410 schloss die Talschaft Ursern mit dem Land Uri ein ewiges Landrecht und gelangte so zur Alten Eidgenossenschaft. Uri übernahm als Schirmort die Vertretung gegen aussen, Ursern blieben im Inneren jedoch weitgehende Freiheiten. Das Landrecht wurde immer wieder erneuert, zuletzt 1779. 1649 wurden die letzten Verpflichtungen gegenüber dem Kloster Disentis losgekauft.

Die letzte Talgemeinde unter dem Ancien Régime fand am 22. Mai 1798 statt, dann wurde Ursern zuerst Teil des helvetischen Kantons Waldstätte, 1803 Teil des Kantons Uri. Während der Koalitionskriege wurde die Talschaft schwer verwüstet, zeitweise mussten bis zu 10'000 Soldaten unterhalten werden. Russische, französische und österreichische Truppen besetzten die Talschaft abwechslungsweise.

Nicht verwirklicht wurde der Plan, das Urserental in einen einzigen Stausee zu verwandeln und die Dörfer Andermatt, Hospental und Realp zu fluten (Urserenkraftwerk). Die Stauseeprojekte wurden 1920 und 1946 von der Bevölkerung mit Erfolg bekämpft.

Peter Birmann: Teufelsbrücke mit Säumern, 1824

Ein Haupterwerb im Urserental war die Herstellung von Käse. Der «Urseler» oder «Urserer» Käse war im 18. Jahrhundert weithin bekannt und wurde an verschiedene Residenzen geliefert. Der relativ fette Käse wurde in hohe Blöcke geformt und zum Transport in Baumrinde eingewickelt. Zum Verzehr bohrte man ein Loch in den Käselaib und höhlte ihn nach und nach aus. Er galt als Spezialität für Liebhaber, denn man ass ihn erst, wenn er sehr reif war, wodurch er einen starken Geruch entwickelte.

Durch die Lage an mehreren strategisch wichtigen Alpenpässen war während Jahrhunderten das Säumerwesen eine wichtige Einnahmequelle. Durch den zunehmenden Ausbau der Gotthard-Passstrasse und den Bau der Eisenbahn- und Strassentunnels verschwand diese Branche im Laufe des 20. Jahrhunderts gänzlich.[3]

Bedeutendster Wirtschaftszweig ist heute der Tourismus. Der Ferienort Andermatt profiliert sich als Wander- und Wintersportort. Unter der Ägide des Investors Samih Sawiris werden seit 2010 verschiedene Projekte zur Steigerung der touristischen Konkurrenzfähigkeit Andermatts realisiert, darunter Luxushotels, Skigebiete und ein Golfplatz.[4] Das Urserental liegt am Fusse mehrerer bekannter Alpenpässe, und verzeichnet daher viele Logiernächte von Motorrad-Touristen.

Korporation Ursern

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Die Korporation Ursern, eine Nutzungsgenossenschaft, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Korporationsgemeinde) und wird aus der Gesamtheit der Talbürgerinnen und Talbürger[5] in Ursern gebildet. Das Hoheitsgebiet der Korporation Ursern erstreckt sich über die Gemeinden Andermatt, Hospental und Realp. Der Besitz reicht von Alpen und Wäldern über Felsen und Gletscher bis hin zu Bächen und Bergseen. Ihre Hauptaufgaben sind die Förderung der Land- und Alpwirtschaft, der Lawinenverbau, das Fürsorgewesen, die Kultur, das Bildungswesen und der Tourismus.[6] In der heutigen Form besteht die Korporation Ursern seit 1888, als die Korporationen Uri und Ursern vom Kanton Uri getrennt und eigene Persönlichkeiten des öffentlichen Rechts wurden.[7]

Jedes Jahr an einem Sonntag im Mai findet die Talgemeinde statt, eine regionale Landsgemeinde. Sie erlässt Gesetze, bestimmt über das Korporationsgut, befindet über die Jahresrechnung und das Budget, erteilt das Talbürgerrecht und wählt alle zwei Jahre den Talrat, den Engern Rat, den Talammann, die Rechnungsprüfungskommission und den Verwaltungsrat des Elektrizitätwerks Ursern.[8]

Die bekannteste Schriftstellerin des Tals ist die Mundartlyrikerin Marie Meyer-Bollschweiler (1872–1957). Ihr Gedichtband Us yysem Urschnertall behandelt Themen aus Alltag und Brauchtum und ist ein wichtiges Dokument der lokalen Mundart.[9]

Der höchstalemannischen Mundart der Ursern ist eine von Emil Abegg verfasste und 1911 publizierte Monographie gewidmet.[10] Im Weitern findet sie in einem Anhang zum Urner Mundartwörterbuch von Felix Aschwanden und Walter Clauss (1982, 2013),[11] im Schweizerischen Idiotikon und im Sprachatlas der deutschen Schweiz Berücksichtigung.

