Trümmerliteratur

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Die Trümmerliteratur (auch Literatur der Stunde Null, Kriegs- oder Heimkehrerliteratur) ist eine deutsche Literaturepoche. Sie entstand in Deutschland unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, war jedoch von kurzer Dauer und trat Anfang der 1950er Jahre gegenüber komplexeren und experimentelleren Formen der Literatur zurück, die an die literarische Moderne anknüpften. Wichtige Vertreter der Trümmerliteratur sind Alfred Andersch, Heinrich Böll, Wolfgang Borchert, Günter Eich, Hans Werner Richter und Wolfgang Weyrauch. Sie prägte auch die ersten Jahre der Gruppe 47. Eng verknüpft ist der Begriff Kahlschlagliteratur.

Literaturhistorische Einordnung

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Die Autoren der Trümmerliteratur waren zum Großteil junge Männer, die nach dem Krieg in Gefangenenlagern festgehalten wurden oder in die Heimat zurückgekehrt waren. Darum lagen die Anfänge der Epoche auch in den Zeitschriften der Kriegsgefangenenlager (z. B. Der Ruf). Die meisten Autoren dieser jungen Generation standen am Anfang ihres literarischen Schaffens und setzten nicht die Tradition der Nationalsozialistischen Literatur, der Literatur der Inneren Emigration oder der Exilliteratur fort.

Ausländische Bezugspunkte und Vorbilder waren die amerikanischen Short Stories und deren knapper, einfacher und unreflektierter Stil. Besonders die Werke Ernest Hemingways, John Steinbecks und William Faulkners sind hier zu nennen. Als weitere ideologisch einflussreiche Autoren, zum Teil aus dem Spektrum des Existentialismus und der Résistance, galten die Franzosen Jean Anouilh, Jean-Paul Sartre, Albert Camus sowie die Italiener Elio Vittorini und Ignazio Silone. Weitere Vorbilder waren unorthodoxe linkshumanitäre deutsche Emigranten wie Arthur Koestler und Gustav Regler. Alle diese Autoren waren nun, nach dem Ende des Dritten Reiches, (wieder) zugänglich geworden und wurden zum Teil auch von den Siegermächten, etwa in Kriegsgefangenenlagern, bewusst verbreitet.

Die Trümmerliteratur endete, als Deutschland zunehmend wohlhabender wurde, die Städte aufgebaut wurden und die Schrecken des Krieges in den Hintergrund rückten. Weitere Gründe für das letztendliche Scheitern der Trümmerliteratur waren der Druck restaurativer literarischer Normen, die zu zaghafte und mühsame Entwicklung der Gattung, die formale Unsicherheit und Selbstüberschätzung vieler Autoren und die spätere Distanzierung einiger Schriftsteller von ihren Trümmerwerken als literarische Jugendsünden. Einige der Autoren prägten jedoch auch die weitere deutsche Nachkriegsliteratur, zum Beispiel in der Gruppe 47 oder der DDR-Literatur.

Stil und Thematik

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Die Autoren schlugen einen radikal neuen Weg in der Literatur ein. Sie versuchten ausdrücklich, sich inhaltlich und formal von den vorhergehenden Strömungen abzuheben. Die Sprache als Ideologieträger des Nationalsozialismus (siehe auch Sprache des Nationalsozialismus) sollte durch einen Reinigungsprozess ganz neu aufgebaut werden. Ebenso lehnte man die Kalligrafie als literarische Schönschreiberei ab, der Ausdruck von Ideologie und Gefühl wurde tabuisiert. Die neue Literatur sollte realistisch, unpsychologisch und wahrhaftig sein, sie erhob also ein Wahrheitspostulat. Sie sollte das Geschehene und das Existierende genau erfassen. Ein magischer Realismus wurde gefordert, der hinter der Wirklichkeit aber auch die Irrealität erblickt. Damit war auch eine Forderung an die Autoren ausgesprochen: Ein Autor, der in diesem neuen Sinne schreiben will, muss sich in der Literatur und in der Realität engagieren und den Elfenbeinturm verlassen.

Es wurde nur teilweise auf Formen älterer Epochen wie der Romantik, des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit zurückgegriffen. Traditionelle lyrische Formen wie das Sonett wurden ebenso durchaus noch benutzt (Trümmerlyrik). Die stilistischen Mittel, die benutzt wurden, waren die lakonische Sprache, die die zertrümmerte und kahle Welt beschrieb, aber nicht bewertete, sowie eine episodenhafte Beschränkung des Raums, der Erzählzeit und der Personen. Weiteres wichtiges Stilmittel war die Wiederholung.

Inhaltlich beschäftigte sich die Trümmerliteratur mit gewollt kargen und direkten Beobachtungen des notvollen Lebens in den Ruinenstädten, in Flüchtlingslagern. Ein weiteres Thema war das Schicksal isolierter und herumirrender Menschen, die vor den Trümmern ihrer Heimat und ihres Besitzes, und auch vor den Trümmern ihrer Wertevorstellungen standen und damit umgehen mussten. Viele Menschen fühlten sich von der Heimkehrer-Thematik angesprochen, Geschichten der aus dem Krieg oder den Gefangenenlagern Heimkehrenden, die sich plötzlich in einer Welt wiederfanden, die keinen Platz mehr für sie hatte. Ebenso stand die Frage nach der Schuld und Kollektivschuld an Krieg und Holocaust im Vordergrund. Dies war keine einfache Frage, da viele der Autoren selbst als Soldaten am Krieg beteiligt waren und nun ihre eigene Rolle überprüfen mussten. Die Trümmerliteratur übte Kritik an der politischen und gesellschaftlichen Restauration Deutschlands.

