Doktor Schiwago (Roman)
Doktor Schiwago (russisch Доктор Живаго, wissenschaftl. Transliteration: Doktor Živago, andere Transkriptionsweisen: Doktor Shiwago, Doktor Zhivago) ist ein Roman von Boris Leonidowitsch Pasternak.
Entstehung und Veröffentlichung
Pasternak, der 1958 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, soll sich schon 1934 nach einem „ganz gewöhnlichen Roman“ gesehnt haben, der „einige unansehnliche und armselige Worte des Alltags enthalten sollte“.
Von 1946 bis 1955 arbeitete er an seinem ersten und einzigen Roman. Der Roman erschien erstmals 1957 bei Giangiacomo Feltrinelli Editore in Mailand in einer italienischen Übersetzung, erstellt nach einem Manuskript, das Pasternak dem Agenten von Feltrinelli in Russland übergab. Eine russische Version erschien erstmals 1958 im Ausland (die Vorlage des Romans in der Originalsprache beim Komitee war Voraussetzung für die Verleihung des Nobelpreises). Innerhalb der Sowjetunion durfte der Roman offiziell erst 1988 erscheinen. Pasternak bot sein Werk der russischen Zeitschrift „Nowy Mir“ an, die, wie zu erwarten gewesen war, ablehnte.
Der Journalist Iwan Tolstoi veröffentlichte 2009 ein Buch mit dem Titel "Pasternaks gewaschener Roman" (Verlag Wremja, Moskau 2009), darin vertritt er die These, dass die CIA die russische Erstausgabe von Pasternaks Revolutionsepos im Westen finanzierte und so die Verleihung des Nobelpreises an den Russen im Jahr 1958 ermöglichte.
Übersetzungen und Adaptionen
Im Ausland erschien Doktor Schiwago außer in der Originalversion noch in 18 anderen Sprachen.
1965 wurde der Roman von David Lean mit Omar Sharif und Julie Christie in den Hauptrollen verfilmt; der Film wurde mit fünf Oscars ausgezeichnet (siehe Doktor Schiwago (1965)). Es ist bis heute die populärste Verfilmung. Ursprünglich sollte Sophia Loren die Lara spielen, allerdings setzte sich David Lean gegenüber dem Produzenten Carlo Ponti durch. Carlo Ponti war der Ehemann von Sophia Loren.
2002 entstand eine Fernsehverfilmung mit Hans Matheson und Keira Knightley (siehe Doktor Schiwago (2002)).
2006 wurde die wohl umfangreichste Verfilmung durch den Regisseur Aleksandr Proshkin realisiert. In der 12-teiligen TV-Produktion spielt Oleg Jewgenjewitsch Menschikow die Titelpartie und Chulpan Khamatova ist als Lara zusehen.
Bereits 1958 produzierten WDR, NDR, SWF und RIAS den Roman als Hörspiel in der Bearbeitung von Ernst Schnabel. Unter der Regie von Otto Kurth spielten u.a. Ludwig Cremer als Schiwago, Joana Maria Gorvin als Lara und Gert Westphal als Erzähler.[1]
Inhalt
Hauptpersonen des Romans sind der Arzt und Dichter Jurij Andrejewitsch Schiwago und seine Geliebte Lara Guichard. Die Handlung beginnt 1903 und endet 1929; ein Epilog führt ins Kriegsjahr 1943. Der Roman schildert Schiwagos Entwicklung, vor allem die von einem sozialistisch Gesinnten zum Dissidenten.
Als Waise wächst der junge Jurij bei einer Pflegefamilie auf. Seine Leidenschaft gehört der Dichtkunst, doch er studiert Medizin und wird Arzt. Er heiratet Tonja, die Tochter seiner Pflegeeltern. Gleichzeitig wird die Geschichte von Lara Antipova erzählt, die mit ihrem Bruder bei ihrer Mutter aufwächst. Viktor Komarovskij ist der Liebhaber ihrer Mutter, er verführt auch Lara und macht sie von sich abhängig. Sie heiratet Pawel Antipov, den sie aus der Schulzeit kennt, und zieht mit ihm in den Ural, auch um sich vom Einfluss Komarovskijs zu befreien.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird Jurij an der Front als Arzt gebraucht, wo er Lara kennenlernt. Sie hat sich freiwillig als Krankenschwester gemeldet, um nach ihrem Mann zu suchen. Sie verlieben sich ineinander, doch ihre Wege trennen sich nach der Zeit im Lazarett. Jurij kehrt zu seiner Familie zurück.
