Metrodora

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Metrodora (griechisch: Μητροδώρα, womöglich um 50–400 n. Chr.) ist die Verfasserangabe zu einem griechischen medizinischen Text, Über die Krankheiten der Frauen im Bereich der Gebärmutter (Περὶ τῶν Γυναικείων παθῶν τῆς μἠτρας). Diese Abhandlung deckt mehrere Bereiche der Medizin ab, vor allem der Gynäkologie und hier der Pathologie, nicht aber die Geburtshilfe. Der Text bzw. darin überliefertes Material wurde von einigen anderen medizinischen Schriftstellern im antiken Griechenland, Rom und im lateinischen Mittelalter referenziert. Eine lateinische Übersetzung geht womöglich auf das 5./6. Jahrhundert zurück.

Über die Krankheiten der Frauen im Bereich der Gebärmutter

Der Text Περὶ τῶν Γυναικείων παθῶν τῆς μἠτρας („Über die Krankheiten der Frauen im Bereich der Gebärmutter“) ist in einem Manuskript aus dem 12. Jahrhundert überliefert, das in der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz unter der Handschriftennummer Ms. Flor. Laur. 75,3 aufbewahrt wird. Vermutlich wurde die Handschrift in Süditalien angefertigt.[1] Der Text besteht aus 63 kurzen Kapiteln, die auf zwei Bücher aufgeteilt sind. Der Ansatz der Schrift ist stark von den Arbeiten des Hippokrates von Kos und dem Corpus Hippocraticum beeinflusst, wie die meisten Ärzte ihrer Zeit, zum Beispiel teilt sie Hippokrates’ Theorien über Hysterie. Metrodora war entschieden bei kontroversen Themen, die die Symptomatik und Ätiologie betrafen; die Gebärmutterentzündung ist ein Beispiel dafür. Der Text leistete offenbar eigenständige Beiträge zum medizinischen Verständnis von Theorie und Ätiologie.[2]

Der Text lässt große praktische Erfahrung erkennen. Er verweist auf Untersuchungen, die sowohl mit der Hand als auch mit einem Spekulum durchgeführt wurden, und zeigt Vertrautheit mit der Physiologie. Die Schrift lieferte Klassifizierungen von Vaginalausfluss oder Theorien zur Ätiologie, wie z. B. die Möglichkeit, dass rektale parasitäre Infektionen Vaginalausfluss verursachen. Diese Erkenntnisse scheinen auf eigenen Forschungen zu beruhen. In dem Traktat sind auch medizinische Präparate beschrieben, die an anderen Stellen nicht überliefert sind.[3] Es scheint auch eine alpahetische medizinische Enzyklopädie beinhaltet zu haben, die (erhalten nur bis zum Buchstaben Epsilon) alphabetische Überschriften verwendet, um das Nachschlagen zu erleichtern.[4][5]

Verfasserfrage

Wer die Schrift „Über die Krankheiten der Frauen im Bereich der Gebärmutter“ verfasst hat, ist sehr unklar. Als Verfasserangabe findet sich in der mittelalterlichen Handschrift der Name Metrodora (Μητροδώρα), um dessen Identifizierung viel gerätselt wurde. Wird er wörtlich genommen, handelt es sich um den seltenen Fall einer weiblichen Autorschaft eines antiken Textes. In der Forschung wird jedoch häufig angenommen, dass ein ursprünglicher Titel des Werkes „metros dora“ (μητρός δῶρα) gehandelt habe und es sich bei der späteren Angabe „Metrodora“ um eine Falschschreibung davon handele. „Metros dora“ lässt sich als „Geschenke der Mutter“ übersetzen und wäre als Überschrift eines Ratgebers für Frauen im heiratsfähigen Alter plausibel.[1]

Schließlich wird auch die Möglichkeit diskutiert, „Metrodora“ sei zwar der ursprüngliche Name, unter dem die Schrift publiziert worden sei; dahinter verberge sich aber keine tatsächliche Verfasserin dieses Namens. Dafür spricht vor allem der Namensbestandteil „Metro-“, der im Altgriechischen entweder auf μήτηρ („Mutter“) oder auf μήτρα („Gebärmutter, Mutterleib“) zurückzuführen ist, was eine gezielte Auswahl des Namens passend zum Inhalt des Werks vermuten lassen könnte. Sollte dieser Gedankengang zutreffen, ist wiederum nicht klar, ob sich hinter der Publikation eine weibliche Autorin verbirgt oder ein männlicher Forscher, der seinen Ausführungen durch die Zuschreibung der Autorschaft an eine Frau mehr Glaubwürdigkeit verleihen wollte.[6]

