Vihuela

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Vihuela
spanisch: vihuela
Als älteste erhaltene Vihuela geltendes Instrument des 15. oder 16. Jahrhunderts
Klassifikation Chordophon
Zupfinstrument
Vorlage:Infobox Musikinstrument/Wartung/Parameter Tonumfang fehlt
Vorlage:Infobox Musikinstrument/Wartung/Parameter Klangbeispiel fehlt
Verwandte Instrumente

Gitarre, Laute


Die Vihuela (abgeleitet von lateinisch fidicula, ‚Fidel‘) ist ein spanisches Zupfinstrument, das im 15. und 16. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte. Als der Gitarre ähnelndes Lauteninstrument mit Resonanzkasten und Hals gehört sie zu den Kastenhalslauten. Die Vihuela war über Spanien und die spanischen Einflussgebiete hinausgehend unter dem Namen viola auch in Portugal und Italien verbreitet. Sie kann als ein Vorgänger der Gitarre angesehen werden, von der sie in Spanien in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts[1] verdrängt wurde. Laut Juan Bermudo (16. Jahrhundert) lag der einzig relevante Unterschied zwischen Gitarre (Renaissancegitarre) und Vihuela darin, dass die Gitarre vier Saitenchöre, die Vihuela sechs hatte.[2]

Der eher ovale Korpus der Vihuela war an beiden Seiten leicht eingeflankt und verfügte über einen flachen Boden, der mit der Decke durch Zargen verbunden war. Die Decke war mit einem oder mehreren Schalllöchern und meist kunstvoll geschnitzten Rosetten versehen. Auf der Decke war weiters ein Querriegel (Steg) zur Befestigung der Darmsaiten angebracht – oft mit Ornamenten geschmückt. Als Holz für Boden und Zargen diente wohl Ahorn, für die Decke eher Fichte.

Das Griffbrett war noch nicht aufgesetzt, sondern eben aus dem Deckenholz gearbeitet und besaß meist zehn bis zwölf Darmbünde. Die Besaitung war streng chörig und wies – im Gegensatz zur damals in der Regel noch vier- oder fünfchörigen Gitarre[3] – meist sechs, seltener fünf oder sieben[4][5] Darmsaitenpaare auf. Die Kopfplatte war flach und hatte im Gegensatz zur Laute hinterständige Wirbel aus Holz.

Wie aus ikonografischen Darstellungen und Abbildungen ersichtlich, waren viele Instrumente fein und aufwendig mit Einlegearbeiten und Intarsien verziert. Als Materialien dienten hierfür wohl Elfenbein, Schildpatt, Perlmutt, Ebenholz und in kostbaren Fällen sogar Gold.

Die allgemeine und wohl am weitesten verbreitete Stimmung der Vihuela entsprach prinzipiell der der Renaissancelaute. Unterschiede bestanden jedoch darin, dass alle Chöre der Vihuela unisono, bei der Laute jedoch ab dem 4. Chor in Oktaven gestimmt wurden. Außerdem verfügte die Vihuela meist über keine Chanterelle, also eine höchste Melodiesaite, sondern war chörig (mit einem Saitenpaar) bespannt.

Die Stimmung lautete für sechschörige Vihuela: Quart – Quart – große Terz – Quart – Quart (in entsprechenden Gitarrentranskriptionen E-A-d-fis-h-e'). Die Stimmung ging bei der Vihuela meist vom G oder A aus oder orientierte sich an der Zerreißgrenze des höchsten Saitenpaares. Von dieser Stimmung gab es regionale Abweichungen und Modifikationen. Juan Bermudo (Declaracion de instrumentos musicales, Osuna 1555), ein spanischer Komponist und Musiktheoretiker, berichtet auch über Instrumente mit sieben Chören, welche aber nicht von großer Bedeutung gewesen sein dürften, sowie von einer vihuela da cuatro ordenes mit nur vier Chören, im Gegensatz zur vihuela común einem Instrument des Volkes, wobei es sich formal um eine Gitarre (guitarra) handelt.

