Anahita

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Anahita (auch Anāhīd, Anāhītā und Anaitis[1]) ist eine altiranische Göttin. Die älteste Überlieferung stammt aus dem Avesta, in dem ihr ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Anahita ist die Göttin des Wassers und von ihrer himmlischen Quelle stammt alles Wasser der Erde ab. Sie ist die Göttin für die Fruchtbarkeit der Mütter und sichert gesunde Nachkommen der Menschen.

Darstellung Anahitas in Taq-e Bostan: Felsskulptur mit Chosrau II. in der Mitte, Anahita links und Ahura Mazda rechts im Bild. Iran.[2][3]

Herkunft des Namens

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In der Liturgie des Avestas lautet ihr voller Name Ardvi Sura Anahita (Ardwīsūr Anāhīd). Das Wort „Ardvi“ kommt im Avestischen ansonsten nicht vor und muss entsprechend als Eigenname gedeutet werden. Etymologisch rekonstruiert könnte es etwa „feucht“ bedeuten. Dagegen sind „Sura“ („mächtig“ oder „heroisch“) und „Anahita“ (an-ahita „nicht beschmutzt“, „unbefleckt“ oder „nicht unrein“) gewöhnliche Adjektive und erscheinen als solche auch in Verbindung mit anderen Yazatas. In der Tradition erscheint sie entsprechend als „Ardwisur Anahid“, „Ardwisur Nahid“, nur „Ardwisur“ oder als „Anahid“ (mittelpersisch ʾnʾhyt' Anāhīd [Buch-Pahlavi]). Letzteres bleibt auch die allgemeine neupersische Form (ناهید Nāhīd) und ist ein weiblicher Vorname sowohl unter Zoroastriern als auch unter den verschiedenen nicht-zoroastrischen iranischen Völkern.

Wasser (in allen Aggregatzuständen, avestisch: apo, mittelpersisch/neupersisch ab[4]) hat im zoroastrischen Glauben einen außerordentlich hohen Rang, gleichgesetzt mit dem des Feuers. Es gibt insgesamt fünf zoroastrische Yazatas (unter anderem alle drei Ahuras), die direkt mit Wasser assoziiert sind. Als Vertreterin des „Weltflusses“ ist Anahita von besonderer Bedeutung, nicht zuletzt, weil sie am meisten mit der Weisheit (Mazda) verbunden ist. Diese Assoziation ist ein Merkmal beider Flussgöttinnen der indo-iranischen Sakralliteratur, also der zoroastrisch-iranischen Ardvi Sura Anahita und der vedisch-indischen Sarasvati.

Im Aban Yasht des Avesta wird Anahita – entsprechend der Verbindung von Wasser und Fruchtbarkeit – als Beschützerin des Samens, des Uterus, der Mutterschaft und Muttermilch beschrieben. In anthropomorpher Gestalt erscheint Anahita als schönes, junges Mädchen und trägt Gold und eine Sternenkrone. Ihr Wagen wird von vier Pferden gezogen, welche der Wind, die Wolken, der Regen und der Schneeregen sind.

Die Liturgie gibt Anahita auch martialische Eigenschaften, wortgetreu dieselben, die die Figur der Ashi in der iranischen Mythologie besitzt („Glück“, „Großzügigkeit“), und sie wird in der Schlacht um Beistand angerufen. Gemäß Aban Yasht verrichtete bereits der mythische König Haoshyangha Paradata (neupersisch Huschang aus der Dynastie der Pishdadian wie im Schāhnāme Firdausis) auf dem Berge Hara ein Gebet an Anahita und bat sie um Erfolg und Unterstützung. Auch gilt sie als Beschützerin der Herden, Äcker und Höhlenbewohner.

Entwicklung des Kultes

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Sassanidische Vase vom 4.–6. Jahrhundert (Cleveland Museum of Art)

Die älteste Überlieferung von Anahita stammt aus dem Avesta. Das 5. Kapitel des Yascht, dem Aban Yascht, ist Ardvi Sǔra Anǎhita gewidmet. Dort erscheint die Gottheit als himmlische Quelle, von der alles Wasser der Erde stammt. Das Buch enthält viele Informationen von iranischen Legenden, indem es mehrere Helden auflistet, die Anahita verehrt und um Hilfe angefleht haben.[5] Über das Yascht erhält man Einblick in die Persönlichkeit und Mythologie im Gegensatz zu anderen Quellen, in denen meistens nur der Name und die Epitheta aufgeführt sind.[6]