Nach einem Umzug mit seiner Familie auf ein ländliches Anwesen namens Warykino trifft er Lara in der nahegelegenen Stadt Jurjatino. Sie bleiben stets in Kontakt und ihre Beziehung wird immer enger. Eines Tages wird Jurij im von Rot- und Weißgardisten geführten Russischen Bürgerkrieg von einigen Rotgardisten entführt, die ihn als Feldarzt in ihrer in den Wäldern versprengten Einheit brauchen. Nach langer Zeit kann er schließlich fliehen und kehrt nach Warykino zurück. Seine Familie ist von dort weggezogen und ins Ausland emigriert. Schiwago holt Lara zu sich, sie lieben sich und wollen für immer zusammenbleiben.
Die beiden schweben jedoch in höchster Gefahr, da Laras Mann, mittlerweile ein Revolutionsheld, bei den Kommunisten in Ungnade gefallen ist. Komarovskij taucht auf und bietet seine Hilfe an. Er überredet Lara, mit ihm ins Ausland zu fliehen, Jurij unterstützt dies um Laras Sicherheit willen. Er leidet sehr unter der Abwesenheit Laras. Nach einiger Zeit kehrt er zurück nach Moskau, wo er mit Maryna zusammenlebt. Er vermisst Lara jedoch immer noch sehr und wird geistig und körperlich immer schwächer.
Er stirbt auf offener Straße an einer Herzkrankheit. Nach seinem Tod unterstützt Lara Jurijs Halbbruder Jewgraf bei der Sichtung und Veröffentlichung von Jurijs Unterlagen und Gedichten.
Das Buch schildert eingehend die Zustände der in der Anomie des Bürgerkriegs versinkenden Sowjetunion, was besonders die Ablehnung durch die Staatsmacht zur Folge hatte.
Nachgeschichte
Als Pasternak 1958 der Nobelpreis für Literatur „für seine bedeutende Leistung sowohl in der zeitgenössischen Lyrik als auch auf dem Gebiet der großen russischen Erzähltradition“ – also wohl vorwiegend für „Doktor Schiwago“ – verliehen werden sollte, nahm er diesen zwar zunächst an, lehnte aber später auf Druck der sowjetischen Obrigkeit ab. Pasternak wollte, wie aus einem persönlichen Brief an Chruschtschow hervorgeht, trotz aller Angriffe auf ihn und seine Arbeit auf keinen Fall Russland verlassen.
Im Zuge der kulturpolitischen Liberalisierung in der UdSSR wurde Pasternak am 23. Februar 1987 rehabilitiert und posthum wieder in den Schriftstellerverband der UdSSR aufgenommen und sein Roman Dr. Schiwago sollte in einer sowjetischen Zeitung veröffentlicht werden.
Pasternaks Sohn nahm 1989 in einer besonderen Zeremonie den Nobelpreis in Stockholm stellvertretend an.
Trivia
- Die Stadt im Ural, in der Schiwago Lara wieder trifft, heißt im Roman Jurjatino und steht sinnbildlich für Perm. Hier hat der Autor einige Jahre während des Zweiten Weltkriegs verbracht. Auch das alte Anwesen Warykino, in dem Schiwago lebt, hat unweit der Stadt ein reales Gegenstück, das genau wie das im Roman beschriebene aussieht und deswegen eine Touristenattraktion geworden ist.
- Das Vorbild für Lara soll Pasternaks langjährige Geliebte Olga Iwinskaja gewesen sein.
Literatur
- Boris L. Pasternak: Doktor Schiwago., Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1992, ISBN 3-596-29519-X (deutsche Ausgabe des Romans)
- Olga Iwinskaja: Lara: Meine Zeit mit Pasternak. Hamburg, Hoffmann u. Campe 1978, ISBN 3-455-03643-0