Zu einem Rezept in dem Werk wird angegeben, es sei auch von einer „Berenike, auch genannt Kleopatra“ verwendet worden. Das veranlasste einige spätere Autoren dazu, den Text in der mittelalterlichen Handschrift fälschlicherweise der berühmten Königin Kleopatra VII. von Ägypten zuzuschreiben.[7] Die lateinische Übersetzung wurde in der Renaissance teilweise irrtümlich dem antiken Arzt Galenos zugeschrieben.[8]

Obwohl Ärztinnen im antiken Griechenland und Rom in der Gynäkologie und Geburtshilfe tätig waren, war es selten, dass Medizinerinnen in anderen Bereichen der Medizin praktizierten. Geburt und Geburtshilfe wurden in der Antike als akzeptable Bereiche der medizinischen Praxis für Frauen angesehen. Hier war für Frauen auch eine medizinische Ausbildung zu erlangen, wegen der antiken Tradition in der Hebammenkunst primär von anderen Frauen. Metrodora schreibt in ihrem Werk über viele Bereiche der Medizin, einschließlich aller Aspekte der Gynäkologie, aber die Geburtshilfe wird in den erhaltenen Bänden nicht behandelt. Die Chirurgie war weder im antiken Griechenland noch im antiken Rom typisch und wird in ihrem Traktat ebenfalls nicht behandelt. Dies steht im Gegensatz zu den Schriften von Aspasia, einer anderen Ärztin, die die gynäkologische Chirurgie einschließlich der Abtreibung behandelt.[2] Metrodora befasste sich nicht mit der Geburtshilfe, der traditionellen Domäne der Hebammen, und konzentrierte sich stattdessen auf die Pathologie, eine Herangehensweise, die auch von männlichen, von Hippokrates beeinflussten Ärzten verwendet wurde. Sie unterschied sich aber von vielen anderen männlichen medizinischen Schriftstellern ihrer Zeit, indem sie die Schriften von Hippokrates direkt analysierte und sich auf sie bezog, anstatt die Vielzahl von Sekundärquellen der dazwischenliegenden Jahrhunderte ihren Arbeiten zugrunde zu legen.[3]

Datierung

Die Datierung der Schrift ist schwierig; zumal keine ältere Namen genannt werden, aufgrund derer man einen frühestmöglichen Zeitpunkt für die Entstehung erschließen könnte. Einzige Ausnahme ist die unklare Nennung einer „Kleopatra, genannt Berenike“, die aber zu ungenau ist, um einen Hinweis zu geben. Die Nutzung eines Spekulum zur Untersuchung der Vagina ist ein Hinweis darauf, dass die Schrift frühestens im 1. Jahrhundert n. Chr. entstanden ist. Gleichzeitig fehlen Einflüsse medizinischer Konzepte und Autoren, die sich in der Spätantike verbreiteten, etwa des Soranos von Ephesos, des Galenos oder der naturwissenschaftlichen Nachschlagewerke dieser Zeit. Das wird als Anzeichen gedeutet, dass das Entstehungsdatum von „Über die Krankheiten der Frauen im Bereich der Gebärmutter“ vor dem 5. Jahrhundert n. Chr. gelegen haben dürfte.[9]

Wirkung

Eine lateinische Übersetzung von „Über die Krankheiten der Frauen im Bereich der Gebärmutter“ stammt womöglich aus dem 5./6. Jahrhundert der lateinischen Spätantike.[10]

Das Werk wurde von anderen ärztlichen Schriftstellern referenziert und auch in Auszügen wiedergegeben.

Die gelehrten Texte der griechischen und römischen Antike waren der Ausgangspunkt des abendländischen Gelehrtendiskurses während des Mittelalters und der Metrodora zugeschriebene Text ein Teil davon.[11]

1566 wurde Material aus dem Werk auch in Caspar Wolfs Harmonia Gynaeciorum, der ersten gynäkologischen Enzyklopädie der Renaissance, wiedergegeben (Neuauflagen 1586-8 von Caspar Bauhin und 1597 von Israel Spach), wo Kleopatra als Verfassserin genannt wurde.[7]

Wahrgenommen in neuerer Zeit wurde Metrodoras Manuskript erstmals Ende des 19. Jahrhunderts.[12] Der vollständige Text wurde erstmals 1945 von Aristoteles Kousis in der Akademie von Athen vorgestellt.[13] In einer italienischen Übersetzung wurde die Schrift 1953 von Giorgio Del Guerra in Mailand veröffentlicht.[14] Des Weiteren gibt es eine Übersetzung ins Französische aus dem Jahr 1993.[15]