In der nächsten wichtigen Überlieferung, den achämenidischen Königsinschriften gibt es keine Hinweise auf einen generellen Kult für Anahita. In den Verwaltungsarchiven von Persepolis wird sie nicht erwähnt. Artaxerxes II. hat als einziger Achämenidenkönig die Gottheit auf zwei Inschriften von Susa aufgeführt (A2Sa, A2Sd).[7] Gemäß den antiken Quellen stellte der gleiche König eine Statue in einem Heiligtum in Hagmatana auf.[8]

Im Zuge der arsakidischen Herrschaft in Armenien, wo die interne Konsistenz des iranischen Pantheons und dessen mythologisches Geflecht eine untergeordnete Rolle spielten, entwickelte sich Anahita dann allmählich zu einer deutlich eigenständigeren Gottheit und hierbei als Muttergottheit Anahit im Triumvirat mit Aramazd (armenisch/parthisch für Ahura Mazda) und Vahagn-Vram (armenisch/parthisch für Verethragna) zur Schutzpatronin des gesamten Staates. Zu dieser armenischen Form des Kultes soll die sakrale Promiskuität gehört haben.

Durch synkretische Einflüsse von der mesopotamischen Ischtar wie auch während der Ära der hellenistisch-geprägten Seleukiden und Arsakiden mit Aphrodite-Venus nahm Anahita Eigenschaften an, die nicht aus den älteren iranischen Quellen bekannt sind. Im Zuge solcher Einflüsse wurde Anahita mit dem Planeten Venus identifiziert, und im Iran bekam der Himmelskörper ihren Namen. Der alte iranische Name des Planeten Venus war Mithra, wie es auch in alt-griechischen Texten und bis heute in manchen neu-iranischen Dialekten noch belegt ist. Das änderte sich ebenfalls in der hellenistischen Ära durch die Verschmelzung der Figur des Mithras mit Apollon, dem griechischen Lichtgott, und Schamasch, dem babylonischen Sonnengott. Dadurch verlor wiederum der ur-iranische Sonnengott Hvare Xšaēta, neupersisch Chorschid, seine Rolle. In der mittelpersischen Sprache wurden dann Mithra und die Sonne mit dem Wort Mihr bezeichnet, das Licht mit dem stammverwandten Wort Mehr.

Münze von Chosrau II. mit Darstellung von Anahita mit Flammennimbus

Die Herrscher der späten vorislamischen Dynastie der Sassaniden waren vor ihrem Aufstieg zur Macht selbst zoroastrische Priester in Istachr, und einige von ihnen übten noch als Großkönige diese priesterliche Funktion aus. In dieser Zeit wurde Anahita von den Hellenen mit Artemis identifiziert; gelegentlich wurde sie auch als Aphrodite Anaïtis bezeichnet.[9]

Der neunte Tag sowie der achte Monat des Jahres sind im zoroastrischen Kalender dem Wasser geweiht und stehen unter seinem Schutz. Entsprechend wird Anahita weiterhin von Zoroastriern am Namenstag des Wassers gefeiert, insbesondere am Abanagan, dem neunten Tag des achten Monats. Im Zoroastrismus wird heute noch die rituelle Reinigung und „Gabe des Wassers“ (Ab-Zohr bzw. Ape-Zaothra) bei Rezitation des „Aban Yasht“ gefeiert. Als „Aban“ ist das Wasser auch der Name des achten Monats des iranischen Zivilkalenders von 1925.

Ruinen von Tempel von Anahita in Bischapur

Polybios erwähnt ein Anahita-Heiligtum in Ekbatana. Als Kultstätte der Gottheit diente möglicherweise auch ein Tempel in der Palastanlage von Bischapur,[10] wobei auch diese Interpretation fraglich ist.[11] Ob das Monument von Kangavar, das oft als Tempel der Anahita bezeichnet wird, diese Funktion tatsächlich erfüllte,[12] ist mehr als fraglich. Als charakteristisch für ein Anahita-Heiligtum ist eigentlich eine nicht versiegende Quelle anzunehmen. Dass es in Anhita-Heiligtümern zu Tempelprostitution kam, wird vielfach angenommen, aber es gibt keine Belege dafür.[13]

Siehe auch: Minar (Iran)