Frühe Quellen und Belege

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Erste Abbildungen der Vihuela sind in den Cantigas de Santa Maria aus dem 13. Jahrhundert von Alfons X. zu finden. Auch die ersten schriftlichen Erwähnungen, meist in Romanen, stammen aus dieser Zeit. Hier sind folgende Quellen zu nennen:

  • Libro de Apolonio (um 1250)
  • Milagros de Nuestra Señora und Libro de Alixandre von Gonzalo de Berceo (13. Jh.)
  • El Libro de Buen Amor (1330) von Juan Ruiz

Im Jahr 1484 erscheint in Neapel Johannes Tinctoris' Traktat De inventione et usu musicae, in dem er die Vihuela als eine Erfindung der Spanier beschrieb und sie baulich klar von der Laute abgrenzte. Außerdem wurde sie in Italien Viola da mano genannt und wurde laut Tinctoris auch dort gerne gespielt.

Im 16. Jahrhundert verschafften Komponisten und Vihuelisten wie Luis Milán und Alonso Mudarra der Vihuela (vor allem der vihuela da mano) am spanischen Hof unter Karl V. und Philipp II. und damit in ganz Spanien eine große, der im übrigen Europa der Laute und der Orgel vergleichbare Bedeutung.

Noten- und Lehrwerke

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El Maestro von Luis Milán (mit einem die Vihuela spielenden Orpheus), 1536

In der Zeit zwischen 1530 und 1580, dem siglo de oro der Vihuela, wurden zahlreiche Tabulaturausgaben[6] und Lehrwerke speziell für dieses Instrument geschrieben. Annala und Mätlik[7] nennen für den Zeitraum von 42 Jahren (1536–1578) elf Titel, darunter Werke von Luis Milán (Libro de música de vihuela de mano intitulado El Maestro, 1536), Luis de Narváez (Los seys libros del Delphin, 1538), Alonso de Mudarra (Tres libros de musica en cifra para vihuela, 1546), Enríquez de Valderrábano (Libro de música de vihuela, intitulado Silva de Sirenas, 1547), Diego Pisador (Libro de musica de vihuela, 1552) oder Miguel de Fuenllana (Orphenica lyra, 1554).[8] Sieben der wichtigsten Bücher liegen in einer modernen Edition auf CD-ROM vor.[9]

Hier ist vihuela noch der ursprüngliche spanische Sammelname[10] für Saiteninstrumente mit Hals und Griffbrett:

  • Vihuela de Mano: Sie wurde mit den Fingern gezupft und bezeichnet die spätere „Vihuela“.
  • Vihuela de Pendola, Péñola: Sie wurde mit einem Plektrum (Vogelfederkiel) gespielt.
  • Vihuela de Arco: Sie wurde mit dem Bogen gestrichen und kann somit zur Familie der Streichinstrumente gezählt werden.

Erhaltene historische Vihuelas

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Nach heutiger Kenntnis sind lediglich drei historische Vihuelas erhalten.[11]

Bei der am 6. Januar[14] 1936 von Emilio Pujol im Jacquemart-André-Museum entdeckten,[15] auf das Jahr 1500[16] datierten Vihuela Guadalupe, die einen Stempel des spanischen Klosters Guadalupe trägt, könnte es sich aufgrund der sehr großen Mensur (800 mm)[17] um eine Bass-Vihuela handeln, auch da gerade in der Renaissance viele Instrumente in sogenannten Familien, also in verschiedenen Stimmlagen gebaut wurden. Zudem kann es sich um keine „Standardgröße“ (mit einer Mensur von etwa 46 bis 55 cm[18] bei einer als „Normalvihuela“ anzunehmenden vihuela común wie sie bei Juan Bermudo 1555 beschrieben wird) handeln, da praktische Versuche, damalige Solo-Literatur aus den Vihuela-Büchern darauf zu spielen, misslangen, wohingegen eine Spielweise als Bass-Instrument in einem kleinen Orchester denkbar ist.[19] Im musikinstrumentenkundlichen Sinne könnte laut Frederick Cook diese „Vihuela“ auch eine modifizierte Renaissancegitarre sein.[20] Das in der Barockzeit umgebaute Instrument[21] ist oben abgebildet. Emilio Pujol erhielt zu seinem Geburtstag 1936 einen Nachbau der von ihm in Paris gefundenen Vihuela durch den Gitarrenbauer Miguel Simplicio überreicht und am 24. April desselben Jahres gab Pujol in Barcelona erstmals ein Konzert mit Vihuelamusik auf dieser Kopie und spielte damit erstmals in der neueren Musikgeschichte Vihuelamusik auf einer Vihuela.[22]

