Peregrinatio in terram sanctam
Die „Peregrinatio in terram sanctam“ (deutsch Pilgerreise ins heilige Land) ist ein Reisebericht des deutschen Klerikers Bernhard von Breidenbach. Das Buch handelt von seiner Pilgerreise von Venedig nach Jerusalem und seiner Weiterreise nach Ägypten. Breidenbach war Teilnehmer der Pilgerfahrt unter der Führung des Erbprinzen Johann zu Solms im April 1483 und kehrte im Januar 1484 nach Venedig zurück. Der Pilgerbericht gilt als zentrales Werk der Inkunabelzeit. Der Text entstand zwischen 1484 und 1486.
Auflagen und Übersetzungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Peregrinatio war einer der ersten gedruckten und mit zahlreichen großformatigen und zum Teil mehrseitigen Holzschnitten illustrierten Reiseberichte. Das Buch war sehr gefragt, es erschienen zahlreiche Übersetzungen und Neuauflagen. Zunächst wurde die Peregrinatio am 11. Februar 1486 in Mainz auf Lateinisch gedruckt. Am 21. Juni desselben Jahres und am 22. April 1488 wurden die ersten beiden frühneuhochdeutschen Ausgaben veröffentlicht. Eine niederländische Übersetzung erschien am 24. Mai 1488, am 28. November 1488 folgte eine französische Übersetzung. 1498 wurde die Peregrinatio auch in das Spanische übersetzt und noch 1610 in das Polnische.[1] Nicht nur die einzelnen Auflagen, sondern auch die einzelnen Exemplare derselben Auflage können sich im Einzelfall erheblich voneinander unterscheiden. So fehlen in einigen Exemplaren Illustrationen.
Inhalt und Aufbau des Reiseberichts
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bernhard von Breidenbach beginnt seinen Bericht mit einem Dedikationsschreiben an den Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Berthold von Henneberg sowie einer Inhaltsangabe. Darauf folgt eine Absichtserklärung, einerseits zu seiner Pilgerreise, andererseits zur Veröffentlichung seines Berichts. Dem schließt sich die Erzählung der eigentlichen Pilgerreise an. Sie beginnt mit der Reise von Oppenheim nach Venedig. Breidenbach informiert über die in Venedig zu machenden Besorgungen und Vorbereitungen für die Reise und beschreibt die Aushandlung eines Vertrags zur Überfahrt mit dem Schiffspatron. Fortgesetzt wird die Erzählung mit den Tagesetappen der Schiffsreise bis nach Jaffa. Nun folgt die Besichtigung der heiligen Stätten, die im Bericht oft mit Bibelzitaten identifiziert werden. Breidenbach nennt ebenfalls den Ablass, der bei den besuchten Stätten gewährt wird. Nach der genauen Beschreibung der Grabeskirche fährt er fort mit dem Kapitel „de moribus, ritibus et erroribus“, also den „Sitten, Gewohnheiten und Irrtümern“, wobei er die „Irrtümer“ sowohl der Moslems als auch der häretischen Christen meint. Der zweite Hauptteil der Peregrinatio befasst sich mit der Reise von Jerusalem über den Berg Sinai nach Ägypten und schließlich mit der Rückfahrt von Alexandria nach Venedig. In beiden Hauptteilen lässt Breidenbach immer wieder geographische und ethnographische Informationen einfließen und erzählt von exotischen Tieren und Erlebnissen seiner Pilgergruppe. Insgesamt gibt er aber nur sehr vereinzelte individuelle Auskünfte. Nur an wenigen Stellen werden seine eigenen Handlungen geschildert, was in einem spätmittelalterlichen Pilgerbericht üblich ist. Im Anhang finden sich noch – je nach Auflage – verschiedene Wörterlisten, Entfernungsangaben und Erzählungen über die Türken. Ein Kolophon schließt das Werk ab.
Quellen Breidenbachs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Breidenbach schöpft seine Informationen aus verschiedensten Quellen. Es finden sich ausgewiesene Zitate, Paraphrasen, aber auch wortwörtliche Übernahmen. Bei seinen Quellen handelt es sich um antike Schriften, zeitgenössische Autoren und Enzyklopädien sowie Reiseberichte anderer Jerusalempilger. Breidenbachs Verleger Martin Roth hat das Werk überarbeitet.