Andermatt:Talmuseum Ursern
Andermatt: St. Kolumban
Andermatt: Teufelsbrücke über der Schöllenschlucht
Hospental: Ortskern mit Pfarrkirche und Turm
  • Talmuseum Ursern, Andermatt (Ausstellung über Natur, Brauchtum, Wirtschafts-, Alltags- und Militärgeschichte im Suworow-Haus von 1786)
  • Nationales Gotthard Museum, Gotthard-Passhöhe (Zeigt die Mythologie und Geschichte des Gotthardpasses und der Region)
  • Festungsmuseum Hospiz Gotthard, Gotthard-Passhöhe (In der ehemaligen Artilleriefestung werden neben Militärgeschichte auch landschaftliche und ökologische Aspekte beleuchtet)[12]
  • Kirche St. Kolumban, Altkirch bei Andermatt (spätromanische Kirche aus dem 13. Jahrhundert, ehemalige Talkirche)
  • Pfarrkirche St. Peter und Paul, Andermatt (1748–1750 errichtete grosszügige Barockkirche mit markantem Turmhelm und reicher Ausstattung)
  • Friedhofskapelle St. Michael, Andermatt (1640–1641 erstellt)
  • Wallfahrtskirche Maria Hilf, Andermatt (1735–1736 oberhalb des Dorfes erbaute barocke Kirche zum Schutz gegen Lawinen, Altarbilder von Melchior Paul von Deschwanden)
  • Kapelle St. Wendelin, Andermatt (1708 an der Oberalp-Passstrasse errichtet)
  • Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt, Hospental (1706–1710 erbaute barocke Saalkirche)
  • Kapelle St. Karl, Hospental (1721 geweihte Kapelle mit neubarocker Ausstattung, angebaut an das ehemalige Pfrundhaus)
  • Kapelle St. Nikolaus, Zumdorf bei Hospental (1719–1720 erbaut)
  • Kapelle St. Josef, Steinbergen bei Hospental (1683 erbaut)
  • Pfarrkirche Heilig Kreuz, Realp (1879–1880 errichtete Kirche mit wertvoller neugotischer Ausstattung und Altarbildern von Melchior Paul von Deschwanden)
  • Kapelle Maria Hilf, Tiefenbach bei Realp (1927 erbaut)
  • Hospizkapelle San Gottardo, Gotthard Passhöhe (auf frühmittelalterlichen Fundamenten errichtete Passkapelle im ehemaligen Kapuzinerhospiz)
  • Totenkapelle, Gotthard Passhöhe (1577 erwähnter, mehrfach erneuerte Kapelle unterhalb der Passhöhe)[13]
  • Reformierte Kirche, Andermatt (1915 errichtete reformierte Diasporakirche im Heimatstil)[14]
  • Chilä Altkirch, Altkirch bei Andermatt (2012 gegründete Freikirche mit Lokal unweit der Kolumbanskirche)[15]

In allen drei Gemeinden der Talschaft befinden sich historische Bauernhäuser aus verschiedenen Epochen. Besonders gut erhalten ist der Ortskern des 1669 abgebrannten und wieder erbauten Hospental.

  • Teufelsbrücke (über die Schöllenenschlucht, erhalten sind die Brücken von 1830 und 1956)
  • Suworow-Denkmal (Monumentaldenkmal im Fels unweit der Teufelsbrücke, 1895–1898 zum Gedenken an die gefallenen Russen beim Durchzug General Suworows 1799 errichtet)
  • Turm, Hospental (1226 erstellt, weithin sichtbares Wahrzeichen der Ursern)
  • Hotel St. Gotthard, Hospental (1723 errichtetes, prunkvolles Gasthaus vor der alten Brücke von 1681)
  • Gotthard-Hospiz, Gotthard Passhöhe (Diverse historische Gebäude und Denkmäler aus dem 17. bis 20. Jahrhundert)[13]

Die Universitäten Bern und Basel unterhielten in der Ursern von April 2009 bis März 2012 das Forschungsprojekt VALUrsern. Untersucht wurde der Einfluss einer veränderten Landnutzung auf die Hydrologie der Region.[16]

Commons: Ursern – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Ursern auf der Plattform ETHorama

Einzelnachweise

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  1. Hans Stadler: Ursern. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 14. Januar 2014.
  2. Uri schafft Landgericht Ursern ab. In: Luzerner Zeitung, 25. November 2018 (abgerufen am 24. Dezember 2019).
  3. Arthur Wyss: Verkehr am St. Gotthard. In: Carlo Bonetti (Hrsg.): Nationales Gotthard Museum. Airolo 1989, S. 92–117.
  4. Projektbeschreibung von Orascom (Memento des Originals vom 11. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.orascomdh.com (26. Juli 2014)
  5. Bürgerfamilien auf korporation-ursern.ch (abgerufen am 23. Dezember 2019).
  6. Korporation Ursern auf korporation-ursern.ch (abgerufen am 23. Dezember 2019).
  7. Geschichte auf korporation-ursern.ch (abgerufen am 23. Dezember 2019).
  8. Talgemeinde auf korporation-ursern.ch (abgerufen am 23. Dezember 2019).
  9. Marie Meyer-Bollschweiler: Us yysem Urschnertall. Andermatt 1982.
  10. Emil Abegg: Die Mundart von Urseren (= Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. Band IV). Huber, Frauenfeld [1911].
  11. Felix Aschwanden, Walter Clauss: Urner Mundartwörterbuch (= 19. Jahresgabe der Bibliotheksgesellschaft Uri; zugleich Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen in allgemeinverständlicher Darstellung. Band VIII)). Altdorf 1982. – Felix Aschwanden: Neues Urner Mundartwörterbuch. Altdorf 2013.
  12. Andermatt Tourismus (abgerufen am 26. Juli 2014).
  13. a b Kunstführer durch die Schweiz. Band 2, Bern 2005, S. 570 und 902–906.
  14. 100 Jahre Evangelisch Reformierte Kirche in Uri. 1885–1985. Schattdorf 1985, S. 13–15.
  15. Website der Chilä Altkirch (abgerufen am 1. Dezember 2017).
  16. Forschungsbericht der Universität Bern. Archiviert vom Original am 17. Juni 2012; abgerufen am 1. Dezember 2017 (englisch).

Koordinaten: 46° 36′ 45,4″ N, 8° 32′ 38″ O; CH1903: 684667 / 162967