Das in Quito gefundene Exemplar stammt ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert. Mit den spanischen Entdeckern gelangte auch Kultur und Musik und somit die Tradition der Vihuela nach Südamerika.

Bekannte Vihuelisten und Komponisten für Vihuela

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  • Luis Milán (um 1500 – um 1561), spanischer Vihuelist
  • Enríquez de Valderrábano (um 1500 – nach 1577), spanischer Komponist für die Vihuela
  • Luys de Narváez (um 1505 – nach 1549), spanischer Vihuelist
  • Alonso Mudarra (um 1508–1580), spanischer Komponist und Vihuelist
  • Diego Pisador (um 1509 – nach 1557), spanischer Komponist und Vihuelist
  • Juan Bermudo (um 1510 – um 1565), spanischer Komponist für die Vihuela
  • Luis Venegas de Henestrosa (um 1510–1570), spanischer Komponist für die Vihuela
  • Tomás de Santa María (um 1510–1570), spanischer Komponist für die Vihuela
  • Antonio de Cabezón (1510–1566), spanischer Komponist für die Vihuela
  • Miguel de Fuenllana (um 1525 – um 1600), spanischer Komponist für die Vihuela
  • Esteban Daza (um 1537 – um 1591), spanischer Vihuelist und Komponist, Verfasser von El Parnaso (1576)
  • Bartolome de Olaya (17. Jahrhundert), um 1633 Sänger und Vihuelist der Hofkapelle in Madrid[23]
  • Emilio Pujol (1886–1980), spanischer Gitarrist und Herausgeber unter anderem von Vihuelakompositionen
  • Andrés Segovia (1893–1987), spanischer Gitarrist und erster spätneuzeitlicher Herausgeber von Vihuelakompositionen
  • Christof Stählin (1942–2015), deutscher Kabarettist, der seine poetischen Lieder auf der Vihuela begleitete
Klangdemonstration einer Vihuela de mano (moderne Kopie)
  • Juan Bermudo: Declaracíon de instrumentos musicales. Osuna 1555.
    • daraus besonders: Dawn Astrid Espinosa: De tañer vihuela. Übersetzt ins Englische (On playing the vihuela.) In: Journal of the Lute Society of America. Band 28–34, 1995–1996.
  • Gundi Braun: Vihuela. In: MGG Online, November 2016 (Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 1998)
  • Victor Anand Coelho (Hrsg.): Performance on Lute, Guitar, and Vihuela: Historical Practice and Modern Interpretation. Cambridge University Press, Cambridge 1997; Neudruck ebenda 2005, ISBN 0-521-45528-6.
  • Carlos González, Gerardo Arriaga, Javier Somoza: Libros de Música para Vihuela 1536–1576. CD-ROM. Ópera Tres y Música Prima, 2003, ISBN 84-95609-41-X.
  • John Griffiths: At Court and at Home with the Vihuela de mano: Current Perspectives of the Instrument, its Music and its World. In: Journal of the Lute Society of America, Band 22, 1989, S. 1–28
  • Frank Koonce: The Renaissance Vihuela & Guitar in Sixteenth-Century Spain. Mel Bay, Pacific 2008, ISBN 978-0-7866-7822-8.
  • Luys Milán: Libro de muscia de vihuela de mano. Intitulado El maestro. 1535/1536.
  • Wolf Moser: Vihuela, Gitarre und Laute in Spanien während des 16. Jahrhunderts- Teil I: Die Quellen – Die Vihuela. In: Gitarre & Laute. Band 3, Nr. 2, 1981, S. 18–27.