Illustrationen von Erhard Reuwich im Reisebericht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Breidenbachs Reisegruppe war auch der in Mainz im Umkreis des Hofes und Domkapitels wirkende Maler Erhard Reuwich, dessen Reise Breidenbach finanzierte. Reuwich illustrierte das Buch mit insgesamt 25 Holzschnitten, was die Peregrinatio zu einem außergewöhnlichen Dokument macht. Zum ersten Mal wurde ein Pilgerbericht mit Holzschnitten eines Künstlers ergänzt, der selbst im Heiligen Land war. Reuwich hatte eigene Skizzen gemacht, griff aber auch auf Material aus italienischen Werkstätten, z. B. von Jacopo Bellini und Gentile Bellini zurück[2] und fertigte Holzschnitte von Städteansichten, den Menschen und einen mit exotischen Tieren an, worunter sich auch ein Einhorn findet.
Die Stadtveduten sind teilweise mehrseitig ausfaltbar, die Ansicht von Venedig gar achtseitig (auf 4 Druckstöcken), mit einem Mass von 30 × 160 cm. Diese neuartige Verwendung von überblattgroßen Stadtansichten im Druck hat Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff zu ihren vielen originalen Stadtveduten für die Schedelsche Weltchronik inspiriert, die seit 1486, dem Erscheinungsjahr der Perigrinatio, konzipiert und 1493 veröffentlicht wurde. Und nicht allein die Anlage des Frontispiz wurde von dort kopiert.[3]
Die 25 Illustrationen im Einzelnen
- Frontispiz, ganzseitig
- Vedute Venedigs, achtseitig
- Veduten von Parenzo und Korfu, doppelseitig
- Veduten von Modon, Candia (Kreta) und Rhodos, vierseitig
- Vedute Jerusalems, sechsseitig
- Tiere des Heiligen Landes, ganzseitig: Giraffe, Krokodil, indische Ziegen, Einhorn, Kamel, Salamander, Affe
- Grabeskirche, halbseitig
- Heiliges Grab ("Forma et dispositio dominici sepulchri"), etwas kleiner
- sieben Abbildungen, seitenbreit (=wie Text): Vier Syrer, Priester und Laie, Zwei Frauen und drei Sarazenen, Jüdischer Händler, Reiter und Türken ("genetzer et turci"), sieben Griechen und ein Mönch
- sieben Alphabete, seitenbreit: Arabisch, Hebräisch, Griechisch, Chaldäisch, Jacobitisch, Armenisch, Abessinisch
- kleines Wappen von Berthold von Henneberg (hier "Berchthold")
Die spanische Ausgabe von 1498, herausgegeben von Pablo Hurus, hat zusätzlich eine dreiseitige Vedute Roms, mehrere spaltenbreite Holzschnitte mit Szenen der Passion Christi und einer ganzseitigen Kreuzigung.[4]
Zugängliche Exemplare und Neuausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Digitalisate
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Exemplare verschiedener Ausgaben der Peregrinationes finden sich in vielen Bibliotheken, die diese häufig auch digitalisiert und frei zugänglich gemacht haben. Zugänglich sind sie etwa über die Europeana, die viele europäische National- und Universitätsbibliotheksbestände zusammenführt.[5] Nicht alle erhaltene Ausgaben sind illustriert oder diesbezüglich vollständig, selten sind die mit kolorierten Holzschnitten und Textverzierungen.
Lateinische Ausgaben
- Peregrinatio in terram sanctam, lateinische Erstausgabe, Mainz 1486, Digitalisat des Exemplars der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
- Digitalisat der kolorierten lateinischen Ausgabe von 1486 der TU Darmstadt. Die Illustrationen sind hier nicht entfaltet und nur teilweise als Einzelblätter sichtbar.
- Eine vollständige, schön kolorierte und gut erhaltene lateinische Originalausgabe von 1486 hat die Bodleian Library der Universität Oxford: Arch. B c.25
Deutschsprachige Ausgabe
- Eyn vorred yn diß nachgende werck der fart vber mer zu de[m] heiligen grab vnsers herren ihesu cristi gen Jerusalem, mit Widmungsvorrede des Autors an Berthold von Henneberg, Erzbischof von Mainz. Aus dem Lateinischen übersetzt und redigiert von Martin Roth (auch Roet) unter Benutzung der handschriftlichen Aufzeichnungen des Paul Walther von Guglingen. Digitalisat des vollständigen und kolorierten Exemplars aus dem Besitz Hartmann Schedels in der Bayerischen Staatsbibliothek auf der Webseite Digitale Sammlungen des MdZ. (2 Inc.c.a. 1727, BSB-Ink B-911, GW 5077, OCLC 259924612). Die mehrseitigen Veduten sind nur in Doppelseiten abgebildet.