  • C. Bier: Anāhīd, Anāhītā in the Arts. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopaedia Iranica. Band 1. London usw. 1985, S. 1009–1011.
  • M. Boyce, M. L. Chaumont, C. Bier: Anāhīd. In: Encyclopaedia Iranica. Band 1. Routledge & Kegan Paul, New York 1983, S. 1001–1013.
  • M. L. Chaumont: Anāhīd, The cult and its diffusion. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopaedia Iranica. Band 1. London usw. 1985, S. 1006–1009.
  • Bruno Jacobs: Anahita In: Iconography of Deities and Demons in the Ancient Near East. Leiden 2006.
  • Joe Heydecker: Die Schwestern der Venus. Die Frau in den Mythen und Religionen. Heyne, München 1994.
  • Jean Kellens: Le Problème avec Anāhitā (=Orientalia Suecana. Band 51–52.). Uppsala 2002/2003, S. 317–326. uu.diva-portal.org
  • L.-I. Ringbom: Zur Ikonographie der Götting Ardvi Sura Anahita. In: Acta Academiae Aboensis. Band XXII.2, 1957, S. 3–28.
  • Vesta Sarkhosh Curtis: Persische Mythen. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1994.
  • D. Shepherd: The Iconography of Anahita: Part 1. In: Berytus. Band 28, 1980, S. 47–86.
  • Geo Widengren: Die Gottheiten der dritten Funktion: Anāhitā. In: Iranische Geisteswelt. Holle Verlag, Baden-Baden 1961, S. 129–131.
  • Sahand Zimmermann: Anahita. Lapislazuli und Türkis. Glaré, Frankfurt 2006, ISBN 978-3-930761-49-4.
Commons: Anahita – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Vgl. etwa Mary Boyce: Anāhīd, Adwīsūr Anāhīd, Anāhīd, Anaitis. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopaedia Iranica. Band 1. London usw. 1985, S. 1003–1006.
  2. Angaben zur Abbildung: Zoroastrians - Their Religious Beliefs and Practices. Mary Boyce. Routledge London & New York, 2008.
  3. Angaben zur Abbildung: Sasanian Persia - The Rise and Fall of an Empire. Touraj Daryaee. I. B. Tauris & Co. Ltd. New York, 2009.
  4. A Concise Pahlavi Dictionary. D. N. MacKenzie. Routledge Curzon, 2005.
  5. James Darmesteter: Le Zend-Avesta. 3 Bände. Paris 1892–1893, 3. Band, S. 52. (archive.org: englische Ausgabe 1898)
  6. Jean Kellens: Le Problème avec Anāhitā (=Orientalia Suecana. Band 51–52.). Uppsala 2002/2003, S. 317–326, hier S. 318. uu.diva-portal.org
  7. Wouter F. M. Henkelman: The Heartland Pantheon. Bruno Jacobs, Robert Rollinger (Hrsg.): A Companion to the Achaemenid Persian Empire. 2 Bde. Wiley-Blackwell, Hoboken NJ 2021, S. 1222; Jean Kellens: Le problème avec Anāhitā (=Orientalia Suecana. Band 51–52). Uppsala 2002–2003, S. 317–326. Online
  8. Berossos FGrH. 680 F11; Plutarch Artaxerxes 27.3; Flavius Sosipater Charisius FGrH 781 F2,6. Aus: Bruno Jacobs, David Stronach: Media. In: Bruno Jacobs; Robert Rollinger (Hrsg.): A Companion to the Achaemenid Persian Empire. 2 Bde. Wiley-Blackwell, Hoboken NJ 2021, S. 215.
  9. Zu dieser Konfusion siehe Friedrich Heinrich Hugo Windischmann: Die persische Anahita oder Anaïtis: ein Beitrag zur Mythengeschichte des Orients. München 1856, S. 127.
  10. Sina Vodjani und Gabriele von Kröcher: Zarathustra. Membran International, Hamburg 2006, ISBN 978-3-86562-739-1, S. 88–91.
  11. Anahita Nasrin Mittertrainer: Sinnbilder politischer Autorität? Frühsasanidische Städtebilder im Südwesten Irans. Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München, München 2020, ISBN 978-3-95925-131-0, S. 268–272, doi:10.5282/oph.5.
  12. So wird es in zahlreichen Reise- und Kunstführern bezeichnet, siehe z. B. Mahmoud Rashad: Iran, 6. Auflage, Ostfildern 2011.
  13. Maria Brosius: Tempelprostitution im antiken Persien? In: Tanja Scheer unter Mitarbeit von Martin Lindner (Hrsg.): Tempelprostitution im Altertum: Fakten und Fiktionen. Berlin 2007, S. 126 ff., insbes. S. 143 ff.