Verpönt und als literarische Feindbilder angesehen waren Agitationsliteratur sowie Propaganda, Literaturklassiker, das Stilmittel des Rückgriffs auf die Antike, literarische Kalligrafie, pathetische, überschwängliche Literatur, stilistischer Eskapismus sowie der ältere Rationalismus des 19. Jahrhunderts und dessen rein rationale Beschreibung.

Kahlschlagliteratur

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Als eine thematisch ähnliche Nebenströmung existierte die Kahlschlagliteratur. Sie beschrieb das unmittelbare Erleben des Krieges und Nachkrieges aus der Sicht der „kleinen Leute“. Die vor allem von Wolfgang Weyrauch im Nachwort seiner Kurzgeschichtenanthologie „Tausend Gramm“ skizzierte Strömung betont noch einmal den magischen Realismus. Die Literatur sollte bei der Bewältigung des Vergangenen und beim Neuaufbau der Zukunft behilflich sein. Stilistisch zeichnete sich die Sprache durch Knappheit mit wenigen Umschreibungen und Attributen aus. Ziel war es, die von der nationalsozialistischen Ideologie missbrauchte Sprache durch Verknappung (= Kahlschlag) zu reinigen. Als inhaltliche Themen wurden zum einen die genaue Analyse der Wahrheit, also der Not in Ruinenstädten, des Schicksals von Menschen, die vor dem Trümmerhaufen ihrer Existenz standen (= Verlust von Heimat, Besitz, Wertvorstellungen), zum anderen die Frage nach der Schuld am Krieg und am Holocaust und der Kritik an der politischen und gesellschaftlichen Restauration Deutschlands aufgegriffen.

Autoren und Werke

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Die Festlegung eines Autors als Trümmerliterat trifft nicht immer genau zu, denn oft fällt nur ein kleiner Ausschnitt des Schaffens in die verhältnismäßig kurze Epoche.

Parallel zur Trümmerliteratur entstanden in den späten 1940er Jahren auch Trümmerfilme. Diese lehnten sich zum Teil an Werke aus der Trümmerliteratur an, so zum Beispiel Liebe 47 als Verfilmung von Wolfgang Borcherts Hörspiel Draußen vor der Tür.

„Wir schrieben also vom Krieg, von der Heimkehr und dem, was wir im Krieg gesehen hatten und bei der Heimkehr vorfanden: von Trümmern; das ergab drei Schlagwörter, die der jungen Literatur angehängt wurden: Kriegs-, Heimkehrer- und Trümmerliteratur.“

Heinrich Böll: Bekenntnis zur Trümmerliteratur

„Der Name Homer ist der gesamten abendländischen Bildungswelt unverdächtig: […] Homer erzählt vom Trojanischen Krieg, von der Zerstörung Trojas und von der Heimkehr des Odysseus – Kriegs-, Trümmer- und Heimkehrerliteratur-, wir haben keinen Grund, uns dieser Bezeichnung zu schämen.“

Heinrich Böll: Bekenntnis zur Trümmerliteratur

Quellen und Literatur

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  • Rüdiger Bernhardt: Gibt denn keiner, keiner Antwort??? Zum Verständnis der Texte Wolfgang Borcherts. In: Deutschunterricht. 48 (1995) 5, S. 236–245.
  • Heinrich Böll: Bekenntnis zur Trümmerliteratur. In: Bernd Balzer (Hrsg.): Heinrich Böll. Werke. Essayistische Schriften und Reden 1: 1952–1963. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1979, ISBN 3-462-01258-4, S. 31–34.
  • Karl Esselborn: Neubeginn als Programm. In: Ludwig Fischer, Rolf Grimmiger (Hrsg.): Literatur in der Bundesrepublik Deutschland bis 1967. Carl Hanser, München, Wien 1986, S. 230–243. (= Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart Bd. 10)
  • Wilhelm Große: Wolfgang Borchert. Kurzgeschichten. Oldenbourg, München 1995, S. 11–19. (=Oldenbourg Interpretationen Bd. 30)
  • Hans Kügler: Achter Mai 1945 – Annäherung an ein Datum. In: Praxis Deutsch. 22 (1995) Heft 131, S. 13–21.
  • Ralf Schnell: Deutsche Literatur nach 1945. In: Deutsche Literaturgeschichte. 6. Aufl. Verlag J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2001, S. 479–510.
  • Gabriele Schultheiß: Die Muse als Trümmerfrau: Untersuchung der Trümmerliteratur am Beispiel Walter Kolbenhoff. Hochschulschr.: Frankfurt am Main, Univ. 1984, Diss. 1982.
  • Volker Wedeking: Literarische Programme der frühen Nachkriegszeit. In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht. 21 (1990) 2, S. 2–15.
  • Wolfgang Weyrauch: Nachwort zu Tausend Gramm. In: Wolfgang Weyrauch (Hrsg.): Tausend Gramm. Rowohlt, Reinbek 1989, S. 175–183.
  • Gustav Zürcher: Trümmerlyrik. Politische Lyrik 1945–1950. Scriptor, Kronberg 1977 (=Monografien Literaturwissenschaft Bd. 35).