Niederländische, spanische und französische Ausgaben
- Die heylighe beuarden tot dat heylighe grafft in iherusalem, niederländische Ausgabe, Übersetzer unbekannt, hrsg. von Erhard Reuwich, Mainz 1487, Digitalisat des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek (B-914, GW: 5081, OCLC 239414809).
- Des saintes pérégrinations de Jerusalem, mittelfranzösische Übersetzung von Nicolas Le Huen, hrsg. von Michel Topié und Jacques Heremberck, Lyon 1488, Digitalisat eines der Exemplare in der Bibliothèque nationale de France (RES-J-155).
- Viaje de la Tierra Santatrad, Übersetzung ins Kastilische von Martín Martínez de Ampies und ergänzt mit einer "Tratado de Roma", hrsg. von Pablo Hurus, o. O. 1498, Digitalisat der spanischen Nationalbibliothek auf Europeana.
Moderne Buchausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andreas Klußmann (Hrsg.): Bernhard von Breydenbach. Peregrinatio in terram sanctam. Erste deutsche Ausgabe von Peter Schöffer, Mainz 1486. Faksimile, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-937246-00-0.
- Isolde Mozer (Hrsg.): Bernhard von Breydenbach: Peregrinatio in terram sanctam. Eine Pilgerreise ins Heilige Land. Frühneuhochdeutscher Text und Übersetzung. Berlin 2010, ISBN 978-3-11-020951-8.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Thomas Glöss: Peregrinatio in terram sanctam: Bernhard von Breydenbachs Pilgerreise im Zusammenhang paläotypischer und epigraphischer Entwicklungen. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 15 (2006), S. 11–31.
- Andreas Klußmann: In Gottes Namen fahren wir. Die spätmittelalterlichen Pilgerberichte von Felix Fabri, Bernhard von Breydenbach und Konrad Grünemberg im Vergleich. Saarbrücken 2012, ISBN 978-3-86223-076-1.
- J. Meyers: La Peregrinatio in terram sanctam de Bernhard von Breidenbach (1486) comme instrument de propagande. À propos d'un ouvrage récent. In: Le Moyen Âge 115 (2009), S. 365–374.
- Klaus Niehr: „als ich das selber erkundet vnd gesehen hab“. Wahrnehmung und Darstellung des Fremden in Bernhard von Breydenbachs Peregrinationes in Terram Sanctam und anderen Pilgerberichten des ausgehenden Mittelalters. In: Gutenberg-Jahrbuch 2001, S. 269–300.
- Heinrich Rohrbacher: Bernhard von Breydenbach und sein Werk „Peregrinatio in terram sanctam“ (1486). Stuttgart 1989.
- Elizabeth Ross: Picturing Experience in the Early Printed Book. Breydenbach’s Peregrinatio from Venice to Jerusalem. University Park, Pennsylvania State University Press 2014.
- Anne Simon: The non-Catholic “Other” in Bernhard von Breidenbach’s Die heyligen reyssen gen Jherusalem. In: William A. Kelly/Jürgen Beyer (Hrsg.): The German Book in Wolfenbüttel and Abroad. Studies Presented to Ulrich Kopp in his Retirement. (Studies in reading and book culture, Bd. 1), Tartu 2014, ISBN 978-9949-32-494-1, S. 301–326.
- Frederike Timm: Der Palästina-Pilgerbericht des Bernhard von Breidenbach und die Holzschnitte Erhard Reuwichs. Die Peregrinatio in terram sanctam (1486) als Propagandainstrument im Mantel der gelehrten Pilgerschrift. Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7762-0506-0.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur zur Peregrinatio in terram sanctam im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Peregrinatio in terram sanctam im Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW-Nummer GW05075)
- Eintrag mit Übersetzungsliste und ausführlicher Bibliographie in den Geschichtsquellen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“: Bernhardus de Breydenbach, Peregrinatio in terram sanctam.
- ↑ Ausführlich diskutiert bei Timm 2006.
- ↑ Fedja Anzelewsky: Albrecht Dürer: Werk und Wirkung. Klett-Cotta, Stuttgart 1980, ISBN 3-88448-007-3, S. 11.
- ↑ Digitalisat der spanischen Ausgabe auf Europeana.
- ↑ Suchergebnis bei der Europeana.