Wohnprojekt

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Als ein Wohnprojekt verstehen sich Haus- und Wohngemeinschaften, die ein oder mehrere Gebäude gemeinsam entwickeln, bewohnen und verwalten.

Bewusst gemeinschaftlich organisierte Wohnformen verbreiten sich seit den 1980er Jahren vor allem in Europa und Nordamerika als Variante des Zusammenlebens, bedürfnisgerechter Lebensformen sowie Umgang mit dem Altern der Gesellschaft und der Knappheit bezahlbaren Wohnraums. Nachdem es in Industrieländern üblich wurde, allein, als Paar oder in Kleinfamilien zu leben, bietet das gemeinschaftliche Wohnen eine moderne Alternative zum traditionellen Leben in der Großfamilie oder in der Dorf- oder Hofgemeinschaft.

Wohnprojekte sind häufig mit Phasen des gemeinschaftlichen Bauens gekoppelt, um Wohnraum zu schaffen, der zur angestrebten Wohnform passt.

Wohnprojekte werden auch als Geplante Gemeinschaften bezeichnet, einer Übersetzung des englischen Begriffs intentional community (auch: bewusste oder gewählte Gemeinschaft). Gemeinschaftliche Wohnformen haben eine lange Geschichte. Ursprünglich häufig spirituell oder religiös geprägt (z. B. Bruderhöfe), definieren sich Gemeinschaften auch über gemeinsame Ideale, Wunsch nach Gemeinschaftsgefühl, menschlicher Bindung und Beziehung, einfachem, ländlichem oder nachhaltigem Leben, gemeinsamen Lebensgewohnheiten, Aktivitäten wie Kunst und Handwerk oder der Fürsorge für emotional oder körperlich beeinträchtigte Menschen (z. B. Camphill-Gemeinschaften).[1]

Auf dem Immobilienmarkt wird die Bezeichnung Wohnprojekt gelegentlich für auch Gebäude oder -Ensembles verwendet, die als generationenübergreifend konzipiert sind, also von Bewohnern unterschiedlicher Altersgruppen genutzt werden sollen. Andere gemeinschaftliche Wohnformen, deren Bezeichnungen aus dem Englischen übernommen worden, sind Co-Living, Cohousing und Cluster-Wohnung.

Ihre Wurzeln haben viele Wohnprojekte bei den Hausbesetzungen, in emanzipatorischen Bewegungen und im politisch linken oder alternativen Spektrum. Anders als Eigentümergemeinschaften versuchen Wohnprojekte, Beteiligten die Chance zu eröffnen, auch ohne viel Eigenkapital selbstbestimmt zu leben, oft als Alternative zum isolierten Leben in der Singlewohnung oder im Altenheim. Soziologisch geht damit einher, dass die Kleinfamilie mit Alleinverdiener schwindet und Patchwork- sowie Wahlfamilien zunehmen.

Erscheinungsformen

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Charakteristisch für Wohnprojekte sind Selbstverwaltung und basisdemokratische Arbeitsweisen; die Spekulation mit Wohneigentum als Kapitalanlage wird in der Regel abgelehnt. So kommen nicht-kommerzielle Beteiligungsformen und genossenschaftliche Strukturen den Idealen vieler Wohnprojekt-Aktiven weitaus näher als Erwerbermodelle. Häufiger als der Neubau ist die Ressourcen schonende Umnutzung von Kasernen oder Fabrikgebäuden und anderer Altbauten, deren Abriss oder Verfall droht. Wichtig für Wohnprojekte ist die organisierte Gruppenselbsthilfe als Eigenkapitalersatz. In vielen Fällen wird auch darauf Wert gelegt, Barrieren gegen Kinder und alte Menschen abzubauen und Menschen mit Migrationshintergrund ausdrücklich einzubeziehen. Einzelne Projekte machen sich interkulturelles Wohnen auch zum zentralen Anliegen.[2]

Verwandte Lebensformen waren oder sind z. B. Siedlungsgenossenschaft, Ökosiedlung, Kibbuz und Landkommune. Auch Autofreies Wohnen, Mehrgenerationenhäuser, Wagenburgen oder (Bau-)Wagenplätze, autonome Zentren, Gewerbehöfe und von Frauen bewohnte Beginenhöfe zeigen Überschneidungen zu Wohnprojekten.

Auf Bauernhöfen finden sich Wohnprojekte ebenso wie Pflege-Projekte (Green Care).