  • Diana Poulton, Antonio Corona Alcalde: Vihuela. In: Grove Music Online. 2001.
  • Oliver Schöner: Die Vihuela de mano im Spanien des 16. Jahrhunderts. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 36. Band 198). Frankfurt am Main u. a. 1999, ISBN 3-631-35117-8.
Commons: Vihuela – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Adalbert Quadt: Gitarrenmusik des 16.–18. Jahrhunderts. Nach Tabulaturen hrsg. von Adalbert Quadt. Band 1–4. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1970 ff.; 2. Auflage ebenda 1975–1984, Vorwort (1970).
  2. Frederick Noad: The Renaissance Guitar. (= The Frederick Noad Guitar Anthology. Teil 1) Ariel Publications, New York 1974; Neudruck: Amsco Publications, New York / London / Sydney, ISBN 0-7119-0958-X, S. 14.
  3. Hermann Leeb: Die Gitarre. Betrachtungen von Hermann Leeb. Teil 1. In: Gitarre & Laute. Band 2, Heft 2, 1980, S. 34–40, hier: S. 38.
  4. Frederick Cock: Die Vihuela: große oder kleine Mensur? In: Gitarre & Laute. Band 2, Heft 3, 1980, S. 14–18, hier: S. 14.
  5. Wolf Moser: Über die Unterschiede zwischen Gitarre und Vihuela bei Bermudo. In: Gitarre & Laute. Band 2, Heft 5, 1980, S. 32–43, hier: S. 36 f.
  6. Hermann Leeb († 1979): Die Gitarre. Betrachtungen von Hermann Leeb. Teil 2. In: Gitarre & Laute. Band 2, Heft 3, 1980, S. 32–41; hier S. 32 f.
  7. Hannu Annala, Heiki Mätlik: Handbook of Guitar and Lute Composers. Mel Bay, Pacific 2007, S. 10.
  8. Frederick Noad: The Renaissance Guitar. (= The Frederick Noad Guitar Anthology. Teil 1) Ariel Publications, New York 1974. (Neudruck: Amsco Publications, New York/ London/ Sydney, ISBN 0-7119-0958-X, S. 12 f. (Music for the Vihuela).
  9. González, Arriaga, Somoza 2003.
  10. Wolf Moser (1981), S. 21 f.
  11. Koonce 2008, S. 11ff.
  12. Frederick Cook: Die Vihuela: große oder kleine Mensur? In: Gitarre & Laute. 2, 3, 1980, S. 14–18; hier: S. 15 f.
  13. Frederick Cook: Die Jacquemart-André-Vihuela: Ungeklärte Fragen. In: Gitarre & Laute. 5, 1983, Heft 3, S. 177–182.
  14. Lebensdaten Pujols. In: Gitarre & Laute. Band 8, 1986, S. 51.
  15. Wolf Moser: Vihuela, Gitarre, Weihgeschenk? Das „Unding“ aus dem Jacquemart-André-Museum. In: Gitarre & Laute. Band 5, Heft 4, 1983, S. 276–278; hier: S. 276.
  16. Emilio Pujol: Die Vihuela und ihre Spieler. Hrsg. und übersetzt von Wolf Moser. In: Gitarre & Laute. Band 8, Heft 2, 1986, S. 47–50; hier: S. 47.
  17. Frederick Cook: Noch einmal: Die Jacquemart-André-Vihuela. In: Gitarre & Laute. Band 6, Heft 1, 1984, S. 74–77; hier: S. 74.
  18. Wolf Moser (1983), S. 277.
  19. Wolf Moser (1983), S. 277.
  20. Frederick Cook (1983)
  21. Frederick Cook (1983), S. 178.
  22. Lebensdaten Pujols. In: Gitarre & Laute. Band 8, 1986, S. 51.
  23. Josef Zuth: Handbuch der Laute und Gitarre. Verlag der Zeitschrift für die Gitarre (Anton Goll), Wien 1926 (1928), S. 211.