Judy Chicago widmete Metrodora eine Inschrift auf den dreieckigen Bodenfliesen des Heritage Floor ihrer 1974 bis 1979 entstandenen Installation The Dinner Party. Die mit dem Namen Metrodora beschrifteten Porzellanfliesen sind dem Platz mit dem Gedeck für Hypatia zugeordnet.[16]

Ausgaben

  • Aristoteles P. Kousis: Metrodora’s work ‘On the feminine diseases of the womb’ according to the Greek codex 75, 3 of the Laurentian Library. In: Praktika tes Akademias Athenon. Band 20, 1945 (erschienen 1949), S. 46–68.
  • Giorgio del Guerra: Il libro di Metrodora sulle malattie delle donne e Il ricettario di cosmetica e terapia. Ceschina, Mailand 1953 (altgriechischer Text und italienische Übersetzung).
    • Nachdruck unter dem Titel: Metrodora: Medicina e cosmei ad uso delle donne. Mimesis, 1994.
  • Marie-Helene Congourdeau: Mètrodôra et son œuvre. In: Evelyne Patlagean (Hrsg.): Maladie et Societe a Byzance. Centro italiano di study sull’Alto Medioevo, Spoleto 1993, S. 57–96 (französische Übersetzung).

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Alain Touwaide: Metrodora. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 8, Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01478-9, Sp. 132.
  2. a b Sharon L. James und Sheila Dillon: A Companion to Women in the Ancient World. John Wiley & Sons, 2012, ISBN 978-1-4443-5480-5, S. 123.
  3. a b Holt N. Parker: Women Physicians in Greece, Rome, and the Byzantine Empire, in: Lilian Furst (Hg.): Women Physicians and Healers, Lexington 1997, 131–150, 138–140
  4. Susan Katz Miller: Sex, drugs and ancient Greeks. In: New Scientist. Band 1845. New Science Publications, 31. Oktober 1992 (newscientist.com).
  5. Judith P. Hallett und Marilyn B. Skinner (Hrsg.): Roman Sexualities. Princeton University Press, 1997, ISBN 978-0-691-01178-3, S. 199–200.
  6. S. Kotsopoulos, A. Fotiou: Metrodora: A physician of late Byzantium on feminity. In: Encephalos. Band 55, 2018, S. 9–11, hier S. 9 (PDF); Lesley Dean-Jones: Women’s Bodies in Classical Greek Science. Clarendon Press, Oxford 1994, S. 33.
  7. a b Margaret M. Miles: Cleopatra: A Sphinx Revisited. University of California Press, 2011, ISBN 978-0-520-24367-5, S. 141 f.
  8. Monica H. Green: Making Women's Medicine Masculine. The Rise of Male Authority in Pre-Modern Gynaecology. Oxford University Press, Oxford/New York 2008, S. 275 f.
  9. Holt N. Parker: Mētrodōra. In: Paul T. Keyser, Georgia L. Irby-Massie (Hrsg.): The Encyclopedia of Ancient Natural Scientists. Routledge, New York 2008, S. 552 f.
  10. Holt 2008, 552.
  11. Metrodora e le donne medico nell’Alto Medioevo. Il Palazzo di Sichelgaita, 13. Juli 2015, abgerufen am 20. Januar 2021.
  12. G. A. Costomiris: Études sur les écrits inédits des anciens médecins grecs. Deuxième série. L’Anonyme de Daremberg, Métrodora, Aétius. In: Revue des études grecques. Band 3, Nr. 10, 1890, S. 145–179 (147 f.), JSTOR:44265643.
  13. Aristoteles P. Kousis: Metrodora’s work „On the feminine diseases of the womb“ according to the Greek codex 75,3 of the Laurentian Library. In: Praktika tes Akademias Athenon. Band 20, 1945, S. 46–68.
  14. Giorgio del Guerra (Hrsg.): Il libro di Metrodora: sulle malattie delle donne e il ricettario di cosmetica e terapia. Editore Ceschina, Mailand 1953., Nachdruck mit italienischer Übersetzung als Metrodora: Medicina e cosmei ad uso delle donne 1994..
  15. Marie-Hélène Congourdeau: Metrodora et son oeuvre. In: E.Patlagean (Hrsg.): Maladie et Societe a Byzance. Centro italiano di study sull’Alto Medioevo, Spoleto 1993, S. 57–96.
  16. Brooklyn Museum: Metrodora. In: brooklynmuseum.org. Abgerufen am 20. Januar 2021.