Für Wohnprojekte kommen je nach Ausrichtung und Projektphase unterschiedliche Rechtsformen in Frage. Gängige Rechtsformen hierfür sind in Deutschland der Verein (vor allem in der Gründungsphase), die GbR (für kleinere Gruppen oder für die Planungs- und Bauphase bei Baugemeinschaften), die Wohnungseigentümergemeinschaft, die Genossenschaft (zum Beispiel als „kleine Genossenschaft“) und die GmbH. Die Projektentwicklung, die Baubetreuung und die Verwaltung können in Zusammenarbeit mit externen Trägern durchgeführt werden.[3]

In Deutschland gibt es viele dem Ansatz nach „alternative“ Wohnprojekte, etwa die Schellingstraße in Tübingen, die WiG – Wohnen in Gemeinschaft in Herne, die MiKa in Karlsruhe, SUSI und Grether in Freiburg, den Aegidienhof in Lübeck, Wohnsinn[4] und Agora[5] in Darmstadt, Wagnis in München, die ALLMEIND[6] in Regensburg/Burgweinting, die ehemalige Yorck59, die Rigaer 94 und die Köpi in Berlin oder die Hafenstraße in Hamburg. Hamburg ist mit über 120 genossenschaftlich organisierten Wohnprojekten eine Hochburg. Besonders in Baden-Württemberg gibt es viele Initiativen, die als selbstverwaltete GmbHs ihre Projekthäuser über eine Minderheiten-Beteiligung des Mietshäuser Syndikats dem Kapital- und Immobilienmarkt entzogen haben. Die Finanzierung der Wohnprojekte erfolgt über Direktkredite und häufig über Darlehen der GLS-Gemeinschaftsbank.

Seit den 1990er Jahren veranstaltet man lokale Wohnprojekte-Tage.

Österreich / Schweiz

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Überregional bekannt sind die Sargfabrik im Westen Wiens mit einem großen Kulturzentrum und KraftWerk in Zürich mit Raum für gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten. Beide haben inzwischen Ableger gebildet. In Wien hat sich im letzten Jahrzehnt das mit einem „Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2014“ ausgezeichnete „Wohnprojekt Wien“ am Nordbahnhofgelände als Leitprojekt für neue Baugruppenprojekte, z. B. auch in den Stadtentwicklungsgebieten Seestadt und Sonnwendviertel etabliert.

In Dänemark (allen voran die Freistadt Christiania in Kopenhagen), dann auch in anderen Ländern Skandinaviens, in den Niederlanden und in den USA sind vielfältige Cohousing-Projekte entstanden, die mit Planung durch die Bewohner sowie Elementen von Selbstverwaltung arbeiten und damit Parallelen zu Wohnprojekten in Deutschland aufweisen.

  • Dorette Deutsch: Schöne Aussichten fürs Alter. Wie ein italienisches Dorf unser Leben verändern kann. Piper Verlag, München 2005, ISBN 3-492-04873-0 (Piper Taschenbuch 2007).
  • Dorette Deutsch: Lebensträume kennen kein Alter. Neue Ideen für das Zusammenwohnen in der Zukunft. Krüger Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-901811-56-2.
  • Dietmar Walberg: Leitfaden für Gruppenwohnprojekte, Hrsg. v. d. Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. Kiel 2015. ISBN 978-3-939268-22-2.
  • Axel Janitzki, Walter Burkart (Hrsg.): Alternativen zu Mietwohnung und Eigenheim – gemeinsam finanzieren, selbst verwalten. Freies Geistesleben, Stuttgart 1992. ISBN 3-7725-0951-7.
  • STATTBAU HAMBURG (Hrsg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, Soziale Stadtentwicklung – das Stattbau-Buch. Hamburg 2002. ISBN 3-9808222-0-6.
  • Micha Fedrowitz, Ludger Gailing: Zusammen wohnen. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Bd. 112. Dortmund 2003. ISBN 3-88211-141-0 Download.
  • Christine Philippsen: Soziale Netzwerke in gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Eine empirische Analyse von Freundschaften und sozialer Unterstützung. Budrich UniPress, Opladen 2014, ISBN 978-3-86388-086-6.
  • Barbara Nothegger: Sieben Stock Dorf. Wohnexperimente für eine bessere Zukunft, Residenz Verlag, Wien 2014, ISBN 9783701734092

Einzelnachweise

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  1. Cynthia Tina: [www.ic.org/timeline-of-intentional-communities/ Timeline of Intentional Communities], Foundation for Intentional Community (FIC), 8. Oktober 2021. In: ic.org
  2. Interkulturelles Wohnen. Schader Stiftung, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Dezember 2007; abgerufen am 20. September 2009.
  3. Helene Rettenbach: Gemeinschaftliches Wohnen – eine Einführung. In: schader-stiftung.de. 20. Dezember 2011, abgerufen am 23. Juni 2024.
  4. Bau- und Wohngenossenschaft WohnSinn eG – Darmstadt. Abgerufen am 27. November 2024.
  5. JavaScript Redirect function setTimeout(). Abgerufen am 27. November 2024.
  6. Bewohnerverein ALLMEIND e. V. (abgerufen am 25. Februar 2013)